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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
KDV 1967 §35 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. September 1989, Zl. MA 70-8/372/89, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe S 10.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrgebehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für die Gruppe B "auf zwei Jahre, das ist bis 20.9.1990" befristet.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967, der mit "Entziehung der Lenkerberechtigung" überschrieben ist, ist Besitzern einer Lenkerberechtigung, die u.a. nicht mehr geistig oder körperlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, die Lenkerberechtigung ganz oder teilweise zu entziehen oder u.a. durch Befristungen einzuschränken; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr in vollem Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Die Befristung einer bis dahin unbefristeten Lenkerberechtigung ist eine im § 73 Abs. 1 KFG 1967 vorgesehene Maßnahme.
In Ansehung der Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen regelt § 67 Abs. 2 erster Satz KFG 1967, daß vor der Erteilung der Lenkerberechtigung ein ärztliches Gutachten darüber einzuholen ist. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung darf das ärztliche Gutachten im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein. § 67 Abs. 2 ist gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz KFG 1967 auch im Entziehungsverfahren anzuwenden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/11/0180).
Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben die Befristung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers darauf gestützt, daß der ärztliche Amtssachverständige der Erstbehörde den Beschwerdeführer in einem Gutachten vom 20. September 1988 als zum Lenken von Kraftfahrzeugen bedingt geeignet beurteilt und eine Befristung auf zwei Jahre für erforderlich angesehen hat. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29. September 1989 zugestellt. Das Gutachten war bei Erlassung des angefochtenen Bescheides somit älter als ein Jahr. Damit hat die belangte Behörde eine Verfahrensvorschrift verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 17. Jänner 1989).
2. Das Gutachten vom 20. September 1988 ist in Ansehung der lediglich bedingten Eignung des Beschwerdeführers mit "wegen des Alters u. Schwerhörigkeit" begründet. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1907 geboren. Zum Hörvermögen des Beschwerdeführers führt der ärztliche Sachverständige aus:
"Konversationssprache wird gehört mit beiden Ohren in 1 m".
Nach § 35 Abs. 7 lit. a KDV 1967 liegt ein mangelhaftes Hörvermögen, das gemäß § 35 Abs. 1 lit. j KDV 1967 ein die körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen u.a. der Gruppe B ausschließendes Gebrechen darstellt, vor, wenn ohne Verwendung von Hörbehelfen das Hörvermögen auf beiden Ohren für Konversationssprache auf eine Entfernung von mindestens einem Meter nicht ausreicht.
Es kann nun dahinstehen, ob die Feststellung, daß eine körperliche Eignungsvoraussetzung gerade noch erreicht wird, in Verbindung mit einem verhältnismäßigen hohen Alter der betreffenden Person für sich allein die Befristung der Lenkerberechtigung dieser Person gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 rechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat nämlich im Verwaltungsverfahren ein Gutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 21. November 1988 - das demgemäß bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen war - vorgelegt. In diesem Gutachten wird das Hörvermögen des Beschwerdeführers mit "Umgangssprache beidohrig 2 m" angegeben; der Hörverlust betrage durchschnittlich 30 Prozent. Der Privatgutachter kommt zu dem abschließenden Ergebnis, daß "Hörorgan und Gleichgewichtsorgan ..... keinerlei Beeinträchtigung zum Führen eines Kraftfahrzeuges" bedingten.
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf dieses Privatgutachten ein. Sie führte aus, daß die Feststellung, der Beschwerdeführer sei zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet, nicht bestritten werde. Es sei jedoch zu beurteilen, ob eine Befristung der Lenkerberechtigung auf Grund der Untersuchungsergebnisse notwendig erscheine; dahingehend beinhalte das Privatgutachten nichts.
Diese Ausführungen sind für den Verwaltungsgerichtshof nicht schlüssig. Das Hörvermögen des Beschwerdeführers wird von beiden Gutachtern mit unterschiedlichen Werten angegeben. Ob dieser Unterschied für die Beurteilung der Erforderlichkeit von Nachuntersuchungen nach Ablauf einer bestimmten Zeit wesentlich ist oder nicht, kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht geprüft werden. Es hätte zumindest einer Übermittlung des Privatgutachtens an den Amtssachverständigen zur Erstellung einer Ergänzung in der Richtung bedurft, ob er auch bei einem Hörvermögen, wie es der Privatgutachter umschrieben hat und welches offensichtlich erheblich über dem rechtlich normierten Mindestwert liegt, in Verbindung mit dem Alter des Beschwerdeführers eine Nachuntersuchung nach zwei Jahren für erforderlich hält und welche Bedeutung der vom Privatgutachter angegebene "Hörverlust von durchschnittlich 30 Prozent" hat. Im Falle der Wesentlichkeit des Unterschiedes der in Rede stehenden, das Hörvermögen betreffenden Werte wäre ein (weiteres) diesbezügliches fachärztliches Gutachten einzuholen gewesen.
3. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach § 35 Abs. 7 KDV 1967 ein fachärztlicher Befund sogar dann zwingend einzuholen ist, wenn die in dieser Bestimmung normierten Mindestwerte unterschritten werden, und daß der fachärztliche Befund auch auszusprechen hat, ob und in welchem Zeitraum eine Nachuntersuchung erforderlich ist. Der Verordnungsgeber geht daher offensichtlich davon aus, daß die Unterschreitung der Mindestwerte betreffend Hörvermögen allein noch nicht zur Annahme der körperlichen Nichteignung führt und daß diesfalls eine Befristung der Lenkerberechtigung in Betracht kommt. Es wäre daher zu begründen gewesen, wieso dies beim Beschwerdeführer, bei dem der Mindestwert jedenfalls nicht unterschritten wurde, verfügt wurde.
Aus den genannten Gründen ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben und es liegen Begründungsmängel in wesentlichen Punkten vor. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110274.X00Im RIS seit
12.06.2001