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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde der A gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Kärntner Landesregierung vom 27. Jänner 1986, Zl. Agrar 11-410/5/86, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. September 1984 wies die Agrarbezirksbehörde Klagenfurt (ABB) den von Notar Dr. OW für die Beschwerdeführerin gestellten Antrag vom 23. März 1983, festzustellen, daß der Kauf einer näher bezeichneten Liegenschaft durch die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt der Bodenreform eine Grunderwerbsteuerbefreiung rechtfertige, mit der Begründung ab, der Erwerb entspreche nicht der Zielsetzung des § 1 des Kärntner Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes, LGBl. Nr. 22/1970, in der Fassung LGBl. Nr. 43/1973. Dieser Bescheid wurde dem genannten Notar am 1. Oktober 1984 zugestellt.
Am 25. Oktober 1985 brachte die Beschwerdeführerin bei der ABB eine Berufung ein, in der sie eingangs darauf hinwies, daß der Notar der ABB keine Vollmacht vorgelegt habe und diese daher nicht berechtigt gewesen sei, ihm den Bescheid vom 19. September 1984 zuzustellen; eine Zustellung an sie sei nicht erfolgt; sie habe erst aus der Begründung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde vom Zustellvorgang genaue Kenntnis erhalten.
Die Berufung wies sodann der Landesagrarsenat beim Amt der Kärntner Landesregierung mit Erkenntnis vom 27. Jänner 1986 gemäß § 1 AgrVG 1950 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurück. In der Begründung wurde unter Bezugnahme auf § 63 Abs. 5 AVG 1950 ausgeführt, es sei im Rechtsmittelverfahren an den antragstellenden Notar die Anfrage gerichtet worden, ob ein entsprechendes Vollmachtsverhältnis im gegenständlichen Fall vorliege. Auf diese Anfrage hin habe dieser mitgeteilt, daß von der Beschwerdeführerin am 11. Februar 1983 eine ihm erteilte Vollmacht unterzeichnet und bis zum 23. Dezember 1985 niemals aufgekündigt worden sei. Desgleichen habe er der Berufungsbehörde das Original der von der Beschwerdeführerin eigenhändig unterschriebenen Vollmacht übermittelt. Mit Schreiben vom 10. Jänner 1986 habe die Beschwerdeführerin bekanntgegeben, daß sie die gegenständliche Vollmacht, sofern eine solche angenommen würde, ausdrücklich zurückziehe und das Vollmachtsverhältnis mit 9. Jänner 1986 als gekündigt anzusehen sei.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung des Landesagrarsenates am 27. Jänner 1986 sei von seiten der Beschwerdeführerin vorgebracht worden, daß ihr Gatte nach Bescheiderlassung mit dem Notar telefoniert habe. Unmittelbar darauf - es sei im Dezember 1984 gewesen - habe der Notar den Bescheid der ABB der Beschwerdeführerin zugesandt.
Erst nach Erhalt der Berufungsentscheidung des Finanzamtes sei die Beschwerdeführerin auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gestoßen, dem zufolge dieser den Bescheid einer Berufungsbehörde behoben habe, weil der erstinstanzliche Bescheid einem Notar zugestellt worden sei, ein Vollmachtsverhältnis zwischen diesem und der Partei des Verfahrens aber nicht bestanden bzw. nicht habe nachgewiesen werden können.
Die Frage, ob der vom Notar eingebrachte Antrag im Beschwerdefall gegen den Willen der Partei gestellt worden sei, habe die Beschwerdeführerin verneint.
Eine Überprüfung des vorliegenden Berufungsaktes ergebe unter Berücksichtigung der Bestimmungen des AVG nachstehendes Beurteilungsbild:
Gemäß § 10 Abs. 1 AVG 1950 könnten sich Beteiligte durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen hätten. Die Berufungsbehörde habe im Zuge des Verfahrens feststellen können, daß ein solches Vollmachtsverhältnis im vorliegenden Fall sehr wohl vorgelegen, der bescheiderlassenden Behörde gegenüber jedoch tatsächlich nicht ausgewiesen worden sei. Da diese Bevollmächtigung der Behörde gegenüber nicht in der im § 10 AVG 1950 dargestellten Form zum Ausdruck gebracht worden sei, habe sich ihre Wirkung nur auf das Innenverhältnis zwischen dem Notar und der Beschwerdeführerin beschränkt. Insofern müsse auch angenommen werden, daß die Rechtsmittelfrist für den gegenständlichen Bescheid der ABB vom 19. September 1984 nicht bereits mit dem Tage der Zustellung an den Notar, nämlich mit 1. Oktober 1984, zu laufen begonnen habe.
Unterliefen jedoch der Behörde bei der Zustellung Mängel, so gelte diese gemäß § 7 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt sei (Empfänger), tatsächlich zugekommen sei.
Demgemäß bewirke die tatsächliche Empfangnahme des zuzustellenden Schriftstückes durch denjenigen, für den es bestimmt sei, unter allen Umständen die Sanierung aller unterlaufener Zustellmängel, denn die Nichtbeachtung der Formvorschriften für die Zustellung werde in dem Augenblick gegenstandslos, in dem das Ziel jeder Zustellung, das Schriftstück in die Hände des Empfängers zu bringen, auf welche Art auch immer, erreicht sei.
Nun sei von seiten der Beschwerdeführerin selbst angegeben worden, daß sie die Entscheidung der ABB noch im Dezember 1984 tatsächlich erhalten habe. Da sich diese Aussage auch mit den diesbezüglichen Angaben des Notars, der den gegenständlichen Bescheid der Beschwerdeführerin übermittelt habe, decke, müsse als erwiesen angenommen werden, daß im vorliegenden Fall der der ABB zweifelsfrei unterlaufene Zustellmangel noch im Dezember des Jahres 1984 geheilt worden sei.
Spätestens ab letztgenanntem Zeitpunkt hätte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt, gegen den bezughabenden Bescheid der ABB Berufung zu erheben.
Da die Beschwerdeführerin von dieser Möglichkeit erst mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1985 Gebrauch gemacht habe, sei von der Berufungsbehörde einwandfreie Verspätung anzunehmen und die vorliegende Berufung aus diesem Grunde zurückzuweisen gewesen.
Für eine nähere Beurteilung der Angelegenheit im Hinblick auf die Bestimmungen des Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes sei damit kein Raum mehr geblieben.
Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Sachentscheidung verletzt erachtet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der
sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wenn sich Parteien durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, haben diese sich gemäß § 10 Abs. 1 AVG 1950 durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen, wenn die Vollmacht nicht vor der Behörde mündlich erteilt wird. Die Nichtvorlage einer schriftlichen Vollmacht stellt gemäß § 10 Abs. 2 AVG 1950 ein im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 behebbares Formgebrechen dar (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Jänner 1985, Slg. Nr. 11.633/A).
Da im Beschwerdefall im erstinstanzlichen Verfahren für die Beschwerdeführerin ein Notar aufgetreten war und dieser keine schriftliche Vollmacht beigebracht hatte, hätte die ABB damals deren Vorlage im Weg eines Verbesserungsauftrages verlangen müssen. Solange der Behörde eine schriftliche Vollmacht nicht vorlag und der Vertreter daher nicht als solcher entsprechend ausgewiesen war, durfte - von dem Mängelbehebungsauftrag selbst abgesehen - an ihn in der Eigenschaft als Vertreter in der betreffenden Angelegenheit rechtens - bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit - nicht zugestellt werden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 1967, Slg. Nr. 7081/A). Durch die dennoch vorgenommene Zustellung des Bescheides an den Vertreter wurde die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt (siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1950, Slg. Nr. 1367/A). Diese Frist kann auch später - bei allfälliger nachträglicher Vollmachtsvorlage - nicht mehr von selbst in Gang kommen, sei es "rückwirkend" oder ab einem "neuen" - und das hieße fiktiven (weil im Gesetz nicht begründeten) - Termin (etwa ab dem Tag des Einlangens der Vollmacht bei der Behörde). Auch § 7 des Zustellgesetzes ist in einem solchen Fall nicht anwendbar. Nach dieser Bestimmung gilt eine Zustellung, bei der Mängel unterlaufen sind, als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das betreffende Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist; im Fall der Zustellung an eine Person, die als Vertreter angesehen wird, ist aber diese der "Empfänger" (§ 9 Abs. 1 Zustellgesetz). Wenn daher das einem Vertreter als Empfänger zugestellte Schriftstück nachträglich auch noch dem Vertretenen "zukommt", ist es ihm nicht als "Empfänger" zugekommen. Auch im vorliegenden Fall war es daher unerheblich, ob und wann der an den genannten Notar gerichtete Bescheid der ABB vom 19. September 1984 nochmals in die Verfügungsgewalt der Beschwerdeführerin gelangt ist. Diese hat jenen vielmehr bisher nie ordnungsgemäß zugestellt erhalten.
Es ist nun richtig, daß eine Partei einen Bescheid auch dann mit Berufung bekämpfen kann, wenn er ihr noch nicht zugestellt wurde. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß der betreffende Bescheid irgendeiner anderen Verfahrenspartei gegenüber bereits erlassen wurde (siehe dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1970, Slg. Nr. 7790/A). Im Beschwerdefall wurde der Bescheid der ABB vom 19. September 1984 aber außer dem Notar - dem, wie dargetan, nicht rechtswirksam (für die Beschwerdeführerin) zugestellt werden konnte und der selbst nicht Partei war - nur dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Klagenfurt - das nicht Parteistellung hatte, sondern lediglich von der Erledigung zu verständigen war (siehe § 5 Abs. 4 des Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes) - zur Kenntnis gebracht.
Daraus ergibt sich, daß der besagte erstinstanzliche Bescheid bisher rechtlich gar nicht existent geworden ist. Gegen eine solche Erledigung kann aber nicht berufen werden. Das heißt für den vorliegenden Fall, daß die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung unzulässig und daher - richtigerweise aus diesem Grund - zurückzuweisen war. Dadurch, daß die Berufung mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht als unzulässig, sondern als verspätet zurückgewiesen wurde, ist die Beschwerdeführerin in ihren Rechten nicht verletzt worden.
Die demnach unbegründete Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungBeginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Formgebrechen behebbare VollmachtsvorlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1986070061.X00Im RIS seit
13.03.1990Zuletzt aktualisiert am
17.11.2011