Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §16 Abs1;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1990, 349;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte
Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin
Mag. Wimmer, über die Beschwerde der S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. März 1989, Zl. GA 5 - 1755/4/88, betreffend Lohnsteuer für die Jahre 1985 bis 1987, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Lehrerin an einer Allgemeinbildenden Höheren Schule. Für die Streitjahre machte sie Aufwendungen für eine "Arbeitswohnung" als Werbungskosten geltend. Die Beschwerde spricht einmal von einer 1984 "angeschafften" Substandardwohnung, an anderer Stelle wieder von "angemieteten" Räumlichkeiten. Nach den von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen handelt es sich bei der Substandardwohnung offenkundig um eine Eigentumswohnung: Es werden unter anderem Anschaffungskosten, Grunderwerbsteuer, Kosten für eine Teilpfandlöschung und ein Grundanteil ausgewiesen sowie als Werbungskosten von den Anschaffungskosten und den Nebenkosten eine Absetzung für Abnutzung geltend gemacht.
Das Finanzamt versagte den Aufwendungen für die Arbeitswohnung bescheidmäßig die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte als Werbungskosten, wogegen die Beschwerdeführerin Berufung erhob. Sie brachte vor, die Anschaffung einer eigenen Arbeitswohnung sei ausschließlich im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit gestanden. Es wäre ihr ohne dieselbe unmöglich gewesen, den Beruf auszuüben. Sie habe Deutsch und Englisch an der Oberstufe des Gymnasiums unterrichtet, sowie in den Jahren 1985 bis 1987 die unverbindliche Übung Bühnenspiel. Sie benötige einen Arbeitsplatz samt Schreibmaschine sowie Aufstell- bzw. Aufbewahrungsmöglichkeiten für zahlreiche Unterlagen. Ihre Fachbibliothek nehme Buchrücken an Buchrücken gestellt eine Bücherschrankfläche von ca. 3,20 m2 ein. Diese Literatur benötige sie zur Unterrichtsvorbereitung und für die Korrekturarbeiten. Für diese Tätigkeiten sei auch relative Ungestörtheit erforderlich. Sie sei verheiratet und habe fünf Kinder. Die Familienwohnung habe eine Wohnfläche von 110 m2. Es stünden ein Wohnraum, drei Zimmer und ein Kabinett zur Verfügung. Letzteres benütze der älteste Sohn, die vier weiteren Kinder teilten sich zwei Zimmer, das dritte Zimmer sei das Schlafzimmer der Eltern. Auch der Wohnraum sei infolge seiner Funktion als Eß- und Kommunikationsraum der Familie wie auch im Hinblick auf seine Lage (Durchgangsraum zu allen anderen Räumen) weder geeignet, der Beschwerdeführerin auch nur im Mindestmaß ein ungestörtes Arbeiten zu ermöglichen, noch biete er von seiner Größe her (rund 20 m2) die Möglichkeit der Unterbringung des Arbeitsplatzes und der Fachbibliothek. An der Schule selbst stehe der Beschwerdeführerin im Konferenzzimmer nur ein Platz mit einem Ausmaß von 0,5 m2 zur teilweisen Verfügung, der somit ebenfalls in keiner Weise für die Arbeitszwecke der Beschwerdeführerin geeignet sei. Für diese Zwecke habe sie daher einen unabweisbaren zusätzlichen Raumbedarf. Die von ihr erworbene Substandardwohnung werde ausschließlich für die erwähnten Arbeitszwecke genutzt. Es gebe in ihr kein Wasser, keine Toilette, keine Kochgelegenheit. Die Wohnung enthalte außer dem Arbeitsplatz, den Regalen für die Lehrbehelfe, einer Lampe, einer Schreibtischlampe, einem Kleiderständer, einem Teppich, einer Kaffeemaschine und einem Heizlüfter keine Einrichtungsgegenstände, nicht einmal Vorhänge. Die im Rahmen ihres Berufes auszuführenden Tätigkeiten könnten vom zeitlichen Aufwand her keinesfalls zur Gänze, nicht einmal zum überwiegenden Teil in der Schule ausgeführt werden. Ein großer Teil der Vorbereitungs- und Korrekturarbeit müsse an Feiertagen oder in Ferien erledigt werden, wo der Beschwerdeführerin der Arbeitsplatz in der Schule überhaupt nicht zur Verfügung stehe. Zur Erläuterung legte die Beschwerdeführerin der Berufung eine Aufstellung aller ihr aus ihrem Beruf erwachsenden Tätigkeiten mit dem ungefähren Zeitaufwand bei. Nach dieser detaillierten Aufstellung entfallen zusammengefaßt 23 Wochenstunden auf den Unterricht, 15 Wochenstunden auf sonstige Arbeiten in der Schule, 5 Wochenstunden auf teilweise in der Schule ausgeführte Arbeiten und 29 Wochenstunden auf die in der Arbeitswohnung durchgeführten Arbeiten.
Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin in der Frage der Arbeitswohnung keine Folge. Begründend führte sie im wesentlichen aus, daß die Beschwerdeführerin ihre berufliche Tätigkeit hauptsächlich in den Räumen der Schule ausübe. Dies unabhängig davon, ob ihr eine eigene Wohnung oder ein Arbeitszimmer zur Verfügung stehe. Sie habe selbst die Stundenanzahl angegeben, die sie jeweils in der Schule verbringe bzw. diejenige Anzahl, die sie für verschiedene Vorbereitungsarbeiten aufwende. 43 Stunden in der Woche arbeite die Beschwerdeführerin nach diesen Angaben in der Schule, wovon 23 Stunden auf den Unterricht entfielen. An 29 zusätzlichen Stunden pro Woche würde in der Arbeitswohnung gearbeitet. Dabei handle es sich um folgende Tätigkeiten:
Zusammenstellen von Texten aus Büchern, Zeitschriften und Theaterprogrammen, Verfassen und Reinschreiben von Texten für Schularbeiten, Exzerpieren von Primär- und Sekundärliteratur sowie Auswählen von Literatur für Schulreferate, Auswahl von Klassenlektüre, Aufnahme von Kassetten Lehrstoffverteilung, Einteilen von Referaten,
Anfertigen von außertourlichen Unterrichtsmaterialien, Schularbeitenverbesserung.
Die belangte Behörde anerkenne, daß mit dem Beruf eines Lehrers Tätigkeiten im dargestellten Sinn verbunden seien. Sie bezweifle allerdings den von der Beschwerdeführerin angeführten Umfang dieser Tätigkeiten, zumal man sonst zu dem Ergebnis käme, daß von den insgesamt angegebenen 72 Wochenstunden nur 23 Stunden auf die eigentliche Unterrichtstätigkeit, die immerhin den Hauptinhalt der beruflichen Tätigkeit eines Lehrers bilde, entfielen. Das würde bedeuten, daß die Beschwerdeführerin den überwiegenden Teil ihrer gesamten Tätigkeit zu Hause ausübe und sich somit ihre Einnahmen auf diese Tätigkeit beziehen. Eine solche Betrachtungsweise könne nicht richtig sein. Dazu komme, daß es nicht glaubhaft erscheine, daß die Beschwerdeführerin aus beruflichen Gründen ihre Freizeit fast ausschließlich in der "Arbeitswohnung", getrennt von ihrer Familie, verbringe. Zu diesem Schluß käme man aber auf Grund der zeitlichen Aufgliederung durch die Beschwerdeführerin.
Die belangte Behörde gehe jedoch davon aus, daß eine Unterrichtsstunde in einem Sprachgegenstand ca. eine Stunde an Vorbereitungszeit bzw. Korrekturtätigkeit erfordere, was im Beschwerdefall bedeute, daß bei 23 Unterrichtsstunden der Beschwerdeführerin pro Woche rund 23 Stunden an Vorbereitungszeit hinzukämen. Diese sich hiemit ergebende Stundenanzahl entspreche etwa jener Zeit, welche die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben in der Schule verbringe (die Beschwerdeführerin habe 43 Stunden angegeben). In eben diesem Umfang könnte der angeführte Zeitaufwand als mit der beruflichen Tätigkeit unmittelbar verbunden angesehen werden. Da die Beschwerdeführerin diese Zeit in der Schule verbringe, sei klargelegt, daß eine eigene "Arbeitswohnung" für die Ausübung des Berufes der Beschwerdeführerin nicht unbedingt notwendig sei. Die Anschaffung und Beibehaltung einer eigenen Wohnung möge dem Beruf der Beschwerdeführerin förderlich sein, jedoch könnten die geltend gemachten Aufwendungen infolge des Fehlens eines unmittelbaren kausalen Zusammenhanges mit den Einnahmen der Beschwerdeführerin nicht als Werbungskosten anerkannt werden.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es ist ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß ein dem Steuerpflichtigen zur Berufsausübung dienender Wohnraum - meist war von einem "Arbeitszimmer" die Rede - steuerlich (im Wege von Betriebsausgaben oder Werbungskosten) nur berücksichtigt werden kann, wenn er sich als für die Berufsausübung unbedingt notwendig erweist (siehe neben der im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1989, Zl. 88/14/0204, zitierten Vorjudikatur z.B. das Erkenntnis vom 29. Mai 1985, Zl. 84/13/0115, sowie Margreiter, Das Aufteilungs- und Abzugsverbot im Einkommensteuerrecht, ÖStZ 1984 Seite 7, und Müller, Zur Frage der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Arbeitszimmer, SWK 1989 A I Seite 240). Diese Rechtsprechung betraf überwiegend Arbeitszimmer, die in den Verband der dem Steuerpflichtigen als Haushalt dienenden Wohnung (Eigenheim) eingegliedert waren. Im Erkenntnis Zl. 88/14/0204 behandelte der Gerichtshof den Fall der betrieblichen Nutzung eines NICHT dem Wohnungsverband eingegliederten Arbeitszimmers. Die Aussagen, welche der Gerichtshof in diesem Erkenntnis für die Fälle der BETRIEBLICHEN Nutzung traf, gelten sinngemäß auch für eine berufliche Nutzung (z.B.) durch einen Steuerpflichtigen, der wie die Beschwerdeführerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt: Es kann nicht jede noch so geringfügige und an sich entbehrliche berufliche Nutzung eines Raumes zu Werbungskosten führen. Es ist vielmehr im Sinne der grundsätzlichen Erwägungen in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Arbeitszimmer vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß ein im Streitjahr noch nicht zu Wohnzwecken verwendeter Wohnraum auch künftiger Wohnungsvorsorge etwa für Angehörige oder in Form von Wohnungseigentum der Vermögensanlage dienen kann, zu fordern, daß - sollen Werbungskosten vorliegen - die berufliche Verwendung des Raumes ein Ausmaß erreicht, das das Vorhandensein eines beruflichen Arbeitszimmers unbedingt notwendig erscheinen läßt.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Beschwerdefall ergibt sich folgendes:
Die Beschwerdeführerin unterrichtet als Mittelschullehrerin unter anderem Deutsch und Englisch. Unterrichtsfächer dieser Art machen es regelmäßig notwendig, daß der Lehrer auch außerhalb der Schule Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten tätigt. Dies klingt bereits in dem auch von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 1969, Zl. 205/68, an.
Es erscheint durchaus glaubwürdig, daß die Beschwerdeführerin die außerhalb der Schule zu leistenden Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten nicht oder jedenfalls nicht in größerem Umfang in der ihrem Haushalt dienenden Wohnung durchführen kann. Darauf weisen nicht nur die unwidersprochenen Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Berufung hin. Vielmehr legte die belangte Behörde in der Berufungsentscheidung vom 7. Juli 1986, Zl. GA 5-1754/86, auf die sie im angefochtenen Bescheid Bezug nahm, selbst dar, daß die Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Familienstand (insgesamt sieben Personen, davon fünf Kinder) unter einer gewissen Raumnot leidet. Auf Seite 7 der Gegenschrift, welche die belangte Behörde im Verfahren zu Zl. 86/13/0122 erstattete und auf die sie in der nunmehr vorgelegten Gegenschrift hinwies, heißt es, daß sie (die belangte Behörde) bereits im Berufungsverfahren das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr stünde zu Hause wenig Platz zur Verfügung, für glaubhaft hielt. Wenn nun aber Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten außerhalb der Schule erbracht werden müssen, in der dem Haushalt dienenden Wohnung zumutbarerweise jedoch nicht durchgeführt werden können, so erscheint ein außerhalb der Wohnung gelegener Arbeitsraum an sich notwendig. Es darf allerdings im Sinne der bereits angeführten Rechtsprechung nicht bloß eine geringfügige und an sich entbehrliche berufliche Nutzung des Arbeitsraumes vorliegen.
Unter diesem Gesichtspunkt wäre die belangte Behörde im Recht, wenn ihre Annahme zuträfe, die 23 Unterrichtsstunden der Beschwerdeführerin pro Woche erforderten 23 Stunden Korrektur- und Vorbereitungszeit (Summe daher 46 Stunden), wovon aber die Beschwerdeführerin insgesamt 43 Stunden in der Schule verbringe, womit für die Arbeit außerhalb der Schule nur 3 Wochenstunden verblieben. Bei nur 3 Wochenstunden außerschulischer Arbeit wäre es der Beschwerdeführerin selbst bei beengten Raumverhältnissen noch zumutbar gewesen, diese in ihrer dem Haushalt dienenden Wohnung durchzuführen; bezüglich der Arbeitswohnung läge eine zu geringfügige und an sich entbehrliche berufliche Nutzung vor. Erst recht wäre der belangten Behörde beizupflichten, wenn man wie sie in durchschnittlicher (überschlägiger) Betrachtung unterstellt, die Beschwerdeführerin hätte die gesamte Vorbereitungs- und Korrekturzeit in der Schule verbracht.
Die Annahme, daß eine Unterrichtsstunde in einem Sprachgegenstand ca. eine Stunde an Vorbereitungs- bzw. Korrekturtätigkeit erfordert, wurde der Beschwerdeführerin jedoch im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht. Sie hatte daher erst in der Beschwerde Gelegenheit, im Wege der Verfahrensrüge unter anderem einzuwenden, die belangte Behörde sei von einem auf ihren Fall nicht zutreffenden Durchschnittsmaß ausgegangen und habe die detaillierte Darstellung ihrer Nebenleistungen übergangen.
Der Verfahrensmangel erscheint wesentlich. Sollte nämlich das fortgesetzte Verwaltungsverfahren ergeben, daß die Beschwerdeführerin für Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten einen wesentlichen Teil der Arbeitszeit außerhalb der Schule aufwenden muß, daheim aber die Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten auf Grund der beengten Raumverhältnisse nicht durchführen kann, so wäre nicht mehr von einer bloß geringfügigen und an sich entbehrlichen Nutzung des Arbeitsraumes (der Arbeitswohnung) auszugehen. Dies umsoweniger, als das Berufungsvorbringen über die Ausstattung der Arbeitswohnung eine private Nutzung nahezu ausschließt - Gegenteiliges hat die belangte Behörde nicht festgestellt - und die Anschaffungskosten von nur rund S 175.000,-- zumindest keine attraktive Vermögensanlage annehmen lassen.
Zusammenfassend ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfahrensrüge im Recht ist. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130102.X00Im RIS seit
14.03.1990