TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/14 88/13/0011

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Veröffentlicht am 14.03.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §119;
BAO §303 Abs4;
EStG 1972 §38 Abs4;
VwGG §49 Abs1;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1990, 286;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und Senatspräsident Dr. Iro sowie die Hofräte Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde des D, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. November 1987, GZ 6/3 - 3130/87, betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 1982 bis 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm über Umsatzsteuer 1982-1984 abgesprochen wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren als Bundesbeamter nichtselbständig tätig. In seinen Einkommensteuererklärungen wies er neben den Einkünften aus nichtselbständiger auch solche aus selbständiger Arbeit sowie sonstige Einkünfte aus. Bei den letztgenannten handelte es sich unbestrittenermaßen um Einnahmen, welche der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit am Bildungszentrum der Finanzverwaltung erzielte. Hinsichtlich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit wurde jeweils die Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972 begehrt. In den Umsatzsteuererklärungen wurden die aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einnahmen teilweise als steuerfrei behandelt (§ 6 Abs. 14 UStG), teilweise wurde die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 10 Abs. 2 UStG (die Ziffer wurde nicht angeführt) beantragt. Hinsichtlich der Art der Einnahmen aufgrund der selbständigen Arbeit verwies der Beschwerdeführer in den Jahren 1982 und 1984 jeweils auf die Vorjahre, 1983 wies er "Einnahmen (einschließlich Vorlesungen an der Universität)" aus. Die Veranlagungen hinsichtlich der Streitjahre erfolgten zunächst erklärungsgemäß. Die betreffenden Abgabenbescheide sind unbestrittenermaßen in Rechtskraft erwachsen.

Wie sich aus dem nicht in Streit stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge des Verwaltungsverfahrens sowie der in Fotokopie im Akt erliegenden Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers vom 7. Jänner 1975 ergibt, wurde damals die Frage der Einkünfte des Beschwerdeführers aus selbständiger Arbeit einer näheren Untersuchung zugeführt. In dem genannten Schriftsatz gab der Beschwerdeführer bekannt, daß die in Rede stehenden Einnahmen einerseits aufgrund seiner vortragenden, andererseits aufgrund seiner schriftstellerischen Tätigkeit erzielt würden. Ausdrücklich wies der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch darauf hin, daß von den Einnahmen aus der Vortragstätigkeit Aufwendungen für "Saalkosten" in Abzug zu bringen seien. Abschließend vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß auf seine gesamten Einkünfte aus selbständiger Arbeit, gleichgültig ob sie aus der vortragenden oder der schriftstellerischen Tätigkeit stammten, der ermäßigte Steuersatz des § 38 Abs. 4 EStG anzuwenden sei. Dieser Ansicht ist das Finanzamt in den folgenden Jahren, sowie zunächst auch in den Jahren 1982, 1983 und 1984 im Rahmen der Veranlagung gefolgt. In jedem dieser Jahre hat der Beschwerdeführer unter anderen Aufwendungen auch "Saalkosten" geltend gemacht.

1986 fand bei dem Beschwerdeführer eine die Jahre 1982 bis 1984 umfassende Betriebsprüfung statt. Im Zuge derselben stellte der Prüfer fest, daß der Beschwerdeführer eine Vortragstätigkeit an einer Handelsakademie, am Wirtschaftsförderungsinstitut und - nur 1982 - bei der Firma XY entfaltet habe. Er vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, daß die Einnahmen aus dieser Vortragstätigkeit mit dem Normalsteuersatz der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien und auf die daraus resultierenden Einkünfte der begünstigte Steuersatz gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972 nicht angewendet werden dürfe.

Das Finanzamt nahm hierauf die Veranlagungsverfahren hinsichtlich der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer 1982 bis 1984 wieder auf und erließ unter Zugrundelegung der vom Betriebsprüfer vertretenen Auffassung hinsichtlich der genannten Abgaben neue Sachbescheide.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Berufung, in welcher er primär die Auffassung vertrat, daß hinsichtlich der rechtskräftig veranlagten Streitjahre kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund gegeben sei. Er verwies in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, daß er schon zu Beginn seiner Tätigkeit deren Vielgestaltigkeit in der Steuererklärung durch die Bezeichnung "Schriftsteller, Herstellung von Skripten und damit verbundene Vorträge" aufgezeigt habe. Eine Aufgliederung in ziffernmäßiger Hinsicht habe er nie vorgenommen, weil er die Ansicht vertreten habe, alle diese Tätigkeiten seien steuerlich gleich zu behandeln. Das Finanzamt habe sich dieser Auffassung auch angeschlossen. In den Folgejahren habe er durch den Hinweis "Einnahmen wie Vorjahr" stets eindeutig klargelegt, daß sich an den diesbezüglichen tatsächlichen Verhältnissen nichts geändert habe. Dem Finanzamt sei die "Mehrgestaltigkeit" seiner selbständigen Tätigkeit daher stets vor Augen gehalten worden.

Spätestens seit 1975 (Vorhaltsbeantwortung vom 7. Jänner 1975) hätte die Finanzverwaltung volle Aufklärung über Art und Umfang der betreffenden Tätigkeit des Beschwerdeführers gehabt und "die Tatsache" seiner Vortragstätigkeit völlig bewußt als begünstigungsfähig angesehen. Das Finanzamt sei daher darüber informiert gewesen, daß der Beschwerdeführer als Vortragender tätig sei.

Hinsichtlich der in den wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Abgabenbescheide bekämpfte der Beschwerdeführer die vom Finanzamt auf der Basis der Ansicht des Betriebsprüfers vertretene Vorgangsweise.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid dem Rechtsmittel des Beschwerdeführers teilweise Folge. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt:

Was zunächst die Frage der Wiederaufnahme der Verfahren anlange, sei davon auszugehen, daß die Abgabenverwaltung zwar verpflichtet sei, von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich seien, ihre Tätigkeit sei aber weitgehend davon abhängig, daß der Abgabepflichtige seiner Verpflichtung zur Offenlegung vollständig und wahrheitsgemäß nachkomme.

Aus den Steuererklärungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Streitjahre sei bezüglich seiner Vortragstätigkeit lediglich die an der Universität Wien ersichtlich gewesen. Daß er auch am Wirtschaftsförderungsinstitut, an der Handelsakademie und bei der Firma XY Vorträge gehalten habe, sei nicht erkennbar gewesen.

Das Finanzamt sei demnach über die Vortragstätigkeit des Beschwerdeführers "keineswegs voll informiert" gewesen.

Auch aus dem Schriftsatz vom 7. Jänner 1975, auf welchen der Beschwerdeführer hinweise, könne für ihn nichts gewonnen werden, weil in diesem Schreiben "lediglich die Aufteilung der Betriebsausgaben auf die Einkünfte als Schriftsteller und Vortragender vorgenommen wird". Die Art der Vortragstätigkeit sei jedoch daraus nicht abzuleiten.

Da somit der gesamte Umfang sowie die Art der Vortragstätigkeit des Beschwerdeführers erst im Zuge der Betriebsprüfung habe festgestellt werden können, sei davon auszugehen, daß derselbe seiner Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei.

Dazu komme noch, daß der Beschwerdeführer seiner Aufzeichnungspflicht gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 UStG nicht entsprochen hätte, weil aus den betreffenden Aufzeichnungen nicht zu ersehen gewesen sei, wie sich die Entgelte auf die Steuersätze verteilt hätten und welche Einnahmen auf steuerfreie Umsätze entfallen seien.

Im Hinblick auf diese Umstände erscheine die in Rede stehende Wiederaufnahme des Verfahrens gerechtfertigt.

In der Sache selbst teilt die belangte Behörde im wesentlichen die schon von der Abgabenbehörde erster Instanz vertretene Auffassung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. WIEDERAUFNAHME DES VERFAHRENS:

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst die Berechtigung der belangten Behörde zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Er begründet dies damit, daß dem Finanzamt bereits seit vielen Jahren bzw. von Anfang an, spätestens aber seit der Vorhaltsbeantwortung im Jänner 1975 die Vortragstätigkeit des Beschwerdeführers bekanntgewesen sei. Das Finanzamt habe die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers geteilt, daß die Vortragstätigkeit mit der schriftstellerischen Tätigkeit rechtlich gleichzustellen sei, sodaß keine Veranlassung bestanden habe, eine entsprechende Aufgliederung der Einnahmen aus beiden Tätigkeiten vorzunehmen. Umstände, die vom Finanzamt, "falls sie ihm bekannt gewesen wären, ... für unbeachtlich befunden wären", ergäben jedoch keinen Wiederaufnahmsgrund.

Der Gerichtshof vermag diese Rechtsansicht nicht zu teilen. Voraussetzung für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO ist unter anderem das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Aus welchen Gründen die Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde bisher unbekannt geblieben sind, ist für das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes unerheblich. Insbesondere ist es auch unerheblich, ob die neuen Tatsachen oder Beweismittel aus Verschulden der Abgabenbehörde erst nach Abschluß des Verfahrens hervorgekommen sind. Solche Gründe könnten nur im Rahmen der Ermessensübung von Bedeutung sein, und zwar bei Entscheidung der Frage, ob das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes von der Abgabenbehörde auch tatsächlich zum Anlaß einer amtswegigen Wiederaufnahme des Verfahrens genommen werden soll. Es kann daher durchaus der Fall sein, daß die Abgabenbehörde einen abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt nicht oder nur unvollständig ermittelt, weil sie ihn zu Unrecht für ausreichend geklärt hält. Dennoch kann das spätere Hervorkommen neuer entscheidungsrelevanter Tatsachen und Beweismittel einen Wiederaufnahmsgrund darstellen. Entscheidend ist nämlich nicht, ob sich die Abgabenbehörde der Relevanz bisher unbekannter Sachverhaltselemente im vollen Ausmaß bewußt war, sondern daß sie bei richtiger rechtlicher Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes zu einem anderen Bescheid gelangt wäre.

Im Beschwerdefall waren Ausmaß und Art der Vortragstätigkeit des Beschwerdeführers bei richtiger rechtlicher Beurteilung sowohl für die Einkommensteuerfestsetzung als auch für die Umsatzsteuerfestsetzung von Bedeutung. Das Finanzamt hätte daher für jedes Jahr entsprechende Erhebungen durchführen müssen. Andererseits war aber auch der Beschwerdeführer gemäß § 119 BAO zur Offenlegung aller für den Bestand und Umfang der Abgabenpflicht sowie für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände verhalten. Mit dem jährlich wiederholten Hinweis "Einnahmen wie Vorjahre" wurde dieser Offenlegungspflicht deswegen nicht entsprochen, weil die richtige abgabenrechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes durch die Abgabenbehörde die Kenntnis sämtlicher entscheidungsrelevanten Tatsachen voraussetzt. Die der Abgabenbehörde obliegende rechtliche Würdigung eines Sachverhaltes kann nicht vom Abgabepflichtigen dergestalt vorweggenommen werden, daß er Sachverhaltselemente verschweigt, weil er sie unter Zugrundelegung SEINER Rechtsansicht für unmaßgeblich hält. Ob eine Vortragstätigkeit mit einer schriftstellerischen Tätigkeit in so engem Zusammenhang steht, daß sie als Teil der schriftstellerischen Tätigkeit zu werten ist, kann nur bei genauer Kenntnis der Art beider Tätigkeiten beurteilt werden. Eine solche Beurteilung ist regelmäßig nur von Fall zu Fall möglich und kann schon aus diesem Grund nicht im voraus für ein künftiges Tätigwerden erfolgen. Selbst wenn der Beschwerdeführer im Jahr 1975 Art und Ausmaß seiner Tätigkeit als Schriftsteller und Vortragender vollständig offengelegt hätte, so konnte es keineswegs genügen, in den Folgejahren beide Tätigkeiten nur mit dem Hinweis "Einnahmen wie Vorjahre" zu spezifizieren, da nicht angenommen werden kann, daß der Inhalt beider Tätigkeiten durch Jahre hindurch völlig unverändert geblieben ist. Im übrigen sind die Erklärungen des Beschwerdeführers diesbezüglich sogar widersprechend. Hat er doch für das Jahr 1982 S 439.372,-- als umsatzsteuerfreie Einnahmen und S 232.617,-- als umsatzsteuerpflichtige Einnahmen aus selbständiger Arbeit ausgewiesen, während die entsprechenden Beträge für das Jahr 1983 mit S 495.172,-- und S 147.397,-- und für das Jahr 1984 mit S 518.948,-- und S 173.819,-- erklärt wurden. Schon dies zeigt, daß der Beschwerdeführer selbst nicht seine gesamte Vortragstätigkeit als Teil der umsatzsteuerfreien schriftstellerischen Tätigkeit gewertet, sondern für jedes Jahr eine betrags- und relationsmäßig unterschiedliche Zuordnung bloß eines Teiles seiner Vortragstätigkeit zur schriftstellerischen Tätigkeit vorgenommen hat. Von einem einmal offengelegten und danach unverändert gebliebenen Sachverhalt kann daher keine Rede sein.

Auch das weitere Argument des Beschwerdeführers, jeder, der "einigermaßen in Steuersachen verfangen ist", wisse um seine Vortragsreihen, geht ins Leere. Selbst wenn man dem Beschwerdeführer einen gewissen Bekanntheitsgrad als Fachvortragender zuerkennt, so besagt dies noch nichts darüber, ob die einzelnen von ihm gehaltenen Vorträge mit seinen schriftstellerischen Publikationen in derart engem Zusammenhang stehen, daß sie als einheitliche Tätigkeit zu beurteilen wären. Die Kenntnis der Vortragstätigkeit allein reichte für eine richtige rechtliche Beurteilung nicht aus, denn ein Schriftsteller kann sowohl Vorträge halten, die inhaltlich im engen Zusammenhang mit seiner schriftstellerischen Tätigkeit stehen, als auch solche, die keinen derartigen Zusammenhang aufweisen.

Wenn der Beschwerdeführer meint, es widerspreche den Denkgesetzen, daß ein Beamter "jahrzehntelang stets und immer schlampig, faul und nachlässig gewesen wäre," und damit zum Ausdruck bringen will, das Finanzamt habe deswegen keine weiteren Erhebungen durchgeführt, weil es die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers betreffend die Zuordnung seiner Vortragstätigkeit zur schriftstellerischen Tätigkeit offensichtlich vollinhaltlich geteilt habe, so ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel auch dann einen Wiederaufnahmsgrund darstellen können, wenn die dadurch zu Tage getretenen Sachverhalts-Elemente im abgeschlossenen Verfahren von der Abgabenbehörde zu Unrecht nicht ermittelt worden sind.

Gleiche Überlegungen gelten für die Wiederaufnahme der Einkommensteuerveranlagungsverfahren. Auch hier kann nur bei genauer Kenntnis von Art und Inhalt der Vortragstätigkeit des Beschwerdeführers beurteilt werden, ob daraus Einkünfte aus der Verwertung selbstgeschaffener Urheberrechte im Sinne des § 38 Abs. 4 EStG erzielt wurden. Wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, kommt es dabei nicht darauf an, ob in einem Vortrag (auch) selbstgeschaffene Urheberrechte verwertet werden, sondern ob der Vortragende sein Honorar als Entgelt für ein selbstgeschaffenes urheberrechtlich geschütztes Werk erhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1984, Zl. 81/13/0171, 0185 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Diese Voraussetzung trifft auf eine lehrgangsartige unterrichtende Tätigkeit, wie sie z.B. an einer Handelsakademie entfaltet wird, regelmäßig nicht zu. Ebenso hat der Gerichtshof bei Einkünften aus einer kursartigen Vortragstätigkeit am Wirtschaftsförderungsinstitut bereits wiederholt die Anwendbarkeit des § 38 Abs. 4 EStG verneint (vgl. die Erkenntnisse vom 23. März 1981, Zl. 17/0333/79, vom 28. November 1984, Zl. 83/13/0173 und vom 10. Dezember 1986, Zl. 84/13/0248).

Da der Abgabenbehörde erst im Zuge der Betriebsprüfung bekannt geworden ist, daß der Beschwerdeführer neben seinen "Einzelvorträgen" auch Einkünfte aus lehrgangsartigen Vortragsveranstaltungen erzielt hat, lag auch auf einkommensteuerlichem Gebiet ein Wiederaufnahmsgrund vor.

Ob die Abgabenbehörde einen Wiederaufnahmsgrund zum Anlaß nimmt, um ein Verfahren von amtswegen gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufzunehmen, ist eine Ermessensentscheidung (vgl. das h. g. Kenntnis vom 17. Februar 1988, Zl. 87/13/0039). Daß die belangte Behörde dieses Ermessen im Beschwerdefall überschritten oder mißbraucht hätte, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der Gerichtshof hat hiefür keinen Anhaltspunkt gefunden. Die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1984 erfolgte daher zu Recht.

2. UMSATZSTEUER:

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide vorgebracht, daß er seine Vortragstätigkeit ausschließlich im Rahmen seiner schriftstellerischen Tätigkeit entfaltet habe. Er hat dies unter detaillierter Bekanntgabe des Inhaltes seiner Vortragstätigkeit nachzuweisen versucht.

Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht im erforderlichen Ausmaß auseinandergesetzt. Sie hat lediglich ohne jede Differenzierung der unterschiedlich entfalteten Vortragstätigkeit die Behauptung aufgestellt, daß es nicht die Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen sei, "eine Vortragstätigkeit zu entwickeln, die sich vollkommen, d.h. ausschließlich, im Rahmen seines bereits in Schriftform vor die Öffentlichkeit getragenen Gedankengutes bewegte".

Ebensowenig überzeugen die Ausführungen der belangten Behörde zum Eventualvorbringen des Beschwerdeführers betreffend den wissenschaftlichen Gehalt seiner Vortragstätigkeit. Wenn es auch zutrifft, daß die Feststellung des Beschwerdeführers "Ich bin schließlich und endlich Wissenschaftler und es ist selbstverständlich, daß ALLE meine Ausführungen wissenschaftlichen Gehalt haben" wenig stichhaltig erscheint, weil auch ein Wissenschafter Vorträge halten kann, die den Bereich des Wissenschaftlichen verlassen, so darf doch nicht übersehen werden, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausführlich dargelegt hat, welche Themen von ihm behandelt wurden, in welcher Weise er auf wissenschaftlichem Gebiet tätig geworden ist und welche Gründe dafür sprechen, daß auch sein Zuhörerkreis als wissenschaftlich interessiert anzusehen gewesen sei. Die belangte Behörde, die die Qualifikation des Beschwerdeführers als Wissenschafter ausdrücklich unbestritten läßt, hat dem lediglich entgegengehalten, daß die Vorträge des Beschwerdeführers allgemein zugänglich seien und daß es sich bei den Teilnehmern überwiegend um "Berufsanwärter der Wirtschaftstreuhänder" aber auch um Rechtsanwälte und Bankbeamte gehandelt habe, "die steuerliches Grundwissen erwerben wollen".

Diese Argumentation bietet keinen schlüssigen Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer keine wissenschaftliche Tätigkeit entfaltet hat. Bei Wirtschaftstreuhänder-Berufsanwärtern, Rechtsanwälten und Bankbeamten handelt es sich zumindest weitaus überwiegend um Hochschulabsolventen, denen ein wissenschaftliches Interesse an steuerrechtlichen Fragen nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Soweit die Vorträge vor einem geschlossenen Teilnehmerkreis stattgefunden haben, spricht dies, entgegen der Auffassung der belangten Behörde, für sich allein noch nicht gegen ihren wissenschaftlichen Gehalt. Dies gilt insbesonders für den Einzelvortrag bei der Firma XY, der sich mit Fragen des zwischenstaatlichen Steuerrechtes befaßt hat. In der Beschwerde wird hiezu ausgeführt:

"Der wissenschaftliche Gehalt der Ausführungen war - ohne daß ich mich besonders herausstreichen möchte - so hoch, daß möglicherweise viele Praktiker mir nicht weiter hätten folgen können, als daß ich zweifelsfrei die deutsche Sprache benützt habe".

Auch wenn der Gerichtshof nicht finden kann, der Umstand, daß ein Vortragspublikum dem Vortragenden fachlich nicht zu folgen vermag, spreche für den wissenschaftlichen Gehalt der Vortragsleistung, so bleibt der angefochtene Bescheid doch jede schlüssige Begründung dafür schuldig, daß der Vortrag eines anerkannten Fachmannes auf dem Gebiet des zwischenstaatlichen Steuerrechtes kein wissenschaftliches Niveau erreicht habe oder vor einem wissenschaftlich uninteressierten Publikum gehalten worden sei.

Die aufgezeigten Begründungsmängel belasten den angefochtenen Bescheid, soweit damit über Umsatzsteuer für die Jahre 1982 bis 1984 abgesprochen wurde, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

3. EINKOMMENSTEUER:

Zur Frage, ob die Einkünfte des Beschwerdeführers aus seiner Vortragstätigkeit solche aus der Verwertung von selbstgeschaffenen Urheberrechten im Sinne des § 38 Abs. 4 EStG darstellen, enthält die Beschwerde lediglich folgende Aussage:

"Daß man gerade mich dazu heranzieht, gerade

meine Vorträge besucht, hat zweifelsfrei darin seinen Grund, daß man bei mir nicht nur das kleine Einmaleins des Steuerrechts vorgesetzt bekommt, sondern besondere urheberrechtliche Leistungen erwartet und auch geboten bekommt".

Damit wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan. Wie bereits gesagt, wird bei lehrgangsartigen Vortragsreihen regelmäßig kein Entgelt dafür bezahlt, daß der Vortragende selbstgeschaffene Urheberrechte verwertet. Vielmehr steht im Vordergrund der Honorierung eine unterrichtende Tätigkeit. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, Umstände vorzubringen, die eine gegenteilige Beurteilung gerechtfertigt hätten. Mit der bloßen Behauptung, die Auswahl der Person des Beschwerdeführers spreche für sich allein bereits dafür, daß mit dem Entgelt eine urheberrechtlich geschützte Leistung honoriert werden sollte, hat der Beschwerdeführer keine solchen Umstände aufgezeigt. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, als sie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1982 bis 1984 betrifft.

Aus den unter Punkt 2 dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG insoweit aufzuheben, als er die Umsatzsteuervorschreibungen für die Jahre 1982 bis 1984 betraf. Im übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Schriftsatzaufwand Portokosten nicht zuzusprechen sind.

Schlagworte

Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des Pauschbetrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1988130011.X00

Im RIS seit

14.03.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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