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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §184;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte
Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin
Mag. Wimmer, über die Beschwerde des S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat VI, vom 20. März 1989, Zl. 6/3 - 3278/88-05, betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1981 bis 1983, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt ein Taxiunternehmen. Sein Betriebsergebnis ermittelte er durch Einnahmenüberschußrechnung.
Eine im Unternehmen des Beschwerdeführers durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung (BP) betreffend die Jahre 1981 bis 1983 stellte verschiedene Aufzeichnungsmängel fest, die zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen führten. Diese Schätzung betraf unter anderem die Betriebseinnahmen und den Privatanteil an den Kraftfahrzeugkosten (bzw. den Eigenverbrauch). Bei den Betriebseinnahmen schätzte die BP unter der Annahme, daß täglich Einnahmen von mindestens S 1.200,-- erzielt worden wären, jährlich einen Betrag von S 70.000,-- zu. Den Privatanteil an den Kraftfahrzeugkosten setzte die BP mit S 10.000,-- jährlich an.
Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Abgabenbescheide, gegen die der Beschwerdeführer Berufung erhob. Diese Berufung wies die belangte Behörde mit der Berufungsentscheidung vom 14. April 1986, Zl. 6/3 - 3091/86, als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof hob jedoch diese Berufungsentscheidung mit seinem Erkenntnis vom 25. Mai 1988, Zl. 86/13/0083, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Der Gerichtshof bejahte zwar die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde, sah jedoch den Ansatz von S 1.200,-- für die Tageslosung und den Ansatz für den Privatanteil an den Kraftfahrzeugkosten von S 10.000,-- jährlich nicht als ausreichend begründet an. Näheres zum Sachverhalt ist dem Vorerkenntnis zu entnehmen.
Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren veranlaßte die belangte Behörde die BP, die fraglichen Ansätze näher zu begründen. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, zu dieser Begründung Stellung zu nehmen und weiteres Vorbringen zu erstatten.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers abermals keine Folge. Sie legte im wesentlichen dar, daß er seinen Einwand gegen die Einnahmenzuschätzung, er hätte in den Streitjahren aus gesundheitlichen Gründen täglich nur fünf Stunden mit dem Taxi fahren können (und nicht die von der BP angenommenen sieben Stunden), nicht glaubhaft habe machen können; sein Vorbringen hiezu sei widersprüchlich und durch die Beweismittel nicht gedeckt. Aufzeichnungen, welche der Beschwerdeführer nach Abschluß der BP nicht zurückerhalten haben will, wären ihm sehr wohl ausgefolgt worden. Unterlagen für einen äußeren Betriebsvergleich erhärteten die Schätzung der BP. Der Ansatz für die Privatnutzung des Taxis entspreche der Lebenserfahrung.
Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer zieht die Schätzungsberechtigung der Abgabenbehörde nicht mehr in Zweifel. Er hält jedoch das Schätzungsergebnis für unzutreffend. Gegen das Schätzungsergebnis wendet er zunächst ein, daß die Frage der PRIVATNUTZUNG seines Taxis nicht ausreichend geklärt worden sei. Mit diesem Einwand ist der Beschwerdeführer im Recht.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt im Vorerkenntnis die Angabe des Beschwerdeführers, keine einzige Privatfahrt durchgeführt zu haben, für wirklichkeitsfremd. Er warf der belangten Behörde aber auch vor, sie hätte nicht begründet, auf Grund welcher Werte der Privatanteil ermittelt worden sei. Die Aussage der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, "diesbezüglich hat ja der Verwaltungsgerichtshof selbst festgehalten, daß der von der BP vorgenommene Ansatz an Privatfahrten zu bejahen ist", trifft daher nicht zu.
Auf Grund des Vorerkenntnisses war die Höhe des Ansatzes für die Privatnutzung von jährlich S 10.000,-- zu begründen. Den Versuch einer solchen Begründung unternahm der Betriebsprüfer im fortgesetzten Verwaltungsverfahren in der Stellungnahme AZ 11/3 ff. Unter AZ 11/5 zeigte er auf, daß der Ansatz von je S 10.000,-- in den Jahren 1981 bis 1983 nur einem Privatanteil von 8,6 %, 6,8 % und 7,1 % an den Kraftfahrzeugkosten und jährlich nur 3.180, 3.099, und 3.072 gefahrenen Kilometern entspricht. Für die belangte Behörde ist daraus aber deshalb nichts zu gewinnen, weil der Prüfer den Privatanteil von S 10.000,-- jährlich unter der Annahme festlegte, daß im Prüfungszeitraum kein anderes Kraftfahrzeug für private Fahrten zur Verfügung gestanden sei (BP-Stellungnahme vom 21. Jänner 1986, AZ 7/3). Auch das Vorerkenntnis beruht auf dieser Annahme (Seite 6 Abs. 1 Ende).
Im fortgesetzten Verwaltungsverfahren brachte der Beschwerdeführer jedoch vor, daß er für Privatfahrten den Pkw seines Stiefvaters verwenden habe können und gelegentlich auch verwendet habe und daß er weiters mit seinem "Moped" Privatfahrten durchgeführt habe. Er machte hiefür Friedrich W als Zeugen namhaft und legte Zahlungsabschnitte betreffend die Haftpflichtversicherungsprämie für das Moped vor (AZ 18/3).
Auf das Vorbringen, dem Beschwerdeführer wäre für Privatfahrten ein "Moped" zur Verfügung gestanden, ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht ein. Hinsichtlich des Pkw des Stiefvaters (im angefochtenen Bescheid fälschlich als Schwiegervater bezeichnet) heißt es im angefochtenen Bescheid, es sei völlig lebensfremd und unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer, ein eigenes Auto besitzend, für Privatfahrten sich den Wagen seines Stiefvaters ausgeborgt haben sollte; vor allem sei aber damit dem der Lebenserfahrung entsprechenden Ansatz der privat gefahrenen Kilometer in seiner Höhe nicht widersprochen worden. Die Einvernahme des Zeugen Friedrich W erschien der belangten Behörde entbehrlich, weil schon dem Verwaltungsgerichtshof das gänzliche Nichtvorliegen von Privatfahrten unglaubwürdig erschienen sei.
Zu diesen Ausführungen der belangten Behörde ist folgendes zu bemerken:
Beim Taxi des Beschwerdeführers handelt es sich jeweils um ein amerikanisches Auto mit aktenkundig hohem Treibstoffverbrauch. Es ist ohne nähere Sachverhaltsfeststellungen durch die belangte Behörde nicht von vornherein als völlig lebensfremd und unglaubwürdig zu bezeichnen, wenn sich der Beschwerdeführer für Privatfahrten eines anderen Kraftfahrzeuges (mit möglicherweise geringerem Treibstoffverbrauch) bediente. Zog der Beschwerdeführer für Privatfahrten andere Kraftfahrzeuge als sein Taxi heran, so kann zwar bei lebensnaher Betrachtung noch immer nicht unterstellt werden, daß der Beschwerdeführer, der im übrigen auf seiner Einnahmenüberschußrechnung für das Jahr 1982 (AZ 2/7) selbst eine wenn auch nur geringfügige private Verwendung vermerkt hatte, mit seinem Taxi überhaupt keine Privatfahrten unternahm. Das AUSMAß von Privatfahrten entsprechend einem Betrag von S 10.000,-- jährlich erscheint damit aber in Frage gestellt, noch dazu dann, wenn dieser Betrag auf der Annahme beruht, dem Beschwerdeführer wäre neben dem Taxi für Privatfahrten KEIN anderes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestanden. Die belangte Behörde durfte damit auch die Zeugenaussage des Friedrich W nicht von vornherein als unbeachtlich abtun. Der Beschwerdeführer vermochte somit in der Frage der Privatnutzung des Taxis einen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
Zur Gegenschrift sei in diesem Zusammenhang noch erwähnt, daß der Umfang der Privatnutzung des Taxis bzw. des Kraftfahrzeuges des Stiefvaters und des Mopeds nicht deshalb keiner Aufklärung bedarf, weil der Beschwerdeführer von "gelegentlicher" Verwendung der beiden letztgenannten Kraftfahrzeuge spricht. Vor allem wäre auch klarzustellen gewesen, was der Beschwerdeführer unter der "gelegentlichen" Verwendung meint. Ohne diese Klarstellung ist nicht auszuschließen, daß die "gelegentliche" private Verwendung nichts anderes als die Verwendung bei privater Gelegenheit (im Sinne von Privatfahrten) zum Ausdruck bringen soll.
In der Frage der ZUSCHÄTZUNG von jährlich S 70.000,-- zu den Fuhrerlösen wendet der Beschwerdeführer wie schon im Verwaltungsverfahren ein, sein Gesundheitszustand hätte es ihm in den Streitjahren lediglich erlaubt, täglich bis zu fünf Stunden mit dem Taxi zu fahren. Die BP hatte demgegenüber ihre Zuschätzung unter anderem mit Berechnungen untermauert, die auf einer 7stündigen täglichen Arbeitszeit aufbauen (AZ 11/3 umseits).
Die belangte Behörde sieht eine lediglich 5stündige tägliche Arbeitszeit zu Recht nicht als erwiesen an. Zunächst fällt schon auf, daß der BP-Bericht vom 16. Juli 1985 in Tz 11 (AZ 4/6 umseits) für verschiedene Tage in den Jahren 1981 bis 1983 durchschnittliche Fahrzeiten zwischen 7 bis 8 3/4 Stunden (laut Kalender des Beschwerdeführers) erwähnt. Diese Fahrzeitangaben blieben unwidersprochen. In der Stellungnahme der BP vom 21. Jänner 1986, AZ 7/1 umseits, ist vermerkt, daß der Beschwerdeführer am 13. Dezember 1983 7 1/2 Stunden unterwegs gewesen sei. In der Gegenäußerung vom 3. Februar 1986, AZ 8/1, wandte der Beschwerdeführer nicht etwa ein, nur 5 Stunden gefahren zu sein, sondern er gab seine Fahrzeit (im Hinblick auf die Mittagspause) mit 6 1/2 Stunden an. Weiters wies die BP in der Stellungnahme vom 21. Jänner 1986 für bestimmt bezeichnete Tage der Jahre 1981 bis 1983 nur für einen Tag eine Fahrzeit von 5 Stunden, im übrigen aber Fahrzeiten von 6 BIS 9 STUNDEN aus (AZ 7/3 umseits). Auch diese Zeitangaben blieben unwidersprochen. Die Stellungnahme der BP AZ 11/3 (umseits) führt ebenfalls für verschiedene Tage der Jahre 1981 bis 1983 die Fahrzeiten an, wobei diese mit einer Ausnahme 7 und mehr Stunden (bis zu 11 1/2 Stunden) betragen. Wieder blieben diese konkreten Zeitangaben ohne konkrete Einrede. Erst als die belangte Behörde dem Beschwerdeführer am 16. August 1988 die Möglichkeit eröffnet hatte, von der von der BP angesetzten Arbeitszeit abzuweichen (AZ 13/1), brachte der Beschwerdeführer am 22. September 1988 (AZ 18/1) vor, er hätte in den Streitjahren aus gesundheitlichen Gründen "MAXIMAL 5 Stunden täglich" arbeiten können. In der Eingabe an die belangte Behörde vom 6. Oktober 1988, AZ 21/1, ist davon die Rede, daß der Beschwerdeführer infolge seiner schmerzhaften Erkrankung der Bandscheiben und des Gelenksapparates "KEINESFALLS in der Lage war, länger als 5 Stunden täglich Taxi zu fahren und ich auch nicht mehr als täglich 5 Stunden gefahren bin". In der Eingabe an die belangte Behörde vom 21. Dezember 1988, AZ 33/1, heißt es, der Beschwerdeführer sei im Prüfungszeitraum (1981 bis 1983) froh gewesen, "wenn ich MAXIMAL 5 Stunden täglich arbeiten konnte". Unerfindlich bleibt bei diesem Vorbringen über eine MAXIMAL 5stündige Arbeitszeit, wieso die BP für die Streitjahre auf Grund der Aufzeichnungen des Beschwerdeführers unwidersprochen weit längere, bis über 11 Stunden hinausreichende tägliche Arbeitszeiten festhalten konnte. Selbst wenn man die gesundheitlichen Beschwerden für die Streitjahre als gegeben ansieht, erscheint bei der eben aufgezeigten Sachlage eher glaubhaft, daß der Beschwerdeführer seine Schmerzen "ganz einfach zu ignorieren" versuchte, wie er dies selbst in der Eingabe vom 6. Oktober 1988, AZ 21/1, ausführte, und zwar solange zu ignorieren versuchte, bis er "sich in die ständige Behandlung der beiden genannten Ärzte begeben mußte" (Eingabe vom 6. Oktober 1988). Diese Behandlung setzte nach den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigungen aber erst nach den Streitjahren, nämlich erst 1984, ein (AZ 21/3, 21/4, siehe auch AZ 24/1, 25/1, 30/1 und 31/1), abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer die beiden Ärzte nur jeweils zwei Mal (in der Zeit zwischen 1984 und 1988 - AZ 30/1 und 31/1) aufsuchte und von einer "ständigen Behandlung der beiden Ärzte" daher keine Rede sein kann.
Dazu kommt, daß aus den schriftlichen Angaben der beiden VOM BESCHWERDEFÜHRER namhaft gemachten sachkundigen Zeugen übereinstimmend hervorgeht, daß die von ihm behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ("Arbeitsbehinderung") bezogen auf die Streitjahre 1981 bis 1983 rückblickend NICHT bestätigt werden könnten (AZ 30/1 und 31/1). Im Hinblick auf diese übereinstimmenden und durchaus schlüssigen Angaben der vom Beschwerdeführer selbst namhaft gemachten Zeugen, von denen einer immerhin Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ist, war die belangte Behörde nicht verhalten, zusätzlich zu diesen Beweismitteln auch noch ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen.
Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage nach dem Verbleib eines Teiles seiner Belege ("Tagebücher und Kalender") vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht als streitentscheidend zu erkennen. Kann sich doch die vom Beschwerdeführer bekämpfte Annahme eines 7stündigen Arbeitstages auf konkrete Zeitangaben stützen, die aus seinen Unterlagen gewonnen wurden und denen der Beschwerdeführer nicht Konkretes entgegengesetzt hat.
Die Einreden des Beschwerdeführers gegen einen äußeren Betriebsvergleich schließlich erweisen sich deshalb nicht als stichhältig, weil dieser Betriebsvergleich lediglich aufzeigen will, daß das Schätzungsergebnis der BP AUCH den Branchenverhältnissen entspricht. Die unmittelbare Rechtfertigung für das Schätzungsergebnis gewann die BP jedoch aus den Unterlagen des geprüften Betriebes selbst (BP-Stellungnahme AZ 11/3 ff).
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der belangten Behörde in der Frage der Privatnutzung des Taxis der bereits aufgezeigte Verfahrensmangel unterlief, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Für den nur in einfacher Ausfertigung vorzulegenden angefochtenen Bescheid (§ 28 Abs. 5 VwGG) war gemäß § 14 TP 5 GebG lediglich eine Beilagengebühr von S 180,-- zu entrichten.
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und BeilagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130096.X00Im RIS seit
07.05.2001