Index
L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 16. August 1989, Zl. Ia 909-11/89, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, vorsätzlich Gelegenheit zur Ausübung der gewerblichen Unzucht gewährt zu haben, indem sie der "Milieuperson" A das Wohnobjekt X, Y, vermietet habe, wodurch es der Prostituierten B am 16. Jänner 1989 um 2.40 Uhr möglich gewesen sei, in einem Zimmer dieses Hauses einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchzuführen. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. d und § 4 Abs. 2 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (SPG), begangen. Über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 18 Abs. 3 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von fünf Tagen) verhängt.
In der Begründung dieses Bescheides wies die belangte Behörde darauf hin, die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe gegen die Beschwerdeführerin am 1. Juli 1986 eine Strafverfügung erlassen, weil sie ein Zimmer im Haus Y in X einer Prostituierten überlassen habe, wodurch es dieser am 23. April 1986 um 15.40 Uhr möglich gewesen sei, in einem Zimmer gegen Bezahlung einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Im Jahr 1988 habe die Beschwerdeführerin mit der "Milieuperson" A einen Mietvertrag für das genannte Objekt zunächst für die Zeit vom 1. August 1988 bis 31. Jänner 1989 abgeschlossen und diesen Vertrag am 19. Dezember 1988 für die Dauer eines halben Jahres verlängert. Punkt 2 Abs. 2 des Vertrages enthalte die Bestimmung, daß der Mietvertrag vorzeitig aufgehoben werden könne, wenn gegen das Prostitutionsverbot verstoßen werde.
Am 3. Jänner 1989 gegen 0.10 Uhr habe die Prostituierte D im gegenständlichen Wohnobjekt einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchgeführt. Gegen die Beschwerdeführerin, als Eigentümerin des Wohnobjektes, sei ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden.
Zum Vorfall vom 16. Jänner 1989 wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt, daß B Untermieterin von A sei. Beim Wohnobjekt handle es sich um ein Zweifamilienhaus, das schon seit Jahren als Dirnenabsteige bekannt sei. Die Beschwerdeführerin habe seit Kenntnis des letztgenannten Vorfalles keine geeigneten Maßnahmen eingeleitet, um das Mietverhältnis mit der "Milieuperson" A vor dem im Mietvertrag vorgesehenen Zeitpunkt (31. Juli 1989) zu beenden. Der Beschwerdeführerin sei spätestens seit der Zustellung der erwähnten Strafverfügung aus dem Jahr 1986 bekannt gewesen, daß im Wohnobjekt Y X die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt werde. Seit diesem Zeitpunkt hätte sie alles in ihrer Macht Stehende unternehmen müssen, um die nochmalige Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in ihrem Haus zu verhindern. Sie wäre daher auch verpflichtet gewesen, über ihre Mieter entsprechende Erkundigungen einzuholen und hätte nicht mit einer "Milieuperson" einen Mietvertrag abschließen dürfen. Da sie dies dennoch getan habe, habe sie auch in Kauf genommen, daß im Wohnobjekt weiterhin die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt werde. Daß sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses es ernstlich für möglich gehalten habe, es werde im Mietobjekt die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt, gehe dadurch hervor, daß die Beschwerdeführerin in den Mietvertrag die an sich unübliche Klausel aufgenommen habe, daß das Mietverhältnis vorzeitig aufgelöst werden KÖNNE, wenn gegen das Prostitutionsverbot verstoßen werde. Sie habe somit bedingt vorsätzlich gehandelt, da sie den Vertrag unter allen Umständen abgeschlossen habe, unabhängig davon, ob die gewerbsmäßige Unzucht weiterhin ausgeübt werde oder nicht. Auch die Aussage des Zeugen A, daß sich die Beschwerdeführerin auf Grund des Vorfalles bei ihm beschwert habe und ihn auf das Prostitutionsverbot hingewiesen habe, aber keine weiteren Schritte gegen ihn eingeleitet habe, beweise, daß sich die Beschwerdeführerin mit dem Verhalten des Mieters abgefunden habe. Von der Beschwerdeführerin angeführte Gründe, die sie zum Abschluß des Mietvertrages bewogen hätten, änderten nichts daran, daß sie schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Kauf genommen habe, daß weiterhin die gewerbsmäßige Unzucht im Mietobjekt ausgeübt werde. Die Beschwerdeführerin habe selbst schon die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt. Da sie somit die Gepflogenheiten des Milieus kenne und weiters gewußt habe, daß im Wohnobjekt schon öfter die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt worden sei, hätte sie bei der Auswahl ihres Mieters besonders sorgfältig vorgehen müssen.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "richtige Anwendung des Sittenpolizeigesetzes" verletzt erachtet.
1.3. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 4 Abs. 2 SPG ist die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen auf Grund einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, untersagt.
Nach § 18 Abs. 1 lit. d SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer vorsätzlich Gelegenheit zu gewerbsmäßiger Unzucht gemäß § 4 Abs. 2 gewährt oder beschafft, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.
Daß keine gemäß § 5 SPG erteilte Bordellbewilligung vorliegt, steht außer Streit.
Der Beschwerdeführerin wird die vorsätzliche Gewährung der Gelegenheit zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht, und zwar durch die Überlassung von Räumen, angelastet. Voraussetzung der Tatbestandsmäßigkeit dieses Verhaltens nach der zitierten Gesetzesstelle ist, daß die Beschwerdeführerin VOR Begehung der Straftat (als Tatzeitpunkt nennt der angefochtene Bescheid den 16. Jänner 1989) Kenntnis von der tatsächlichen oder beabsichtigten Prostitutionsausübung in ihrem Wohnobjekt gehabt und dennoch keine geeigneten Maßnahmen zur Beendigung des Mietverhältnisses gesetzt hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1989, Zl. 89/10/0156).
2.2.1. In der Beschwerde wird vorgebracht, daß die Beschwerdeführerin erstmals im Jahr 1986 Kenntnis von der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in ihrem Haus erhalten habe und das Mietverhältnis daraufhin dem damaligen Mieter unverzüglich aufgekündigt habe. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages mit A habe sie keinerlei Kenntnis davon gehabt, daß es sich bei diesem um eine "Milieuperson" handle, da dieser noch keine einschlägigen Vorstrafen aufgewiesen habe. Sie habe sodann im Jänner 1989 erfahren, daß B im Haus Y einen entgeltlichen Geschlechtsverkehr durchgeführt habe.
Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die erste der genannten Voraussetzungen nicht vorliege. Die Beschwerdeführerin ist damit im Recht. Dies aus folgenden Gründen:
Die Begründung der belangten Behörde für die Annahme, daß die Beschwerdeführerin bereits vor Begehung der ihr angelasteten Verwaltungsübertretung von der Prostitutionsausübung in ihrem Haus Kenntnis gehabt und Räumlichkeiten ungeachtet dessen vorsätzlich hiefür überlassen habe, ist nicht schlüssig. Die belangte Behörde hat den von ihr erhobenen Sachverhalt in einer Weise gewürdigt, die einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung nicht standzuhalten vermag. Der Umstand allein, daß Räumlichkeiten im Haus der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit zur Prostitutionsausübung Verwendung fanden, rechtfertigt nicht den Schluß, daß die Beschwerdeführerin auch bei Abschluß des Mietvertrages mit A neuerlich vorsätzlich - wobei die Schuldform des dolus eventualis ausreicht - Gelegenheit zur Prostitutionsausübung gewähren oder beschaffen wollte. Es wäre vielmehr Aufgabe der Verwaltungsstrafbehörde gewesen, den Nachweis zu führen, daß der Beschwerdeführerin bekannt war, daß der Genannte im einschlägigen Milieu tätig war und/oder daß sonst Umstände vorlagen, aus denen sie erkennen konnte, daß das Haus weiterhin der Prostitutionsausübung dienen sollte. Einen solchen Nachweis hat die belangte Behörde nicht geführt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag insbesondere auch die Ansicht der belangten Behörde, daß aus der unter Punkt 2 Absatz 2 des Mietvertrages aufgenommenen Klausel geschlossen werden müsse, daß die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ernstlich für möglich gehalten habe, daß im Mietobjekt die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt werde, nicht zu teilen, zumal die belangte Behörde nicht dargetan hat, warum die genannte Vertragsbestimmung etwa nur zum Schein vereinbart worden wäre.
Der Auffassung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin seit der Zustellung der Strafverfügung vom 1. Juli 1986 die Beschwerdeführerin alles in ihrer Macht Stehende unternehmen hätte müssen, um die nochmalige Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in ihrem Haus zu verhindern, und daher auch verpflichtet gewesen wäre, über ihren (neuen) Mieter entsprechende Erkundigungen einzuholen, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Aus dem Umstand allein nämlich, daß ein Haus bereits von einem früheren Mieter zur Prostitutionsausübung verwendet wurde, kann eine "besondere Erkundigungspflicht", ob es sich bei einem neuen Mieter auch um eine "Milieuperson" handle, nicht abgeleitet werden.
2.2.2. Ob die Beschwerdeführerin nach Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung geeignete Schritte zur Aufhebung des Mietvertrages eingeleitet hat, ist für die Strafbarkeit des gegenständlichen Verhaltens (bezogen auf den im Bescheid genannten Tatzeitpunkt) unerheblich, weshalb aus dem von der belangten Behörde behaupteten Fehlen geeigneter Schritte der Beschwerdeführerin zur Aufhebung des Mietvertrages nach dem gegenständlichen Vorfall für die Strafbarkeit des gegenständlichen Handelns nichts zu gewinnen ist.
2.2.3. Ebenso ist der Hinweis auf die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer einschlägigen Übertretung am 3. Jänner 1989 mangels näherer Begründung, daß die Beschwerdeführerin trotzdem bereits am 16. Jänner 1989 Kenntnis von diesem Vorfall gehabt habe, nicht zielführend.
2.3. Damit haftet dem angefochtenen Bescheid ein wesentlicher Verfahrensmangel an, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt.
2.4. Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß Stempelgebühren nur für zwei Beschwerdeausfertigungen (S 240,--), die Vollmacht (S 120,--) und den angefochtenen Bescheid (S 120,--) zu entrichten waren.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Nicht erforderliche NICHTERFORDERLICHE Schriftsatzausfertigungen und BeilagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989100206.X00Im RIS seit
07.05.2001