Index
L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
LPolG Tir 1976 §19 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 11. Oktober 1989, Zl. Ia 909-43/89, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (in der Folge: BH genannt) vom 31. August 1989 bestätigt, mit dem über die Beschwerdeführerin gemäß § 18 Abs. 3 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. 1976/6 (SPG), eine Arreststrafe in der Dauer von 7 Tagen verhängt worden war, weil sie sich am 28. April 1989 um
22.25 Uhr an der B 202 in C auf der Höhe der Tischlerei "D" dadurch zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten habe, daß sie von einem Mann für die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs ein Entgelt von S 700,-- verlangt habe. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß den §§ 18 Abs. 1 lit c und 4 Abs. 1 SPG begangen.
Gleichzeitig wurde gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens bestimmt.
In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Anzeige des Gendarmeriepostens E vom 4. Mai 1989, aus der hervorgegangen sei, daß im Dienst befindliche Gendarmeriebeamte am 28. April 1989 um 22.25 Uhr auf der B 202 in C auf der Höhe der Tischlerei "D" wahrgenommen hätten, wie sich die Beschwerdeführerin mit einem Pkw-Lenker unterhalten habe. Dieser habe auf Befragen angegeben, daß ihm die Beschwerdeführerin gegen Bezahlung von S 750,-- einen Geschlechtsverkehr im Zimmer angeboten habe. Im Verfahren vor der BH als Zeuge einvernommen, habe der Pkw-Lenker angegeben, er habe auf der Höhe der Tischlerei "D" eine Frau wahrgenommen, die offensichtlich Autostopp mache. In der Absicht, sie mitzunehmen, habe er seinen Pkw angehalten. In der Folge habe sich die Beschwerdeführerin ihm gegenüber sofort zu einem Geschlechtsverkehr gegen ein Entgelt von S 700,-- angeboten, obwohl er diesbezüglich überhaupt keine Äußerung gemacht habe.
Gegen das von der BH daraufhin erlassene Straferkenntnis habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, in der sie zunächst darauf hingewiesen habe, der Pkw-Lenker habe unmittelbar nach seiner Anhaltung angegeben, daß sie sich gegen ein Entgelt von S 750,-- zu einem Geschlechtsverkehr angeboten habe. Diese Aussage habe er bei seiner Einvernahme vor der BH auf S 700,-- korrigiert. Es dürfte amtsbekannt sein, daß ein Betrag von S 750,-- für die gegenständliche Leistung noch nie verlangt worden sei und insofern eine Kuriosität darstellen würde. Dieser Widerspruch hätte durch eine neuerliche Einvernahme des Zeugen aufgeklärt werden müssen.
Hinsichtlich des verhängten Strafausmaßes habe die Beschwerdeführerin in der Berufung vorgebracht, die BH gehe von zwölf einschlägigen Vorstrafen aus, die Beschwerdeführerin sei aber im Vollzugsbereich des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes noch nie wegen dessen Übertretung bestraft worden. Auch wenn der angezeigte Sachverhalt richtig wäre, hätte die BH nur davon ausgehen dürfen, daß sich die Beschwerdeführerin nur einmal gegen Entgelt zum Geschlechtsverkehr in Vorarlberg angeboten habe. Daraus hätte die BH jedoch nicht ableiten können, daß sie sich gewerbsmäßig zur Unzucht angeboten habe.
Schließlich habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, die verhängte Strafe sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es bleibe unbegründet, durch welche Umstände das geschützte Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit erheblich verletzt worden sei. Tatsache sei, daß die Beschwerdeführerin erstmals mit dem Vorarlberger Sittenpolizeigesetz in Berührung gekommen sei. Sie habe nach diesem Gesetz nicht tatbestandsmäßig gehandelt, wenn zumindest der bedingte Vorsatz nicht vorhanden sei. Als mildernd hätte auch berücksichtigt werden müssen, daß die Tat keine nachteiligen Folgen gehabt habe.
Die belangte Behörde führte in der Begründung zunächst aus, für ihre Entscheidung sei maßgebend gewesen, daß sie den Angaben des als Zeugen vernommenen Pkw-Lenkers Glauben geschenkt habe. Seine Angaben seien detailliert und in sich widerspruchsfrei. Was die Divergenzen des von der Beschwerdeführerin geforderten Entgelts anlange, so gehe die belangte Behörde davon aus, daß es sich bei der Höhe des in der Anzeige genannten Betrages von S 750,-- um einen Hör- oder Schreibfehler handle und der Betrag von S 700,-- richtig sei. Für die Verwirklichung des Tatbestandes sei es jedoch nicht von Bedeutung, um welchen Betrag sich die Prostituierte zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs angeboten habe, sondern ob sie sich überhaupt gegen Entgelt angeboten habe. Da der Zeuge bestätigt habe, daß sich die Beschwerdeführerin gegen ein Entgelt, und zwar in der Höhe von S 700,--, zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs angeboten habe, könne die Verwaltungsübertretung als erwiesen angenommen und auf eine nochmalige Einvernahme des Zeugen verzichtet werden. Das Verhalten der Beschwerdeführerin entspreche durchaus jenem einer "professionellen" Prostituierten. Selbst wenn man die vielen einschlägigen Vorstrafen nicht berücksichtige, könne man daher davon ausgehen, daß sie sich in der Absicht zur Unzucht angeboten habe, um sich durch deren wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
Hinsichtlich der verhängten Freiheitsstrafe sei zu bemerken, eine Anfrage bei der Bundespolizeidirektion Villach habe ergeben, daß die Beschwerdeführerin schon mehrfach, insgesamt zwölfmal, habe bestraft werden müssen, weil sie Verwaltungsübertretungen begangen habe, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten wie die gegenständliche. Es sei zwar richtig, daß die Beschwerdeführerin im Geltungsbereich des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes bisher nicht straffällig geworden sei, doch bedeute dies nicht, daß ihre bisherigen einschlägigen Vorstrafen in einem anderen Bundesland nicht als straferschwerend herangezogen werden dürften. Durch die strafbare Handlung seien zwar keine unmittelbaren Schäden aufgetreten, das durch die verletzte Norm geschützte Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit sei jedoch verletzt worden. Als besonders erschwerend sei zu berücksichtigen, daß über die Beschwerdeführerin bereits mehrfach Strafen hätten verhängt werden müssen, weil sie Verwaltungsübertretungen der gleichen Art begangen habe. Die Beschwerdeführerin habe somit neuerlich ihre äußerst ablehnende und gleichgültige Haltung gegenüber dem rechtlich geschützten Gut zum Ausdruck gebracht. Aus ihrem bisherigen Verhalten ergebe sich, daß die Verhängung einer Geldstrafe nicht genügen würde, um sie von Übertretungen der gleichen Art abzuhalten. Die Feststellung, daß durch die Tat keine nachteiligen Folgen aufgetreten seien, erfolge im Rahmen des § 19 Abs. 1 VStG 1950. Dieser Umstand sei daher nicht als mildernd bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der nur der Ausspruch über die Strafe bekämpft wird.
1.3. Die belangte Behörde hat die Strafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Im Verfahren vor dem Gerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf schuld- und tatangemessene Bestrafung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie zunächst vor, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das sogenannte "Doppelverwertungsverbot". Obwohl einerseits das Vorliegen von Vorstrafen herangezogen werde, um die gewerbsmäßige Begehung und sohin das Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 1 SPG festzustellen, würden der Beschwerdeführerin dieselben Vorstrafen bei der Strafbemessung neuerlich und daher unzulässigerweise als Erschwerungsgrund angelastet.
2.1.1. Gemäß § 4 Abs. 1 SPG ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten.
Nach § 4 Abs. 3 SPG ist die Unzucht gewerbsmäßig, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
§ 18 Abs. 1 lit. c SPG bestimmt, daß derjenige eine Verwaltungsübertretung begeht, der dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.
Gemäß § 18 Abs. 3 leg. cit. iVm. § 12 Abs. 1 letzter Satz VStG 1950 idF. der Novelle 1987 sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. c bis f von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.
2.1.2. Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie eine Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit durch die Begehung der gewerbsmäßigen Unzucht in Abrede stellt. Das Vorarlberger Sittenpolizeigesetz regelt in seinem § 4 ausschließlich solche Arten der Ausübung der Prostitution, die in der ÖFFENTLICHKEIT bemerkbar sind. Die Gewerbsmäßigkeit der Ausübung bringt es notwendigerweise mit sich, daß sie der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tritt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1978, Zl. B 512-516/78, VfSlg. 8445/78).
2.1.3. Sofern die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen das sogenannte "Doppelverwertungsverbot" geltend macht, ist sie darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde die Frage der Gewerbsmäßigkeit der Begehung der Tat ausschließlich auf Grund des professionellen Vorgehens bejaht hat. Wenn die belangte Behörde daher die zwölf einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin als straferschwerend berücksichtigt hat, so kann schon insofern kein Verstoß gegen das "Doppelverwertungsverbot" (vgl. dazu etwa WALTER-MAYER, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz 806) gegeben sein. Daß die Vorstrafen nicht im Geltungsbereich des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, sondern in einem anderen Bundesland verhängt worden sind, steht einer straferhöhenden Berücksichtigung nicht im Wege.
Bei der Bemessung der Strafe nach § 18 Abs. 1 lit. c SPG sind in sinngemäßer Anwendung des § 33 Z. 2 StGB auch solche Vorstrafen, die über den Täter wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verhängt worden sind - unabhängig davon, ob sie auch zur Begründung des Tatbestandsmerkmales der Gewerbsmäßigkeit herangezogen worden sind oder nicht -, als erschwerend zu werten (vgl. das zum Tiroler Landes-Polizeigesetz ergangene Erkenntnis vom 29. September 1981, Zl. 81/11/0023).
2.2.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich schließlich gegen die Verhängung einer Primärarreststrafe, da die belangte Behörde den besonderen Milderungsgrund des § 34 Z. 1 StGB (Der Täter hat die Tat nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen) und das Fehlen eines "registrierbaren Schadens" nicht berücksichtigt habe.
2.2.2. Die belangte Behörde hat die Verhängung einer Arreststrafe in der Dauer von sieben Tagen trotz Annahme eines nicht unmittelbaren Schadens der Tat, die auch keine besonders nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe, deshalb für erforderlich erachtet, da in der Tat wegen mehrerer einschlägiger Vorstrafen der Beschwerdeführerin und der darin zum Ausdruck gelangenden ablehnenden Einstellung gegenüber rechtlich geschützten Werten ein erhebliches Verschulden der Beschwerdeführerin zu erblicken sei. Wenn die belangte Behörde auch nicht ausdrücklich § 11 VStG 1950 idF. der Novelle BGBl. 1987/516 zitiert hat, so hat sie mit dem Hinweis in ihrer Begründung, die Verhängung einer Freiheitsstrafe sei notwendig, um die Beschwerdeführerin von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten, zum Ausdruck gebracht, daß sie diese Bestimmung bei der Wahl der Strafart berücksichtigt hat. Der der Strafbemessung zugrunde liegende Gedanke, die Einhaltung einer Verwaltungsvorschrift durch die Verhängung einer Arreststrafe in der Dauer von sieben Tagen zu erzwingen, kann aber nicht als ein Ermessensmißbrauch und daher nicht als rechtswidrig angesehen werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Juni 1978, Zlen. 1573-1575/77).
2.3. Da es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. 1989/206.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. 1965/45, hingewiesen.
Schlagworte
Erschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen Geldstrafe und ArreststrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989100230.X00Im RIS seit
06.11.2000