TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/19 90/10/0013

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Veröffentlicht am 19.03.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §17;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
SchUG 1986 §25;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 6. Dezember 1989, Zl. 1087/13-III/4a/89, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Klassenkonferenz der 7. Klasse des Akademischen Gymnasiums in X sprach mit Entscheidung vom 30. Juni 1989 aus, die Beschwerdeführerin sei zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt. Die Beschwerdeführerin bekämpfte diese Entscheidung vor den Schulbehörden; das Verfahren wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. November 1989 abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 27. September und vom 17. Oktober 1989 an den Direktor des genannten Gymnasiums begehrte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin Einsicht in den von Frau Prof. B erstellten Bericht vom 3. Juli 1989 bzw. dessen Ausfolgung.

Der mit diesem Begehren befaßte Landesschulrat für Salzburg richtete an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Datum 23. Oktober 1989 ein Schreiben folgenden Inhalts:

"Sehr geehrter Herr Doktor.

Der Landesschulrat für Salzburg hat über die Direktion des Akademischen Gymnasiums Ihr Schreiben vom 17. Oktober 1989 erhalten, wonach Sie vermuten, Herr Direktor OStR M habe einen Bericht von Frau Prof. B nicht an die Schulbehörde erster Instanz weitergeleitet. Der Landesschulrat für Salzburg hat Ihrem Mitarbeiter cand. jur. C am 16. Oktober 1989 mitgeteilt, daß dieser Brief nicht beim Landesschulrat für Salzburg aufliegt, sich die Gefertigte nicht daran erinnern kann, dieser aber - wenn vorgelegt - an das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport weitergeleitet wurde. Diese Vermutung stellte sich als nicht richtig heraus; wie die zwischenzeitlichen Recherchen ergaben, liegt das Schriftstück tatsächlich beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport auf.

Allerdings besteht das Recht auf Akteneinsicht nur bei Parteistellung und laufenden Verfahren zur Sache selbst. Der Bericht von Frau Prof. B bezog sich NICHT auf Ihre Berufung vom Juli 1989, weshalb dieses Recht nicht gegeben ist.

Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß das Recht auf Akteneinsicht gemäß den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 nur bei Behörden besteht und deshalb an der Schule keine Akteneinsicht möglich ist.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Für den Amtsführenden Präsidenten

gez. Dr. H."

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese von ihr als

Bescheid gewertete Erledigung Berufung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, es handle sich bei der bekämpften Erledigung nicht um einen Bescheid. Ihr fehlten neben einer Reihe formeller Erfordernisse, wie etwa der Bezeichnung als Bescheid, des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung, insbesondere "jeder Wille und jede Möglichkeit, rechtsbegründend oder rechtsfeststellend zu sein". Beim ersten Absatz der Erledigung handle es sich bloß um die Schilderung eines Sachverhaltes. In den beiden folgenden Absätzen teile der Landesschulrat seine Rechtsmeinung darüber, wann und wo Akteneinsicht zu gewähren sei, mithin seine Auslegung des § 17 AVG 1950 mit.

In ihrer Beschwerde gegen diesen Bescheid wendet die Beschwerdeführerin ein, bei der Erledigung vom 23. Oktober 1989 handle es sich deshalb um einen Bescheid, weil sie von einer "bescheidfähigen" Behörde in hoheitlicher Funktion verfaßt worden sei und eine normative Willensäußerung enthalte. Letzteres sei evident, wenn die Behörde davon spreche, daß die beantragte Akteneinsicht nicht zu gewähren sei, weil das Recht auf Akteneinsicht mangels Parteistellung und Bezuges zum laufenden Verfahren "nicht gegeben" sei. Diktion, Inhalt und rechtliche Konsequenzen dieses Ausspruches sprächen für den Bescheidwillen des Landesschulrates für Salzburg und damit für die Bescheidqualität der Erledigung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen u.dgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG 1950 gewertet werden. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt hat, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht wesentlich (siehe dazu den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Im Lichte dieser Grundsätze hat die belangte Behörde die Bescheidqualität der Erledigung vom 23. Oktober 1989 zu Recht verneint. Neben der durch den Gebrauch der Höflichkeitsform am Beginn und am Ende gekennzeichneten sprachlichen Gestaltung dieser Erledigung läßt insbesondere auch ihr Inhalt keine Zweifel an ihrem mangelnden Bescheidcharakter entstehen, erschöpft sich dieser doch, von der Schilderung des Sachverhaltes abgesehen, in der Bekanntgabe der Rechtsansicht des Landesschulrates über die Voraussetzungen für das Recht auf Akteneinsicht. Aber selbst wenn Zweifel angebracht wären, hätte es jedenfalls der Bezeichnung als Bescheid bedurft. Ihr Fehlen hat zur Folge, daß die Erledigung vom 23. Oktober 1989 nicht als Bescheid zu qualifizieren ist. Im Hinblick darauf entspricht die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung dem Gesetz.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die Entscheidung in der Sache erübrigt sich ein Abspruch über den (zur Zl. AW 90/10/0004 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Verfahrensanordnungen Bescheidcharakter Bescheidbegriff Einhaltung der Formvorschriften Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein Rechtswidrigkeit von Bescheiden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990100013.X00

Im RIS seit

16.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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