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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1Leitsatz
Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu einem Kaufvertrag über einen Sommerwohnsitz zwischen zwei deutschen Staatsangehörigen gem. §4 Abs2 litb Tir. GVG; Verletzung im Gleichheitsrecht ausgeschlossen; unter den regionalen Gegebenheiten vertretbare Annahme, das Kaufobjekt liege in einem besonders für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet; keine Verletzung im EigentumsrechtSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Kaufvertrag vom 25. Juni 1985 erwarb M D von R P
- beide sind deutsche Staatsangehörige - die Liegenschaft EZ ... II
KG Steinberg, bestehend aus der Gp. ..., Wald, im Ausmaß von 408 m2,
auf welcher sich das Wochenendhaus ... befindet.
2.1.1. Mit Anbringen vom 27. Juni 1985 suchte der Käufer bei der Grundverkehrsbehörde Steinberg um Genehmigung dieses Rechtserwerbes an und führte aus, daß sich das Wochenendhaus auf Grund seiner baulichen Ausstattung nur zur Verwendung als Ferienhaus eigne; auf Grund seiner Lage und Ausstattung sei es nicht geeignet, die ganzjährigen Wohnbedürfnisse eines Inländers angemessen zu befriedigen.
2.1.2. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Steinberg a. R. vom 30. September 1985 wurde dem beabsichtigten Rechtserwerb gemäß §4 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69 (künftig: GVG), die Zustimmung versagt.
2.2.1. Gegen diesen Bescheid erhoben beide Vertragsteile Berufung. Während der Verkäufer darauf hinwies, der Käufer habe ihm versichert, seinen Wohnsitz von München nach Steinberg zu verlegen, brachte der Käufer im wesentlichen Gleiches vor wie im Genehmigungsansuchen, mit dem ergänzenden Hinweis, er plane, für die Sommermonate seinen Wohnsitz in die Gemeinde Steinberg zu verlegen.
2.2.2. In einer von der bel. Beh. eingeholten Stellungnahme führte die Landesbaudirektion aus:
"...
Die Gemeinde Steinberg verfügt über keinen Ortskern; die meisten Wohngebäude befinden sich in kleinen Weilern, welche über den gesamten besiedelten Raum verstreut liegen. Diese Siedlungskerne haben auf Grund ihrer Entfernung zu Kirche, Schule und Gemeindezentrum keine besondere 'Lagegunst', da die infrastrukturellen Einrichtungen wie auch das einzige Lebensmittelgeschäft kaum zu Fuß erreicht werden können und zudem oftmals diametral zueinander im Gemeindegebiet gelegen sind. Aus fachlicher Sicht besitzt der gegenst. Siedlungsbereich die annähernd gleiche Lage und Erschließung wie die meisten übrigen Weiler und muß daher als die für die Gemeinde Steinberg bislang übliche Siedlungsform angesehen werden. Von einer besonderen Eignung dieses Bereiches kann jedoch auf Grund der fehlenden infrastrukturellen Einrichtungen nicht gesprochen werden.
Zur Frage der Grundstücksgröße wird festgestellt, daß die annähernd 400 m2 für die Errichtung eines dauernd bewohnten Einzelobjektes mit bauordnungsgemäßen Abständen des Gebäudes von den Grenzen im Bauland als absolutes Minimum angesehen werden muß, jedoch auf Grund der ebenen Lage und der quadratischen Grundstücksform noch möglich erscheint."
2.2.3. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei welcher der Rechtsvertreter des Käufers neuerlich darauf hinwies, daß das Kaufobjekt zur Begründung eines Dauerwohnsitzes ungeeignet sei und daß der Käufer plane, seinen Wohnsitz für die Sommermonate nach Steinberg zu verlegen, wurden die Berufungen mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 22. Oktober 1986, Z LGv-1340/3-85, als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"...
Bei der Beantwortung der Frage, ob das in Rede stehende Grundstück die vom Gesetz geforderte Eignung aufweist, der heimischen sozialen Wohn- und Siedlungstätigkeit zu dienen, kann auf die im ergänzenden Ermittlungsverfahren eingeholte gutachtliche Stellungnahme ... verwiesen werden, derzufolge das Kaufobjekt in einem Siedlungsbereich liegt, der annähernd die gleiche Lage und Schließung besitzt, wie die meisten übrigen Weiler und dieser daher als die für die Gemeinde Steinberg bislang übliche Siedlungsform angesehen werden muß. Mit Rücksicht auf diese - unbestritten gebliebenen - Feststellungen kann die erkennende Behörde nicht finden, daß es der in Rede stehenden Grundfläche an den im §4 Abs2 litb GVG 1983 geforderten Kriterien mangelt, zumal auch nicht anzunehmen ist, daß der gemeindliche Verordnungsgeber einen Bereich seines Gemeindegebietes als Bauland ausweist, ohne daß hiefür die nach den Zielen der örtlichen Raumordnung erforderlichen Voraussetzungen gegeben wären. Mit dem Hinweis auf die Art des Vertragsobjektes ('Wochenendhaus') kann in diesem Zusammenhang für den Gesuchsteller nichts gewonnen sein, weil die Vorschrift des §4 Abs2 litb auf die (abstrakte) Eignung des Gebietes zur Befriedigung der heimischen sozialen Wohn- und Siedlungstätigkeit abstellt und nicht auf die bauliche Ausgestaltung eines bestimmten, in einem solchen Bereich tatsächlich errichteten Gebäudes.
Bleibt also im Sinne des §4 Abs2 litb noch zu prüfen, ob das von dem umstrittenen Rechtsgeschäft umfaßte Gebäude zur Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes des Käufers dienen soll. Letzterer Begriff erfordert es, daß über den faktischen Aufenthalt des Erwerbers hinaus auch die Absicht bestehen muß, den Ort auf Dauer zum wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittelpunkt seines Lebens und seiner geregelten Tätigkeit zu machen ...
...
Von diesen Erwägungen ausgehend kann der Berufung der Verfahrensparteien keine Berechtigung zukommen, weil selbst auf Berufungsebene kein Hinweis dafür hervorgekommen ist, daß der Käufer beabsichtige, die Gemeinde Steinberg a.R. in einem absehbaren Zeitraum zum Mittelpunkt seiner Lebensinteressen zu machen ..."
3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde beider Vertragsparteien, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bzw. ein "ordnungsgemäßes Verfahren" im Sinne des Art6 MRK und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1.1. Die Bf. behaupten zunächst, die bel. Beh. hätte ihnen keine Möglichkeit gegeben, zu dem eingeholten Gutachten der Landesbaudirektion Stellung zu nehmen, wodurch der Grundsatz des Parteiengehörs nach §37 AVG verletzt worden sei. Diese Vorgangsweise der bel. Beh. verstoße gegen das im Art6 MRK verankerte Recht auf ein faires Verfahren.
4.1.2. Zu diesem Vorbringen genügt es festzuhalten, daß nach Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten die Bf. vor der Berufungsverhandlung Akteneinsicht genommen haben und ihnen die Möglichkeit eingeräumt wurde, eine Ablichtung zu machen. Die bel. Beh. hat auch eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, bei der vom Berichterstatter der Sachverhalt ausführlich dargelegt wurde und die im Zuge des Ermittlungsverfahrens eingeholten Gutachten und Stellungnahmen verlesen wurden. Die Bf. hatten die Möglichkeit, bei der Berufungsverhandlung ihren Standpunkt zu vertreten und haben davon auch Gebrauch gemacht.
Bei dieser Sachlage ist es dem VfGH unverständlich, wieso die Beschwerde von einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren nach Art6 MRK spricht. Nicht wesentlich ist aus dieser Sicht, ob die bel. Beh. auch den einfachgesetzlichen Anordnungen entsprochen hat. Darauf hatte der VfGH nicht einzugehen.
4.2.1. Die Bf. behaupten weiters, die bel. Beh. hätte ihnen keine Möglichkeit gegeben, einen entsprechenden Beweis dafür zu erbringen, daß der Zweitbeschwerdeführer eine Wohnsitzverlegung beabsichtige. Diesem sei bekannt gewesen, daß er bei seiner Dienstgeberfirma vorzeitig pensioniert werde; der entsprechende "Aufhebungsvertrag" sei aber erst nach der mündlichen Verhandlung vor der Landesgrundverkehrsbehörde geschlossen worden. Hätte die bel. Beh. die Wohnsitzverlegung als wesentlich erachtet, so hätte sie auch Gelegenheit geben müssen, die entsprechenden Beweismittel vorzulegen, und allenfalls das Verfahren bis zum Nachweis dessen aussetzen müssen. Auch dies bilde einen in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensmangel.
4.2.2. Mit dem Vorbringen, die bel. Beh. habe entscheidungswesentliche Beweise nicht erhoben, machen die Bf. der Sache nach Willkür und damit eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend. Da beide Bf. deutsche Staatsangehörige sind, ist auf diesen Vorwurf schon deshalb nicht einzugehen, weil die Geltendmachung des in Frage stehenden Grundrechtes österreichischen Staatsbürgern vorbehalten ist. Der VfGH bemerkt jedoch, daß die bel. Beh. dem angefochtenen Bescheid das eigene Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers, er beabsichtige, das Kaufobjekt nur während der Sommermonate zu benützen, zugrundegelegt hat, sodaß dem VfGH das Beschwerdevorbringen nahezu mutwillig erscheint.
4.3.1. Die Bf. behaupten weiters, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. §4 Abs2 litb GVG stelle darauf ab, daß das zu erwerbende Grundstück in einem wegen seiner Lage und Erschließung b e s o n d e r s für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet liegt. Gerade dies sei im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen. Der Sachverständige der Landesbaudirektion habe vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß von einer besonderen Eignung des Bereiches, in dem das Kaufobjekt liegt, auf Grund der fehlenden infrastrukturellen Einrichtungen nicht gesprochen werden könne. Das GVG stelle zudem auf die konkrete Situation ab und nicht, wie die bel. Beh. meine, auf die abstrakte Eignung eines Grundstückes. §4 Abs2 litb GVG spreche weiters davon, daß das bereits bestehende oder zu errichtende Wohnobjekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen solle. Das Gesetz unterscheide demnach zwischen "bestehenden" und "zu errichtenden" Wohnobjekten. Wenn das Objekt bisher als Wochenendhaus genützt wurde und nach dem Verkauf als Wochenendhaus weiterbenützt werde, trete keine Änderung ein. Bestehe - wie hier - keine besondere Eignung des Grundstükkes für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit, so sei die Art der Verwendung des Objektes (als Dauer- oder Zweitwohnsitz) unerheblich. Die bel. Beh. habe somit das Gesetz denkunmöglich angewendet.
4.3.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §4 Abs2 litb GVG. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Gesetzesstelle wurden nicht geltend gemacht, solche sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles im VfGH auch nicht entstanden (vgl. zB VfSlg. 9014/1981, zuletzt VfGH 20.6.1986 B444/85).
Nach der zur Versagung herangezogenen Bestimmung des §4 Abs2 litb leg.cit. darf natürlichen Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen (§1 Abs1 Z2 lita GVG), die nach §3 Abs1 leg. cit. erforderliche Zustimmung nur erteilt werden, "wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht"; ein Widerspruch zu solchen Interessen liegt insbesondere dann vor, wenn "das zu erwerbende Grundstück in einem wegen seiner Lage und Erschließung besonders für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet liegt und das darauf bestehende oder zu errichtende Wohnobjekt nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes dienen soll".
Die bel. Beh. hat das Vorliegen dieses Untersagungstatbestandes angenommen, weil das Kaufobjekt in einem Gebiet liegt, das nach der örtlichen Raumordnung als Bauland ausgewiesen ist, und weil nach der eingeholten gutächtlichen Stellungnahme der in Rede stehende Siedlungsbereich annähernd die gleiche Lage und Erschließung besitzt wie die meisten übrigen Weiler und damit der für die Gemeinde Steinberg bislang üblichen Siedlungsform entspricht. Der VfGH meint, daß unter diesen Gegebenheiten die bel. Beh. in vertretbarer Weise angenommen hat, das Kaufobjekt liege wegen seiner Lage und Erschließung in einem besonders für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeigneten Gebiet. Mit Recht verweist die bel. Beh. in der Gegenschrift darauf, daß die von der Gemeinde vorgenommene Flächenwidmung als Wohngebiet im Sinne des §12 Tiroler Raumordnungsgesetz 1984 das Kaufgrundstück für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geradezu prädestiniert. Der VfGH hält aber auch die Auslegung der bel. Beh., daß der Normzweck nicht auf einen bestimmten bestehenden Zustand abstellt, sondern daß auch die Möglichkeit der künftigen Errichtung eines Wohnobjektes, das der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes entspricht, zu beachten ist, zumindest für denkmöglich. Da der Käufer im Administrativverfahren wiederholt betonte, nur in den Sommermonaten im Kaufobjekt wohnen zu wollen - ein Bewohnen während des Winters hat er wegen des Fehlens einer Zentralheizung geradezu als unzumutbar abgelehnt -, kann der bel. Beh. keineswegs angelastet werden, das Gesetz denkunmöglich angewendet zu haben (vgl. VfSlg. 9014/1981).
Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.
4.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, Parteiengehör, AusländergrunderwerbsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B1248.1986Dokumentnummer
JFT_10129076_86B01248_00