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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1053;Beachte
Besprechung in: ÖStZB 1991, 340;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Mai 1989,
GA 11 - 733/3/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Notariatsakt vom 4. Oktober 1982 verkauften B und G die ihnen zu gleichen Teilen als Testamentserben nach dem am 18. September 1982 verstorbenen I angefallene, von ihnen noch nicht angetretene und nicht inventarisierte Erbschaft um den Preis von je S 1,000.000,-- an die Beschwerdeführerin. Die Vertragsparteien stellten einvernehmlich fest, daß die Verbindlichkeiten der Verlassenschaft, insbesondere im Hinblick auf die umfangreiche geschäftliche Tätigkeit des Erblassers, derzeit nicht eindeutig feststellbar seien.
Punkt 5. der Vertragsurkunde lautet:
"Mit der Unterfertigung dieses Notariatsaktes gehen auf Frau N nicht nur die Rechte, sondern auch die Verbindlichkeiten der Verlassenschaft nach I über und verpflichtet sich Frau N, B und G hinsichtlich aller wie immer gearteten Forderungen aus dem Titel der Verlassenschaft nach I vollkommen klag- und schadlos zu halten, insbesondere auch gegen allfällige Erbschaftsgläubiger im Sinne des § 1282 (Paragraphen eintausendzweihundertzweiundachtzig) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch."
Nach Abgabe einer unbedingten Erbserklärung wurde der Nachlaß der Beschwerdeführerin eingeantwortet.
Das Finanzamt setzte - nach Erlassung vorläufiger Bescheide im Instanzenzug - mit endgültigem Bescheid vom 13. September 1988 gegenüber der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer von S 111.599,-- und eine Gebühr gemäß § 33 TP 17 GebG von S 192.329,-- fest. Die Begründung des Bescheides verweist auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30. Juni 1988, wonach Nachlaßaktiven von S 12,133.067,--, Passiven von
S 13,196.436,28 gegenüberstünden. Die Gesamtgegenleistung aus dem Erbschaftskauf setze sich aus dem Barkaufpreis und den genannten Passiven zusammen und betrage daher S 15,196.436,28. Davon sei ein Betrag von S 5,579.960,-- grunderwerbsteuerpflichtig, während ein Betrag von
S 9,616.476,28 der Gebühr nach § 33 TP 17 GebG 1957 unterliege.
Mit der nur gegen die Festsetzung der Rechtsgebühr erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, der vorliegende Erbschaftskauf sei kein Glücksgeschäft gewesen, da sie als Ehegattin des Verstorbenen, kaufmännische Leiterin aller und Miteigentümerin mehrerer Betriebe schon zu Lebzeiten und auch am Todestag des Verstorbenen eine genaue Übersicht über alle Aktiven und Passiven gehabt habe. Der Kaufpreis bilde mit seinem "Nennwert" die Bemessungsgrundlage für eine allfällige Gebühr; die übernommenen Schulden seien nicht einzubeziehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie führte unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1969, Slg. 3940/F, aus, die Tatsache, daß den Vertragsteilen beim Abschluß des Vertrages ein näher umrissenes Vermögen vor Augen gestanden sein möge, ändere nichts daran, daß der Kauf der nicht inventarisierten Erbschaft ein Glücksgeschäft sei. Die vom Käufer übernommene Verpflichtung, die auf dem Nachlaß lastenden Schulden zu begleichen, sei Teil der Gegenleistung und daher in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 33 TP 17 GebG 1957 unterliegen die dort aufgezählten Glücksverträge einer Gebühr. Die Vorschrift definiert Glücksverträge - entsprechend der Begriffsbestimmung des § 1267 ABGB - als Verträge, wodurch die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteiles versprochen und angenommen wird. Nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 2 GebG 1957 zählen Hoffnungskäufe beweglicher Sachen zu den Glücksverträgen; sie unterliegen einer Gebühr von 2 v.H. vom Kaufpreis.
Das ABGB regelt die Glücksverträge in seinem 29. Hauptstück (§§ 1267 ff); darunter fällt auch der Hoffnungskauf (§§ 1275 ff). Den Erbschaftskauf, der ohne Errichtung eines Inventars erfolgt, behandelt das ABGB als Unterart des Hoffnungskaufes (§ 1278 Abs. 1 ABGB).
Es stellt somit der Erbschaftskauf, der ohne Inventarerrichtung erfolgt, einen Hoffnungskauf und damit ein Glücksgeschäft dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1969, Slg. 3940/F; Wolff in Klang V2 1009; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II8 395; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 3 zu § 1278).
Der ohne Errichtung eines Inventars abgeschlossene Erbschaftskauf ist - abgesehen von seiner systematischen Einordnung in das die Glücksgeschäfte betreffende Hauptstück des ABGB - deshalb ein "gewagtes Geschäft" (§ 1278 Abs. 1 ABGB letzter Satz), weil der Verkäufer - ungeachtet der subjektiven Vorstellungen der Parteien über den Umfang des Nachlaßvermögens - dem in die Verbindlichkeiten des Verkäufers als Erben eintretenden Käufer ohne Errichtung eines Inventars nur für die Richtigkeit seines Erbrechtes und den durch sein Verschulden zugefügten Schaden haftet (§ 1283 ABGB letzter Satz), nicht aber für Vorhandensein oder Beschaffenheit bestimmter Sachen oder die Lastenfreiheit des Nachlasses. Daß Gegenstand des vorliegenden Erbschaftskaufes eine nicht inventarisierte Erbschaft war, ist nicht strittig. Der Erbschaftskauf ist somit als "gewagtes Geschäft" zu qualifizieren. Der mit dem Inhalt der Vertragsurkunde, wonach "die Verbindlichkeiten der Verlassenschaft, insbesondere im Hinblick auf die umfangreiche geschäftliche Tätigkeit des Erblassers derzeit nicht eindeutig feststellbar" seien, in Widerspruch stehenden und im Rahmen der Beschwerdegründe nicht mehr wiederholten Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe schon zu Lebzeiten und zum Todestag des Erblassers einen Überblick über alle Aktiven und Passiven des Nachlasses gehabt, kommt bei dieser Rechtslage keine Bedeutung zu.
Auch der Auffassung der Beschwerdeführerin, nur der festbetragsvereinbarte Kaufpreis sei - im Gegensatz zu dem im Grunderwerbsteuergesetz verwendeten Begriff der "Gegenleistung" - "Kaufpreis" im Sinne des Gebührengesetzes, kann nicht gefolgt werden.
Unter dem "Kaufpreis" ist - im Sinne der Begriffsbestimmung des Kaufvertrages in § 1053 ABGB erster Satz bzw. der Anordnung des § 1054 ABGB zweiter Satz - die bestimmte (bzw. "nicht unbestimmte", d.h. wenigstens bestimmbare) Summe Geldes zu verstehen, die der Käufer dem Verkäufer für die Überlassung des Kaufgegenstandes (vereinbarungsgemäß) zuzuwenden hat. Auf welche Weise die Zuwendung des Kaufpreises in das Vermögen des Verkäufers zu erfolgen hat, bleibt der Willenseinigung der Vertragsteile vorbehalten. Wenn die Vertragsteile eines Kaufvertrages die Übernahme bzw. Befreiung von Verbindlichkeiten, die eine Entlastung (= Vermehrung) des Vermögens des Verkäufers bewirkt, durch den Käufer ohne Anrechnung auf ein festbetragsbestimmtes Entgelt vereinbaren, ist der auf die übernommenen Schulden entfallende Betrag gebührenrechtlich als Teil des Kaufpreises anzusehen und bei der Bemessung der Gebühr dem festbetragsvereinbarten Entgelt hinzuzurechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1972, Slg. 4332/F). Auch in dem - einen Leibrentenvertrag betreffenden - Erkenntnis vom 7. Oktober 1985, Slg. 6036/F, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die durch Erfüllungsübernahme bzw. Befreiungsverpflichtung betroffenen Schulden des Übergebers neben dem festbetragsvereinbarten Entgelt zur Hauptleistung gehören.
Die dargelegten Voraussetzungen liegen auch im gegebenen Fall vor. Die unbedingte Erbsantretung des Erbschaftskäufers wirkt, sofern nicht bereits eine bedingte der Erbserklärung des Verkäufers vorliegt, auch für diesen (§ 1282 ABGB letzter Halbsatz) und begründet Solidarhaftung für die Nachlaßverbindlichkeiten (§ 1282 ABGB erster Satz). Die vertraglich bedungene Befreiungsverpflichtung - die im übrigen der gesetzlichen Regelung, wonach der von den Nachlaßgläubigern zur Haftung herangezogene Veräußerer ein Regreßrecht gegen den Übernehmer hat (vgl. Wolff aaO 1013; Welser in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1282; Ehrenzweig - Kralik, Erbrecht 56), entspricht - bewirkte somit eine Entlastung des Vermögens der Veräußerer in gleicher Weise wie die unmittelbare Zuwendung der von den Veräußerern geschuldeten Beträge in deren Vermögen.
Auch der von der Beschwerdeführerin gezogene Vergleich der Bemessungsvorschrift des § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 2 GebG 1957 mit den Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes spricht nicht gegen diese Auslegung. Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987 (ebenso § 10 Abs. 1 GrEStG 1955) ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen. Gegenleistung ist nach § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG (ebenso § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955) bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Eine Bestimmung des Begriffes "Kaufpreis" kann dieser Vorschrift nicht entnommen werden. Selbst wenn man die Auffassung verträte, die Befreiungsverpflichtung bzw. Schuldübernahme stelle eine "sonstige Leistung" im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG dar, wäre für den Standpunkt der Beschwerdeführerin schon deshalb nichts gewonnen, weil die zitierte Vorschrift nicht die Hinzurechnung vom Kaufpreis begrifflich verschiedener "sonstiger Leistungen" anordnet, sondern "sonstige Leistungen" in diesen einschließt.
In der Einbeziehung der von der Beschwerdeführerin übernommenen Verbindlichkeiten, deren dem Abgabenbescheid zu Grunde gelegte Zusammensetzung und Höhe nicht bestritten wurde, in die Bemessungsgrundlage liegt somit keine Rechtswidrigkeit.
Die Beschwerdeführerin vertritt weiters die Auffassung, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei mangelhaft, da sich die belangte Behörde nicht "mit der in der Berufung ausgeführten Problematik der unterschiedlichen Terminologien" auseinandergesetzt habe. Der Beschwerde kann aber nicht entnommen werden, inwiefern der behauptete Begründungsmangel die Beschwerdeführerin an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert hätte. Schon aus diesem Grund kann die Geltendmachung der behaupteten Begründungsmängel der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 S 600 f angeführte hg.
Rechtsprechung).
Die vorliegende Beschwerde war daher als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989150085.X00Im RIS seit
19.03.1990Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008