TE Vfgh Beschluss 1987/9/24 B644/87

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Veröffentlicht am 24.09.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid

Leitsatz

mangelnder Bescheidcharakter einer Mitteilung des BMUKS darüber, warum die Behörde dem Ansuchen auf Versetzung in den Ruhestand nicht nähertritt - keine Zuständigkeit des VfGH; Abweisung des Verfahresnhilfeantrages wegen Aussichtslosigkeit

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde an den VwGH abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

II. 1. Die Bf. stand bis 31. März 1981 als pragmatisierte Mittelschullehrerin in einem Dienstverhältnis zum Bund. Am 12. März 1981 erklärte sie schriftlich ihren Austritt aus diesem Dienstverhältnis, worauf mit Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 20.3.1981, Z225.190/67-1981, die Beendigung des Dienstverhältnisses mit 31.3.1981 sowie die der Bf. zustehende Abfertigung festgestellt wurde. Dieser Bescheid wurde der Bf. persönlich zugestellt.

Infolge der Erkrankung der Bf. an paranoider Schizophrenie wurde die einschreitende Rechtsvertreterin der Bf. mit Beschluß des BG Hietzing vom 7.2.1984, Z2 SW 151/84, vorerst zum einstweiligen Sachwalter und in der Folge mit Beschluß vom 8.3.1985 zum Sachwalter für alle Angelegenheiten der Bf. bestellt.

Auf Antrag des Sachwalters wurde in der Folge der Bescheid des Stadtschulrates für Wien vom 20.3.1981 diesem am 5.12.1984 neuerlich zugestellt. Der Sachwalter erhob daraufhin gegen diesen Bescheid Berufung, worin er die Aufhebung des Bescheides sowie die Versetzung der Bf. auf Grund deren Krankheit in den Ruhestand gemäß §14 Abs1 Z1 BDG begehrte. Begründend wurde ausgeführt, daß die Bf. bereits zum Zeitpunkt ihrer Austrittserklärung aus dem öffentlichen Dienst infolge ihrer - angeblich bereits damals bestehenden - Erkrankung geschäftsunfähig gewesen und die Erklärung daher nichtig gewesen sei. Die wirtschaftliche Tragweite des Verlustes des Pensionsanspruches sei von der Bf. - ebenfalls bedingt durch ihre Krankheit - nicht abzusehen gewesen. Die Bf. wäre durch die bereits im Jahre 1980 beginnende - und für die Dienstbehörde erkennbare - Krankheit dienstunfähig und somit von Amts wegen in den Ruhestand zu versetzen gewesen.

Der der Bf. zugestellte Bescheid hätte wegen deren Geschäftsunfähigkeit keine Rechtswirkungen entfaltet insbesondere hätte er auch keine Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt. Die vom Sachwalter erhobene Berufung wäre somit rechtzeitig. Zur Untermauerung der Berufungsausführungen wurde ein psychiatrisches Gutachten angeschlossen.

2. Der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport richtete daraufhin an den Rechtsvertreter und Sachwalter der Bf. folgendes Schreiben vom 6. Mai 1987:

"Auf Grund des Ihrerseits vorgelegten psychiatrischen Gutachtens von Prim.Dr. J. P. war ha. versucht worden, beim Bundeskanzleramt und beim Bundesministerium für Finanzen eine Revision der seinerzeitigen Austrittserklärung von

Prof.Mag. Ch. W. zu erreichen, die Zeit ab 1.4.1981 als im Krankenstand befindlich zu betrachten und Ihre Mandantin sodann pro futuro aus Krankheitsgründen in den Ruhestand zu versetzen.

Das Bundeskanzleramt hat sich jedoch mit Stellungnahme vom 10.4.1987 gegen eine derartige Maßnahme ausgesprochen und dies wie folgt begründet:

'Die Erklärung des Austrittes aus dem Bundesdienst ist ein dem Beamten vorbehaltenes Gestaltungsrecht und als solches eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muß ernstlich, bestimmt, deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erklärt werden. Die Erklärung muß zweifelsfrei die Absicht erkennen lassen, das Dienstverhältnis mit Ablauf einer bestimmten Zeit beenden zu wollen. Wegen mangelnder Ernstlichkeit ist eine Willenserklärung jedoch nur dann ungültig, wenn sich aus den besonderen Begleitumständen dies objektiv ergibt und dem Erklärungsempfänger erkennbar war (vgl. OGH, 29. März 1955, ArbSlg. 6264 und LG Wien, 21. Mai 1959, ArbSlg. 7045). Bei einem Geisteskranken oder Geistesschwachen ist im Einzelfall zu prüfen, ob er in einem bestimmten Zeitpunkt die Tragweite des konkreten Verwaltungsverfahrens und außerdem jeder von ihm gesetzten Verfahrenshandlung oder Unterlassung zu erkennen vermag (vgl. VfGH, 3. Dezember 1975, Slg. 7699, VwGH, Slg. 15 910/A/1929;, OGH 2. März 1960, Ob 62/60). Die Beurteilung, ob ein beschränkt Entmündigter vor seiner Entmündigung prozeßfähig war oder nicht, hängt vom Grad seiner Geistesschwäche und von der Art der Prozeßhandlung ab. Dies ist im Einzelfall zu prüfen (vgl. VwGH, 26. März 1980, Slg. 10 079A).

Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind ebenfalls ohne Rücksicht auf Entmündigung geschäftsunfähig. Dafür bedarf es grundsätzlich vollkommener Unfähigkeit, die Bedeutung rechtsgeschäftlicher Handlungen zu erkennen, also Geisteskrankheit oder Geistesschwäche, die volle Entmündigung rechtfertigen würde, also dem Geisteszustand eines noch nicht 7-Jährigen entspricht; dh nur die durch Geisteskrankheit oder Geistesschwäche bedingte vollkommene Unfähigkeit, die Tragweite eines bestimmten Rechtsgeschäftes einzusehen, reicht aus, um Ungültigkeit zu beantragen. Jedoch auch ein grundsätzlich Geschäftsunfähiger, falls noch nicht entmündigt, kann in einem lichten Augenblick rechtsgültig handeln. Die Tatsache allein, daß jemand von sich behauptet, Erscheinungen zu haben, rechtfertigt noch nicht, ihm in den übrigen Angelegenheiten des täglichen Lebens einem noch nicht 7-Jährigen gleichzustellen.

Es ist die Geschäftsfähigkeit trotz Geisteskrankheit dann anzumerken, wenn und insoweit das geistige Gebrechen die geschäftliche Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt, zB Verfolgungswahn (vgl. ZBl 1917/264).

Bei der Beurteilung des ggstdl. Einzelfalles darf davon ausgegangen werden, daß dem Gericht bei der Scheidung mit Unterhaltsverzicht am 18. Dezember 1980 offensichtlich keinerlei Zweifel über die Geschäftsfähigkeit von Mag. Ch. W. gekommen sind. durch deren Hinweis auf das damals bestandene öffentlichrechtliche Dienstverhältnis hat sie zudem klar ihre Dispositionsfähigkeit zum Ausdruck gebracht. Es ist überdies wohl anzunehmen, daß Vorgesetzte, Kollegen, Personalvertreter usw. vor Abgabe der Austrittserklärung Gespräche mit der Genannten geführt haben, wodurch dieser die Bedeutung des - vermutlich auch durch die Höhe der Abfertigung motivierten - Schrittes bewußt wurde. Damit muß geschlossen werden, daß Mag. Ch. W. am 12. März 1981 die Erklärung des Austrittes aus dem Bundesdienst in einer dem Erklärungsempfänger gegenüber als ernstlich, bestimmt und jeden Zweifel ausschließenden erkennbaren Weise abgegeben hat.

Zum vorgelegten Gutachten von Prim. Dr. J. P. wird bemerkt:

Das Feststellen, ob Mag. Ch. W. zum 12. März 1981 handlungs- und geschäftsfähig war, ist eine Rechtsfrage und daher ausschließlich von der Behörde zu beurteilen. Insoweit der Gutachter anführt, daß mit Sicherheit angenommen werden kann, daß Frau Mag. W. am 12. März 1981 geisteskrank und somit nicht handlungs- und geschäftsfähig gewesen ist, greift er in die der Behörde vorbehaltene Entscheidungsfindung ein und geht seine Tätigkeit über jene eines Gutachters hinaus. Zum Inhalt des Gutachtens selbst muß festgestellt werden, daß aus den Ausführungen des psychiatrischen Gutachtens schlüssig, dh zwingend nach den Denkgesetzen, nicht hervorgeht, daß die Genannte zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung des Austrittes aus dem Bundesdienst die Bedeutung dieser rechtsgeschäftlichen Handlung in keiner Weise erkennen konnte, dh daß ihr Geisteszustand zum Zeitpunkt 12. März 1981 dem eines noch nicht 7-jährigen Kindes entsprach.

Mit Rücksicht auf die obigen Ausführungen ist nach ho. Dafürhal der Austritt aus dem Bundesdienst am 12. März 1981 von Mag. Ch. W. rechtsverbindlich erklärt worden und konnte aus dem damals bekannten Begleitumständen objektiv vom Erklärungsempfänger eine Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit der Erklärenden nicht erkennt werden.'

Das ho. Ressort bedauert daher mangels Zustimmung der mitbefaßten Ressortstellen dem do. Antrag nicht nähertreten zu können."

3. Gegen diese - von der Bf. als Bescheid gewertete Erledigung richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die Bf. behauptet, durch das genannte Schreiben des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.

Gleichzeitig wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt.

II. Der VfGH hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

1. Voraussetzung einer Beschwerdeführung gemäß Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist das Vorliegen eines Bescheides.

Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach ständiger Rechtsprechung des VfGH nicht nur die äußere Form sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie in einer der Rechtskraft fähigen Weise rechtsbegründend oder rechtsfeststellend über eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber individuell bestimmten Personen abspricht (vgl. u.a. VfSlg. 5804/1968, 6187/1970, 7599/1975, 9383/1982).

2. Diese Voraussetzungen liegen beim Schreiben der bel. Beh. vom 6. Mai 1987 nicht vor. Es ist weder als Bescheid bezeichnet noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung unterteilt. Sein Inhalt erschöpft sich in der Mitteilung, warum sich die Behörde nicht in der Lage sieht, dem Ansuchen der Bf. auf Versetzung in den Ruhestand näherzutreten. Diese Rechtsansicht wird durch die Wiedergabe einer Stellungnahme des Bundeskanzleramtes vom 10.4.1987 dargelegt.

In einer derartigen bloßen Mitteilung einer Rechtsansicht kann ein der Rechtskraft fähiger Abspruch über den von der Bf. geltend gemachten Rechtsanspruch nicht erblickt werden (vgl. VfGH v. 21.6.1982, B291, 292/79 und die dort zitierte Vorjudikatur).

3. Infolge der mangelnden Bescheidqualität der bekämpften Erledigung war die Beschwerde wegen Unzuständigkeit des VfGH als unzulässig zurückzuweisen.

4. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war abzuweisen, weil diese Abtretung nur für den Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder der Ablehnung der Behandlung der Beschwerde vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde.

4. Da die von der Bf. beabsichtigte Rechtsverfolgung offenbar aussichtslos ist, mußte der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe als unbegründet abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953).

6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Dienstrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B644.1987

Dokumentnummer

JFT_10129076_87B00644_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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