TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/19 89/18/0097

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Veröffentlicht am 19.03.1990
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Index

L60006 Landwirtschaftskammer Steiermark;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §62 Abs1;
AVG §73 Abs2;
LWKG Stmk 1970 §14 Abs3;
VwGG §27;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. Mai 1989, Zl. 8-75 Bi 1/5-89, betreffend 1) Zurückweisung einer Berufung, 2) Abweisung eines Ansuchens, beides nach dem Steiermärkischen Tierzuchtgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Punkt I. seines Spruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes,

in Punkt II. seines Spruches wegen Rechtswidrigkeit infolge

Unzuständigkeit der belangten Behörde

aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 8. September 1988 bei der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark eingegangenen Antrag vom 6. September 1988 beantragte der Beschwerdeführer "neuerlich", ihm einen Samenliefervertrag "zu erstellen", welcher Antrag in der Folge von der belangten Behörde als Ansuchen um Betrauung mit der Durchführung der künstlichen Besamung im Sinne des § 19 Abs. 2 des Steiermärkischen Tierzuchtgesetzes, LGBl. Nr. 155/1969, gewertet wurde. Mit Schreiben vom 15. September 1988 teilte der Tierzuchtdirektor der erwähnten Landeskammer dem Beschwerdeführer mit, sein Ansuchen um eine Besamungsbewilligung werde voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses der Landeskammer am 13. Oktober 1988 behandelt werden. Mit Schreiben vom 13. Oktober 1988 teilte Dr. A von der Rinderbesamungsanstalt BB der erwähnten Landeskammer mit, daß das Gebiet von CC ohnehin schon von der von Dr. D durchgeführten "Kammertour" versorgt werde, so daß einer Bewilligung (ergänze: für den Beschwerdeführer) nicht zugestimmt werden könne. Am 13. Oktober 1988 fand die 28. Hauptausschußsitzung der erwähnten Landeskammer in Anwesenheit des Präsidenten, des Vizepräsidenten und aller Landeskammerräte mit Ausnahme von vier entschuldigten Landeskammerräten statt. Unter Punkt 11 der Tagesordnung wurde unter anderem das Ansuchen des Beschwerdeführers um "Besamungsbewilligung" abgelehnt.

Unter dem Datum des 19. Oktober 1988 wurde unter dem Briefkopf "Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark" und an den Beschwerdeführer gerichtet folgendes Schreiben vom Tierzuchtdirektor der genannten Kammer Dipl.Ing. XY unterfertigt:

"Bescheid

Ihr Ansuchen um Besamungsgenehmigung wurde am 13.10.1988 im Hauptausschuß der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark behandelt. Diesem Ansuchen wird keine Folge geleistet, da die Versorgung der Bauern durch die kammereigenen Touren gegeben ist und bei Einführung der künstlichen Besamung ein Abkommen zwischen der Landwirtschaftskammer und der Tierärztekammer geschlossen wurde, nachdem im Einzugsbereich der kammereigenen Touren keine Besamungsgenehmigungen für Privattierärzte erteilt werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann binnen zwei Wochen bei der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark, 8010 Graz, Hamerlinggasse 3, Berufung erhoben werden."

Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung.

Die Steiermärkische Landesregierung erließ unter dem Datum des 10. Mai 1989 einen Bescheid mit zwei Spruchteilen, deren erster (I.) die erwähnte Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig mit folgender Begründung zurückwies: Die Erledigung der Landeskammer hätte in Bescheidform unter Beachtung der Mindesterfordernisse des § 58 AVG 1950 ergehen müssen, weil nach § 23 Abs. 1 des oben zitierten Steiermärkischen Tierzuchtgesetzes für das Verfahren der Landeskammer die Bestimmungen des AVG 1950 gälten. Jedenfalls fehle in der Erledigung der Landeskammer die für die Entscheidung angewendete Gesetzesbestimmung; die Erledigung sei nur vom Tierzuchtdirektor der Landeskammer gefertigt. Nach dem Landwirtschaftskammergesetz, LGBl. Nr. 14/1970, vertrete der Präsident die Landeskammer nach außen; er beurkunde und fertige die Beschlüsse sowie alle Schriftstücke rechtsverbindlicher Art gemeinsam mit dem Kammeramtsdirektor. Im Falle seiner zeitweiligen Verhinderung werde der Präsident durch den Vizepräsidenten vertreten. Einem Schriftstück einer Behörde, das nicht die Unterschrift des Genehmigenden enthalte, komme kein Bescheidcharakter zu. Eine Berufung gegen ein solches Schriftstück sei daher mangels Bescheidcharakters der Erledigung als unzulässig zurückzuweisen. Aus diesem Grunde sei die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Erledigung der Landeskammer zurückzuweisen gewesen.

Im zweiten, mit II. bezeichneten Spruchteil wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 6. September 1988 um Betrauung mit der Durchführung der künstlichen Besamung gemäß § 19 des Steiermärkischen Tierzuchtgesetzes in Verbindung mit § 73 AVG 1950 abgewiesen. Da die Landeskammer über den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. September 1988 nicht mit Bescheid entschieden habe (siehe die Ausführungen zum Spruchteil I), sei die Landeskammer säumig im Sinne des § 73 AVG 1950 geworden, worauf auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 2. Mai 1989 die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Oberbehörde übergegangen sei. Des weiteren wurde dargetan, aus welchen Gründen dem Beschwerdeführer die Betrauung mit der Durchführung der künstlichen Besamung zu verweigern gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark hat mit Schreiben vom 6. Dezember 1989 die Seiten 1 und 14 des Protokolls über die 28. Hauptausschußsitzung vorgelegt und ferner bekanntgegeben, daß der Tierzuchtdirektor Dipl. Ing. XY am 19. Oktober 1988 auf Grund der mündlich verfügten Geschäftsordnungsverteilung für den gesamten Aufgabenbereich der Tierzucht verantwortlich war und insofern ermächtigt war, Bescheide im Auftrage der zuständigen Organe, die an der Beschlußfassung im Hauptausschuß mitgewirkt haben, zu unterschreiben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt der Erledigung der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark vom 19. Oktober 1988 Bescheidcharakter zu, und zwar aus folgenden Gründen:

Von den in der Lehre (z.B. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz 377-387, 408-424) und in der Rechtsprechung (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 338/8 bis S. 343/3 genannten Entscheidungen) erwähnten Kriterien eines Bescheides vermißt die belangte Behörde einerseits die Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen im Sinne des § 59 Abs. 1 AVG 1950, andererseits eine rechtswirksame Fertigung durch den Genehmigenden.

Zum erstgenannten Mangel kann auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen werden, wonach der Umstand, daß eine Gesetzesstelle, die für die Entscheidung hätte maßgebend sein können, im Spruch des Bescheides nicht angeführt ist, für sich allein noch nicht besagt, daß die Entscheidung nicht auf Grund dieser Gesetzesstelle ergangen sein konnte (Erkenntnis vom 10. Jänner 1967, Slg. N.F. Nr. 7051/A).

Zum von der belangten Behörde angenommenen zweitgenannten Mangel ist folgendes zu sagen:

Das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 6. September 1988 wurde zu Recht im Hauptausschuß der oben genannten Landeskammer behandelt, weil die Generalklausel des § 14 Abs. 3 des oben zitierten Steiermärkischen Landwirtschaftskammergesetzes mangels Zuteilung einer solchen Angelegenheit an den Präsidenten oder an die Vollversammlung dafür spricht. Von den elf Mitgliedern des Hauptausschusses (§ 14 Abs. 1 leg. cit.) waren sieben anwesend und vier entschuldigt. Wohl enthält § 14 leg. cit. kein Beschlußquorum für die Sitzungen des Hauptausschusses, doch gelten gemäß Abs. 54 der Geschäftsordnung der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark (GeoLK) für die Geschäftsführung des Hauptausschusses die für die Vollversammlung geltenden Bestimmungen, also insbesondere § 11, wonach zu gültigen Beschlüssen der Vollversammlung die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder erforderlich ist.

Der somit rechtswirksame Beschluß des Hauptausschusses konnte im Wege eines sogenannten Intimationsbescheides gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen werden (vgl. die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, Nr. 52-61 zu § 62 AVG 1950 genannten Entscheidungen), zumal im Bescheid die entscheidende Behörde - der Hauptausschuß der oben erwähnten Landeskammer - ausdrücklich erwähnt wird.

Zur Frage der Befugnis des Tierzuchtdirektors zur Fertigung des Intimationsbescheides kann allgemein auf das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1988, Zl. 88/18/0015 (teilweise veröffentlicht in ZVR 1989/1) hingewiesen werden; im vorliegenden Fall besteht an der Befugnis des Tierzuchtdirektors, Bescheide im Auftrag der zuständigen Organe der Landeskammer zu fertigen, auf Grund des erwähnten Schreibens der Landeskammer in Verbindung mit Abs. 91, Satz 2 GeoLK kein Zweifel.

Daraus ergibt sich, daß gegenüber dem Beschwerdeführer ein rechtswirksamer Bescheid des Organes Hauptausschuß der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark ergangen ist, weshalb die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung zu Unrecht erfolgte.

Dieser Teil des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Hatte aber, wie oben dargetan, die genannte Landeskammer über den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. September 1988 entschieden, und zwar innerhalb der Frist des § 73 AVG 1950, so war eine Entscheidung der Oberbehörde im Devolutionsweg über denselben Antrag aus dem Grunde ihrer Unzuständigkeit unzulässig, weshalb Punkt II. des Bescheidspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher und der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989180097.X00

Im RIS seit

19.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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