TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/19 89/15/0033

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Veröffentlicht am 19.03.1990
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BAO §289 Abs1;
BAO §289 Abs2;
GebG 1957 §14 TP6 Abs1;
GebG 1957 §14 TP6;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1991, 337;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Egger, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Jänner 1989, Zl. GA 11 - 2280/88, betreffend Stempelgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Verfahren über den Antrag der Z-GmbH auf Registrierung der Marke "P" (Am nn1/87) hielt das Österreichische Patentamt (Rechtsabteilung) der Anmelderin mit Amtsschreiben vom 22. September 1987 unter Fristsetzung zur Äußerung vor, daß es sich um einen der Unterscheidungskraft entbehrenden Slogan handle. Dagegen nahm die durch den Beschwerdeführer anwaltlich vertretene Anmelderin mit dem am 20. Jänner 1988 beim Österreichischen Patentamt überreichten Schriftsatz vom 19. Jänner 1988 Stellung. Darin legte sie detailliert dar, daß im Hinblick auf die Unterscheidungskraft der von ihr angemeldeten Marke die Voraussetzungen für deren Registrierung vorlägen. Sie erklärte, die Anmeldung der Marke aufrechtzuerhalten.

Das Finanzamt setzte gegenüber dem Beschwerdeführer für die "Äußerung vom 22. September 1987, betreffend Bescheid Firma Z-GmbH, eingebracht beim Österreichischen Patentamt Zl. Am nn1/87 eine Gebühr von S 120,-- gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 und eine Gebührenerhöhung von S 60,-- gemäß § 9 Abs. 1 GebG 1957 fest.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, es bestehe keine Gebührenpflicht für Eingaben, die auf amtliche Anforderung erfolgten und sich auf die Beantwortung der gestellten Fragen beschränkten. Der Beschwerdeführer habe überdies keine Äußerung vom 22. September 1987, auf die sich der Bescheid beziehe, verfaßt; seine von anderen Tagen stammenden Äußerungen enthielten kein Begehren, das die Gebührenpflicht auslösen könnte.

Mit der der Berufung - dem Wortlaut des Spruches nach - "teilweise stattgebenden" Berufungsvorentscheidung sprach das Finanzamt aus, der Betrefftext des angefochtenen Bescheides werde abgeändert und laute richtig wie folgt: "Betrifft:

Äußerung vom 19. Jänner 1988 auf den Bescheid vom 22. September 1987, betreffend Firma Z-GmbH, eingebracht beim Österreichischen Patentamt zur Zl. Am nn1/87 am 20. Jänner 1988"; "im übrigen" wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt führte begründend aus, daß der auf Grund eines Schreibfehlers im Zusammenhang mit dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage ausgedruckte Fehler im Betrefftext zu berichtigen gewesen sei. Auf die vorliegende Eingabe träfen alle Voraussetzungen der Gebührenpflicht zu.

Im Antrag auf Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz machte der Beschwerdeführer geltend, das Finanzamt habe nicht einen Schreib- oder Rechenfehler oder eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit berichtigt, sondern eine unzulässige meritorische Änderung des Spruches vorgenommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, wobei sie gleichzeitig aussprach, daß die im Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz unter "Betrifft" angeführte Sachverhaltsdarstellung abgeändert werde wie folgt: "Betrifft: Äußerung vom 19. Jänner 1988 auf den Bescheid vom 22. September 1987, betreffend Firma Z-GmbH, eingelangt beim Österreichischen Patentamt zu Zl. Am nn1/87 am 20. Jänner 1988". Begründend führte sie aus, die Rechtsmittelbehörde sei gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt, das im Spruch des angefochtenen Bescheides irrtümlich falsch wiedergegebene Datum der Äußerung, die Gegenstand der Gebührenpflicht sei, abzuändern, und eine Sachentscheidung zu treffen. Die Äußerung des Beschwerdeführers habe sich nicht auf die Beantwortung der von der Behörde gestellten Fragen beschränkt, sondern die Erklärung enthalten, die Anmeldung der Marke aufrechtzuerhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 289 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Nach § 289 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Das Gebot, immer in der Sache selbst zu entscheiden, setzt voraus, daß die zu erledigende "Sache", also die Angelegenheit, die Gegenstand des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz war, mit der "Sache" identisch ist, die in die Sachentscheidung der Rechtsmittelbehörde einbezogen wird. "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid - im Ergebnis erstmals - erlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1989, Zl. 88/13/0205; Stoll, BAO - Handbuch 686). Die aus § 289 Abs. 2 BAO sich ergebende Abänderungsbefugnis findet somit dort ihre Grenze, wo ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1969, Zl. 383/68).

Ein Verstoß gegen diese Grundsätze läge hier nur dann vor, wenn die belangte Behörde bei der Erlassung ihres Bescheides einen vom Gegenstand der Gebührenfestsetzung der ersten Instanz verschiedenen Sachverhalt herangezogen hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Bei der Abänderung der Bezeichnung der schon von der Abgabenbehörde erster Instanz der Gebühr unterzogenen Schrift von "Äußerung vom 22. September 1987" auf (sinngemäß) "Äußerung vom 19. Jänner 1988 auf den Vorhalt vom 22. September 1987" durch die Rechtsmittelbehörde handelt es sich um eine bloße Richtigstellung der Bezeichnung bei Aufrechterhaltung der Identität des Sachverhaltes. Zu dieser Vorgangsweise war die Rechtsmittelbehörde im Rahmen der ihr durch § 289 Abs. 2 BAO eingeräumten Abänderungsbefugnis berechtigt. Eine Überschreitung ihrer Zuständigkeit liegt somit nicht vor.

Die belangte Behörde hat auch die Gebührenpflicht der vorliegenden Eingabe zu Recht bejaht.

Gemäß § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 unterliegen Eingaben von Privatpersonen (natürlichen und juristischen Personen) an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen der Einschreiter betreffen, einer festen Gebühr von S 120,--. Zur Entrichtung der Stempelgebühr ist gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 GebG 1957 derjenige verpflichtet, in dessen Interesse die Eingabe eingebracht wird. Gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift schuldet die Stempelgebühren zur ungeteilten Hand, wer im Namen eines anderen eine Eingabe überreicht.

Eine Eingabe im Sinne des § 14 TP 6 Abs. 1 GebG 1957 ist nach der oben wiedergegebenen Begriffsbestimmung des Gesetzes somit ein schriftliches Anbringen, wodurch ein bestimmtes Verhalten einer Privatperson zur amtlichen Kenntnis gebracht oder im Interesse einer Privatperson eine Anordnung oder Verfügung der Behörde innerhalb ihres gesetzlichen Wirkungskreises veranlaßt werden soll. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen bestreitet der Beschwerdeführer gar nicht; er vertritt vielmehr die Auffassung, die vorliegende Äußerung unterliege nicht der Gebührenpflicht, weil er lediglich erklärt habe, die Anmeldung der Marke aufrechtzuerhalten, ohne seinen Antrag zu wiederholen, einzuschränken, zu erweitern oder abzuändern. Damit verkennt der Beschwerdeführer, daß eine Eingabe zwar auch einen Antrag enthalten kann; das Fehlen eines Antrages nimmt aber einer Schrift - bei Zutreffen der oben dargelegten Voraussetzungen - nicht die Eigenschaft einer Eingabe im Sinne des § 14 TP 6 GebG 1957 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Dezember 1976, Slg. 5051/F, und vom 26. April 1977, Slg. 5122/F).

Eingaben, mit denen - wie im vorliegenden Fall - eine Partei von der ihr von der Behörde eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme zum bisherigen Verfahrensergebnis, zur Rechtsanschauung der Behörde udgl. Gebrauch macht und der Behörde den Standpunkt der Partei zur Kenntnis bringt, unterliegen somit auch dann der Eingabengebühr, wenn sie keinen (weiteren) Antrag enthalten (vgl. Frotz - Hügel - Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, § 14 TP 6 B I 5 e).

Gegen die auf Grund der zwingenden Vorschrift des § 9 Abs. 1 GebG 1957 festgesetzte Gebührenerhöhung trägt der Beschwerdeführer nichts vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989150033.X00

Im RIS seit

24.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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