TE Vfgh Erkenntnis 1987/9/24 B825/86

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Veröffentlicht am 24.09.1987
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art5 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita

Leitsatz

Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu Grunderwerb durch ausländischen Staatsangehörigen gem. §4 Abs2 lita Tir. GVG 1983; keine Verletzung im Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit; aus Art18 B-VG erfließt kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht; die Frage drohender Überfremdung iSd §4 Abs2 lita ist nicht nur danach zu beurteilen, ob die Zahl ausländischer Grundbesitzer vermehrt wird, sondern auch danach, ob ausländischer Grundsatz durch einen Rechtserwerb vergrößert wird; vertretbare Annahme drohender Überfremdung der Gemeinde Ehrwald; keine Verletzung im Eigentumsrecht

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 17. Juni 1985 erwarb Dipl.Ing. G L, ein deutscher Staatsangehöriger, von K W, Landwirt, eine Teilfläche im Ausmaß von 174 m2 der Gp. ... in EZ 618 II KG Ehrwald.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Ehrwald vom 19. August 1985 wurde diesem Rechtserwerb gemäß §3 Abs1 lita des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69 (künftig: GVG), die Zustimmung erteilt.

2.2. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 20. Mai 1986, Z LGv-1324/5-85, Folge gegeben und dem in Frage stehenden Rechtserwerb gemäß §4 Abs2 lita GVG die Zustimmung versagt.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"... Im Sinne des §4 Abs2 lita GVG hat die Behörde

... zu überprüfen, ob der Gemeinde Ehrwald der Eintritt einer Überfremdung droht. In diesem Zusammenhang kann auf zahlreiche Entscheidungen der Grundverkehrsbehörden beider Instanzen seit dem Jahre 1966 - Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ausländerbestimmungen des Grundverkehrsgesetzes - verwiesen werden, in denen immer wieder zum Ausdruck gebracht worden ist, daß die Gemeinde Ehrwald zu jenen Gemeinden Tirols zählt, die von einer Überfremdungsgefahr bedroht sind. Weist doch der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Ehrwald eine Größenordnung von mehr als 11 % auf und überschreitet das Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes die 50 ha-Grenze (!), sodaß schon im Hinblick auf diese (absoluten) Zahlenwerte die Gefahr einer Überfremdung für die Gemeinde Ehrwald als gegeben erachtet werden muß. Wenn man nämlich bedenkt, daß die Gemeinde Ehrwald lediglich 610 ha intensiv genutzte Fläche aufweist (vergl. auch Widmoser, Tiroler A - Z) und der ausländische Grundbesitz vornehmlich solche Flächen umfaßt, so macht dieser ausländische Grundbesitz bereits mehr als 8 % aus und steht damit (weit) über dem Landesdurchschnitt von rund 1,7 %. Im übrigen ist aber auch festzuhalten, daß die Zustimmung zum Grunderwerb durch Ausländer nicht erst dann zu versagen ist, wenn dadurch die Überfremdung der Gemeinde eintritt, sondern gemäß der eindeutigen Textierung des §4 Abs2 lita dem ausländischen Grunderwerb schon dann nicht zuzustimmen ist, wenn der Gemeinde die Gefahr des Eintrittes einer Überfremdung droht. ... Das

gegenständliche Verfahren ist ... auch vor dem Hintergrund der Folgewirkungen, die eine Genehmigung mit sich brächte, für die Intentionen des Grundverkehrsgesetzes gemäß §4 Abs2 GVG von Bedeutung und kommt der Entscheidung auch generalpräventiver Charakter zu. ..."

3.1. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde an den VfGH, in der eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte "im Sinne des Art149/1 Bundesverfassungsgesetz in Verbindung mit Art6 des Staatsgrundgesetzes vom 21.12.1867, RGBl. Nr. 142 (Freiheit des Liegenschaftserwerbers) und Art18 BVG (Denkunmöglichkeit der Entscheidung)" geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Die Beschwerde meint, der angefochtene Bescheid verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit, weil es sich bei dem in Frage stehenden Grundstück um ein kleines Trennstück von 174 m2 handle, welches im Anschluß an ein Grundstück, das der Bf. bereits seit längerer Zeit besitze und auf dem er ein Gebäude errichtet habe, erworben werden sollte. Durch den Grunderwerb trete somit eine weitere Überfremdung nicht ein, weil der Bf. ja bereits ein Grundstück in der selben Gemeinde besitze, auf dem ein Wohnobjekt errichtet sei. Eine Auslegung, wie sie dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liege, beruhe auf einer mißbräuchlichen Anwendung des GVG; sie sei aber auch denkunmöglich. Da der Bf. bereits ein Grundstück samt Wohnhaus besitze, könne §4 Abs2 GVG für eine Versagung der Zustimmung zum vorliegenden Rechtserwerb nicht mehr herangezogen werden, zumal die kleine Kauffläche nur eine Art Arrondierung darstelle und dazu diene, die gesetzlichen Gebäudeabstände zu ermöglichen.

4.2.1. Das durch Art6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art6 gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986).

Dies liegt offensichtlich nicht vor; daß die Genehmigung versagt würde, um einen Landwirt beim Erwerb des Grundstückes zu bevorzugen, wird auch vom Bf. gar nicht behauptet.

4.2.2. Mit der Behauptung einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes wird vom Bf. der Sache nach aber auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht (mit Art18 B-VG hat dies nichts zu tun, aus dieser Verfassungsbestimmung erfließt nach ständiger Rechtsprechung des VfGH kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht).

Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf §4 Abs2 lita GVG. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung werden nicht geltend gemacht, auch der VfGH hegt solche nicht (vgl. zB VfSlg. 6546/1971, 8436/1978, 8501/1979). Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung vorliegen. Dies behauptet der Bf. wohl, jedoch zu Unrecht. Der bel. Beh. ist beizupflichten, daß die Frage einer drohenden Überfremdung im Sinne des §4 Abs2 lita GVG nicht nur danach zu beurteilen ist, ob die Zahl ausländischer Grundbesitzer durch einen beabsichtigten Rechtserwerb vermehrt wird, sondern auch danach, ob ausländischer Grundbesitz durch einen Rechtserwerb vergrößert wird. Dies ist im vorliegenden Fall offenkundig zu bejahen. Der VfGH erachtet die an das - auch von den Bf. unbestrittene Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes in Ehrwald (8 % gegenüber rund 1,7 % im Landesdurchschnitt) anknüpfenden Überlegungen für vertretbar und hält sie, selbst im Hinblick auf die beabsichtigte Abrundung des bereits bestehenden Grundbesitzes des Bf., keineswegs für denkunmöglich. Was die gesetzlichen Gebäudeabstände betrifft, verweist die bel. Beh. zu Recht darauf, daß die in Frage stehenden Objekte ja bereits errichtet und - wie anzunehmen ist - genehmigt sind.

Auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

4.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ausländergrunderwerbsrecht, Interessen, Überfremdung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B825.1986

Dokumentnummer

JFT_10129076_86B00825_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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