TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/21 89/01/0057

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Veröffentlicht am 21.03.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

AVG §59 Abs1;
StbG 1985 §12 litb;
StbG 1985 §34 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Juli 1988, Zl. I/3-S-3776/1-88, betreffend Entziehung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.230,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem am 8. Mai 1921 in A geborenen Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG).

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß sie dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 27. Mai 1986 gemäß § 12 lit. b StbG die österreichische Staatsbürgerschaft mit Wirkung vom 28. Mai 1986 unter der Auflage verliehen habe, daß er binnen zwei Jahren den Nachweis des Ausscheidens aus seinem bisherigen Staatsverband (dem der Vereinigten Staaten von Amerika) erbringe, ansonsten ihm die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 leg. cit. wieder entzogen werden müßte.

Die belangte Behörde führte aus, der Beschwerdeführer habe bisher auf seine "amerikanische" Staatsbürgerschaft nicht verzichtet, obwohl er anläßlich der Ausfolgung des Verleihungsbescheides zur Kenntnis genommen habe, daß er dies zu tun habe.

Kurz vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist habe die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt dem Beschwerdeführer den § 34 StbG in Erinnerung gerufen, worauf der Beschwerdeführer den Antrag um Gewährung einer Doppelstaatsbürgerschaft gestellt habe. Es sei ihm daraufhin mit Schreiben vom 26. April 1988 mitgeteilt worden, daß er seine bisherige amerikanische Staatsbürgerschaft auf Grund der zwingenden gesetzlichen Vorschriften nicht beibehalten könne, wobei ihm erneut § 34 StbG vor Augen geführt worden sei.

Nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers, bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 13. Mai 1988 und in seinem Schreiben vom 22. Mai 1988, wonach ihm die geforderte Zurücklegung der amerikanischen Staatsbürgerschaft nicht zumutbar sei, weil er mit großen finanziellen Einbußen zu rechnen habe und seinen Söhnen bei deren beruflicher Laufbahn wesentlich schaden würde, verwies die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer letztmalig mit Schreiben vom 1. Juni 1988 aufgefordert worden sei, seine bisherige Staatsbürgerschaft zurückzulegen. Der Beschwerdeführer habe dazu nur erneut vorgebracht, das Ausscheiden aus dem amerikanischen Staatsverband sei ihm wegen der bereits genannten Gründe unzumutbar. Der Beschwerdeführer habe daher aus Gründen, die er selbst zu vertreten habe, eine fremde Staatsbürgerschaft beibehalten, weshalb ihm die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 StbG entzogen habe werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Beschwerdeinhalt erkennbar - in seinem Recht, daß ihm die österreichische Staatsbürgerschaft nicht entzogen wird, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 StbG lautet:

"(1) Einem Staatsbürger ist die Staatsbürgerschaft ferner zu entziehen wenn

1. er sie vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder durch die Erstreckung der Verleihung nach diesem Bundesgesetz erworben hat,

2. hiebei weder § 10 Abs. 4 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 angewendet worden sind,

3. er am Tag der Verleihung (Erstreckung der Verleihung) kein Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gewesen ist und

4. er trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat.

(2) Der betroffende Staatsbürger ist mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 zu belehren.

(3) Die Entziehung ist nach Ablauf der im Abs. 1 Z. 1 genannten Frist ohne unnötigen Aufschub schriftlich zu verfügen. Nach Ablauf von sechs Jahren nach der Verleihung (Erstreckung der Verleihung) ist die Entziehung nicht mehr zulässig.

Gemäß § 12 lit. b leg. cit. ist einem Fremden unter den Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er durch mindestens zehn Jahre ununterbrochen die Staatsbürgerschaft besessen, diese auf andere Weise als durch Entziehung (§§ 33 oder 34) oder Verzicht (§ 37) verloren hat, seither Fremder ist und mindestens ein Jahr ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkte der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

Gemäß § 60 leg. cit. sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer irrt, wenn er meint, er könne für den von ihm angestrebten Beschwerdeerfolg etwas daraus gewinnen, daß die ihm mit Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft erteilte "Auflage" gesetzlich nicht vorgesehen sei. Zwar enthält § 12 lit. b StbG, auf dessen Grundlage dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 28. Mai 1986 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist, in der Tat keine Regelung über die Erteilung einer Auflage, jedoch liegt ungeachtet der von der belangten Behörde in Punkt V des von ihr verwendeten Formblattes gewählten Diktion in Wahrheit gar keine Auflage vor. Eine solche müßte nämlich nach herrschender Auffassung Bestandteil des Spruches des Bescheides sein und dürfte nur insoweit vorgeschrieben werden, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen oder mit dem Sinn der zu treffenden Hauptentscheidung in untrennbarer Weise verbunden ist oder dem Antrag der Partei entspricht (vgl. Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3 273 und die dort zitierte hg. Judikatur). Die dem Beschwerdeführer erteilte "Auflage" stellt sich vielmehr lediglich als die gemäß § 34 Abs. 2 StbG zwingend zu erteilende Rechtsbelehrung dar, wodurch die belangte Behörde seinerzeit in keiner Weise, auf den jetzt angefochtenen Bescheid bezogen, rechtswidrig gehandelt hat.

Auch das zweite Beschwerdeargument, der Beschwerdeführer sei entgegen § 34 Abs. 2 StbG nicht mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft belehrt worden, muß daher versagen, weil eben bereits die gerade behandelte "Auflage" vom 27. Mai 1986 diese Belehrung darstellt (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1973, Zl. B 113/73 Slg. 7161).

Mit den weiteren Argumenten, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, der Beschwerdeführer hätte aus Gründen, die er zu vertreten habe, die fremde Staatsbürgerschaft beibehalten, ist der Beschwerdeführer im Ergebnis aber im Recht.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren (insbesondere in seiner Eingabe vom 22. Mai 1988) insgesamt drei Umstände ins Treffen geführt, die ihm seiner Auffassung nach die geforderte Zurücklegung der Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten unzumutbar machen, sodaß er deren Beibehaltung nicht zu vertreten habe. Im einzelnen handelt es sich dabei um folgendes:

Zum einen könnten für seinen Sohn B, der zur Zeit Captain der US-Army sei und der vor der Beförderung zum Major stünde, wegen der Zurücklegung der Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer Schwierigkeiten entstehen.

Zum anderen strebe der zweite Sohn des Beschwerdeführers, C nach Absolvierung eines Studiums der Staatswissenschaft (Political Science) den Eintritt in den diplomatischen Dienst an und könnte sich auch für ihn der Umstand, daß sein Vater die US-Staatsbürgerschaft zurücklege, nachteilig auswirken.

Schließlich würde der Beschwerdeführer bei Rücklegung seiner Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten von Amerika eine große finanzielle Einbuße erleiden, weil er bei einem geplanten Verkauf seines Hauses eine wesentliche Steuerbegünstigung verlöre.

Mit all diesen Argumenten des Beschwerdeführers, die keineswegs ohne weiteres von der Hand zu weisen sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. November 1971, Zl. 818/71), hat sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit keinem Wort näher auseinander gesetzt und überdies auch nicht dargetan, warum sie entgegen der dem Beschwerdeführer noch mit Schreiben vom 1. Juni 1988 für die Zurücklegung der US-Staatsbürgerschaft gesetzten Frist von sechs Monaten bereits am 14. Juli 1988 mit dem Entzug der österreichischen Staatsbürgerschaft vorgegangen ist.

Das Fehlen der diesbezüglichen Begründungselemente (woran auch der Umstand nichts ändert, daß die belangte Behörde - im übrigen inhaltlich unzureichend - versuchte, in ihrer Gegenschrift eine Begründung nachzuliefern; vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 533 vorletzter Absatz) verhindert im vorliegenden Fall die Nachprüfung des angefochtenen Bescheides betreffend seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit. Die belangte Behörde hat dadurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, bei deren Beachtung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG; vgl. dazu die bei Dolp a.a.O. 578 Abs. 2 referierte hg. Judikatur).

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den vom Beschwerdeführer (offensichtlich nach dem Rechtsanwaltstarif) begehrten Einheitssatz und die Umsatzsteuer. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann nur der gesetzlich vorgesehene pauschalierte Schriftsatzaufwand zuerkannt werden (vgl. Dolp a.a.O. 687 Abs. 3 und 4).

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung Begründung Begründungsmangel Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010057.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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