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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hadaier, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. August 1989, Zl. 238.551/2-II/9/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge reiste der Beschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, am 14. März 1988 in das Bundesgebiet ein und suchte am 18. März 1988 um Asyl an. Bei der niederschriftlichen Befragung am 24. März 1988 führte er aus, er sei in Polen nie Mitglied der kommunistischen Partei gewesen und sei weder aus religiösen noch aus politischen Gründen verfolgt worden. Mit den bestehenden politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen in seinem Heimatstaat sei er unzufrieden. Sein Wunsch sei es, sich "im Westen" eine neue Existenz aufzubauen.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 31. Mai 1988 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe sein Heimatland aus schwerwiegenden politischen Gründen verlassen.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab. In der Begründung dieses Bescheides führte sie im wesentlichen aus, angesichts der gegenwärtigen in Polen herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln; hingegen müsse dem damit in Widerspruch stehenden Vorbringen in der Berufung die Glaubwürdigkeit versagt bleiben. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich vor seiner Ausreise irgendeiner Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre, hätte er dies bereits bei seiner erstinstanzlichen Befragung vorgebracht, zumal einerseits dieser Befragung ein Dolmetscher beigezogen gewesen sei, sodaß Mißverständnisse auszuschließen seien, und andererseits gezielt nach Indizien einer Verfolgung gefragt worden sei.
Erfahrungsgemäß machten nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kämen. Die Berufungsangaben erschienen daher nicht glaubwürdig. Es sei dem Beschwerdeführer auch nicht möglich gewesen, seine pauschalen Berufungsbehauptungen zu konkretisieren oder durch Beweismittel zu untermauern. Eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn der Asylwerber das politische System in seinem Heimatland ablehne, jedoch konkret keinen Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei. Da das durchgeführte Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Behörden seines Heimatstaates ergeben habe, sei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht statthaft.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Verletzung von
Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf
Feststellung, daß er nach dem Asylgesetz Flüchtling im Sinne
der Flüchtlingskonvention sei, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A dieser Konvention ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer bringt in der vorliegenden Beschwerde zunächst vor, im Verwaltungsverfahren seien ihm nicht sämtliche Gründe, aus denen der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen sei, vorgehalten worden. Sein Berufungsvorbringen sei unbeachtet geblieben.
Dem ist entgegenzuhalten, daß im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskritierium herangezogen werden muß und die Verwaltungsbehörden nicht verhalten sind, dem Beschwerdeführer Unterweisungen zu erteilen, wie er sein Vorbringen zu gestalten habe, damit seinem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. Verwaltungsgerichtshoferkenntnisse vom 11. April 1984, Zl. 83/01/0312, vom 26. Juni 1985, Zl. 85/01/0042 und vom 26. Februar 1986, Zl. 84/01/0267). Die Verwaltungsbehörden waren aber auch nicht verhalten, Anfragen an jene staatlichen Stellen des Heimatlandes zu richten, dessen Schutz der Asylwerber gerade nicht in Anspruch nehmen will, weil dies aus naheliegenden Gründen des Schutzes der Person des Asylwerbers nicht zweckmäßig und zielführend ist. Im übrigen hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, schriftlich und im Verfahren vor der belangten Behörde all das vorzubringen, was seiner Auffassung nach für den maßgeblichen Sachverhalt von Bedeutung gewesen wäre. Entgegen der Beschwerdebehauptung ist die belangte Behörde auf das allgemein gehaltene Berufungsvorbringen eingegangen, indem sie es im Rahmen der Beweiswürdigung als unglaubwürdig erachtete und als nicht konkretisiert bezeichnete.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz sei der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in einem Feststellungsverfahren nach § 2 vor Erlassung des Feststellungsbescheides anzuhören. Diese Anhörung sei unterblieben. Die Anhörung eines Vertreters des Hochkommissärs - wie in § 9 Abs. 2 normiert - sei nicht hinlänglich.
Gemäß § 9 Abs. 1 Asylgesetz hat der Landeshauptmann dem Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge von der Einleitung eines Feststellungsverfahrens nach den §§ 2, 3 und 4 unverzüglich Mitteilung zu machen. Gemäß § 9 Abs. 3 leg. cit. kommt Parteistellung in einem Feststellungsverfahren nach den §§ 2, 3 und 4 dem Hochkommissär der Vereinten Nationen nicht zu, doch ist er vor der Erlassung des Feststellungsbescheides anzuhören.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können in einem Asylverfahren auch Mitglieder des Büros des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge im Verfahren gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz für den Hochkommissär tätig werden. Selbst für den Fall des Zutreffens der Behauptung des Beschwerdeführers, der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge sei im Verwaltungsverfahren nicht angehört worden, kann die Unterlassung der Anhörung dieses Organs einen Verfahrensmangel nicht begründen. Die Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge erfolgt lediglich in Erfüllung der gemäß Art. 35 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 eingegangenen Verpflichtung über die Zusammenarbeit mit dem Amt des Hochkommissärs, welche im § 9 Abs. 3 Asylgesetz ihre Konkretisierung für den innerstaatlichen Rechtsbereich erfahren hat. Auf die Einhaltung dieser Gesetzesbestimmung bzw. auf eine diesbezügliche Information durch die Behörde steht aber den Parteien des Verfahrens zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft kein Rechtsanspruch zu (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 1986, Slg. N.F. Nr. 12285/A und vom 1. Februar 1989, Zl. 89/01/0021).
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990010035.X00Im RIS seit
21.03.1990