TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/22 90/06/0031

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Veröffentlicht am 22.03.1990
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BauO Tir 1989 §1 Abs3 litf;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Stadtgemeinde Wörgl gegen Tiroler Landesregierung vom 9. Jänner 1990, Zl. Ve-550-1551/3 betreffend die Einstellung von Baumaßnahmen (mitbeteiligte Parteien: 1) NGmbH & Co KG und

2) O BauGmbH)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom 30. März 1989 wurde u. a. den mitbeteiligten Parteien die Fortsetzung der Bauarbeiten - nämlich ein Fundamentaushub im Ausmaß von ca. 1,50 x 1,50 m und die Errichtung einer Fundamentplatte mit aufgesetzter Schalung für einen Sickerschacht der geplanten Mülldeponie "X" in der Schottergrube V auf "Gp. nnn KG Wörgl" - gemäß § 40 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung (TBO) mit der Begründung untersagt, daß eine baubehördliche Bewilligung fehle.

Der Stadtrat wies mit Bescheid vom 18. Mai 1989 die dagegen von den mitbeteiligten Parteien erhobene Berufung mit der Begründung ab, es liege eine gemäß § 25 lit. e TBO baubewilligungspflichtige Anlage vor und es sei die notwendige Flächenwidmung nicht gegeben.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juni 1989 wurde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben und ausgeführt, es komme der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 lit. f TBO zum Tragen, weshalb keine Zuständigkeit der Baubehörde vorliege.

Im fortgesetzten Verfahren wies der Stadtrat der beschwerdeführenden Gemeinde mit Bescheid vom 30. November 1989 abermals die Berufung der mitbeteiligten Parteien ab. In der Begründung wurde ausgeführt, das Grundstück Nr. nnn, auf der die Baumaßnahmen gesetzt worden seien, sei nicht Bestandteil des Wasserrechtsbescheides und somit nicht von der wasserrechtlichen Genehmigung erfaßt. Zudem sei bei Erteilung dieser Bewilligung auf den Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes nicht Bedacht genommen worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Jänner 1990 wurde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge gegeben, der angefochtene Bescheid infolge Verletzung von Rechten der Einschreiter behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin verwiesen. In der Begründung heißt es nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, im schon erwähnten aufsichtsbehördlichen Bescheid der belangten Behörde vom 29. Juni 1989 sei nach Zitierung des § 1 Abs. 3 lit. f TBO u. a. wörtlich ausgeführt worden:

"Im gegenständlichen Fall ist daher zu prüfen, ob die geplante Anlage einer weiteren Bewilligungspflicht unterliegt und ob bejahendenfalls in einem derartigen Verfahren die in obzitierter Gesetzesstelle genannten öffentlichen Interessen berücksichtigt werden. Die eingestellten Baumaßnahmen betreffen einen Sickerschacht der geplanten und bereits rechtskräftig genehmigten Mülldeponie 'X'. Von der zuständigen Wasserrechtsabteilung wurde hiezu mitgeteilt, daß die Gp. nnn KG. Wörgl durch die Mülldeponie nicht berührt werde. Falls der Sickerschacht ein Teil der Sickerwasserbeseitigungsanlage sei, gehöre er untrennbar zur wasserrechtlich bewilligten Gesamtanlage. Falls es sich jedoch um einen zusätzlichen Sickerschacht zur Versickerung von Wässern handeln würde, wäre er ebenfalls wasserrechtlich bewilligungspflichtig, da die Versickerung von Wässern einen wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Tatbestand darstelle.

Es besteht daher kein Zweifel darüber, daß die von der Gemeinde Wörgl eingestellten Baumaßnahmen einer wasserrechtlichen Bewilligungspflicht unterliegen. Da die Anlagen keine Gebäude darstellen und bei der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und die Sicherheit von Sachen sowie auf den Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes Bedacht zu nehmen ist, kommt der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 lit. f TBO zum Tragen und ist daher eine Zuständigkeit der Baubehörde nicht gegeben."

Diese Ausführungen seien die die Aufhebung tragenden Gründe des Bescheides vom 29. Juni 1989. Es sei Bindungswirkung eingetreten. Diese Bindung erstrecke sich auch auf die Aufsichtsbehörde selbst und sei die belangte Behörde daher nicht berechtigt, von dieser Rechtsmeinung abzugehen. Die belangte Behörde sehe jedoch auch unter Berücksichtigung der Argumentation der Gemeindebehörde keine Veranlassung, von ihrer Rechtsansicht abzugehen. Es folgen ergänzende rechtliche Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, die Meinung der belangten Behörde, daß ein Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs. 3 lit. f TBO vorliege, treffe nicht zu.

Gemäß § 1 Abs. 3 lit. f TBO, LGBl. Nr. 33/1989, gilt dieses Gesetz nicht für bauliche Anlagen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften einer Bewilligung bedürfen, wenn bei der Erteilung dieser Bewilligung auf den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und die Sicherheit von Sachen sowie auf den Schutz des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes Bedacht zu nehmen ist; dies gilt nicht für Gebäude.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Gemeinde, aber auch die anderen Parteien des Verfahrens, und in der Folge auch die Aufsichtsbehörde selbst und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an die die Aufhebung tragenden Gründe eines aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden, gleichbleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 86/05/0177). Das gilt selbst dann, wenn die dem aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheid zugrunde liegende und überbundene Rechtsauffassung mit der objektiven Rechtslage im Widerspruch steht (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1988, Zl. 88/05/0002, BauSlg. Nr. 1118). Tragende Begründung des die Entscheidung des Stadtrates der Beschwerdeführerin vom 18. Mai 1989 aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 29. Juni 1989 war, daß die Baumaßnahmen, die Gegenstand der Baueinstellung waren, unter den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 lit. f TBO fallen, weshalb keine Zuständigkeit der Baubehörde vorliege. Die Beschwerdeführerin hätte daher, wenn sie die Rechtsansicht der belangten Behörde nicht teilte, diesen aufsichtsbehördlichen Bescheid vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts bekämpfen müssen. Das hat sie aber nach ihrem eigenen Vorbringen nicht getan. Daß sich seit Erlassung des Bescheides vom 29. Juni 1989 die Sach- oder Rechtslage geändert hat, wird selbst in der Beschwerde nicht behauptet. Mit Recht hat daher die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 29. Juni 1989 verwiesen. Ob die von der belangten Behörde im Bescheid vom 29. Juni 1989 geäußerte Rechtsansicht mit der objektiven Rechtslage im Einklang steht, hat bei dieser Situation unerörtert zu bleiben (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1983, Zl. 82/05/0107), sodaß sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen, mit dem die Rechtsansicht der belangten Behörde als unzutreffend bekämpft wird, erübrigt.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990060031.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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