Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
NO-KG gegen Tiroler Landesregierung vom 29. Dezember 1989, Zl. Ve-551-416/15 betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung der Vollstreckungskosten
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus dem Vorbringen der Beschwerde im Zusammenhalt mit dem in einer Ausfertigung vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 26. Jänner 1984 wurde der Beschwerdeführerin der baubehördliche Auftrag erteilt, innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Rechtskraft schadhafte Gebäudeteile des Hauses XY-Straße nn zu sanieren, die Risse zu beseitigen und die Standsicherheit des Gebäudes, insbesondere für Erdbebenbeanspruchungen, wiederherstellen zu lassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Innsbruck vom 18. Dezember 1984 wurde der Beschwerdeführerin nahegelegt, bei sonstiger Androhung der Ersatzvornahme ihrer Sanierungspflicht binnen zwei Monaten nach Erhalt des Schreibens zu entsprechen. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Innsbruck vom 4. März 1986 wurde gemäß § 4 VVG 1950 die Ersatzvornahme angeordnet. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin berufen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Mai 1986 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die von der Beschwerdeführerin erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Zlen. 86/06/0205, AW 86/06/0061, als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 27. Juni 1988 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 2 VVG 1950 aufgetragen, als Vorauszahlung der Kosten für die mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 4. März 1986 angeordnete Ersatzvornahme den Betrag von S 5,250.000,-- netto binnen 14 Tagen ab Zustellung einzuzahlen. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, die Erstbehörde habe ihre Entscheidung auf das Gutachten des Dipl.-Ing. H. G. vom 24. März 1987 gestützt. Die Höhe der vorgeschriebenen Kosten sei darin aufgrund von Vergleichswerten ähnlicher Bauvorhaben errechnet. Die Angemessenheit des dort aufscheinenden Betrages sei von Dipl.-Ing. H. G., der mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 17. Oktober 1989 zum nichtamtlichen Sachverständigen bestellt worden sei, in nachvollziehbarer Weise mit Schreiben vom 18. Oktober 1989 und ergänzenden Gutachten vom 30. Oktober 1989 dargelegt worden. Insbesondere ergebe sich daraus, daß ein detaillierter Kostenvoranschlag der Baumeisterarbeiten im vorliegenden Fall nicht dazu dienen könne, eine größere Gewähr der Übereinstimmung der zu erwartenden und der tatsächlich auftretenden Kosten zu bieten. Im Gutachten sei weiters ausgeführt, wenn man beachte, daß sich im Schnitt bei den Baumeisterarbeiten die tatsächliche Abrechnungssumme in der Größenordnung von plus/minus 20 Prozent der durch die Ausschreibung ermittelten Summe ergebe, so könne dieselbe Genauigkeit durch die vorgenommene Mittelwertbildung der Kosten ähnlicher Bauvorhaben erreicht werden. Der Beschwerdeführerin sei zwar darin zuzustimmen, daß "eine Massenschätzung aufgrund der detaillierten Kostenvoranschläge oder Leistungsverzeichnisse doch etwas ganz anderes als eine überschlagsmäßige Schätzung der Gesamtkosten, die lediglich auf einer globalen statistischen Wahrheit beruhe" sei. Die Möglichkeit, durch diese "Andersartigkeit" eine höhere Genauigkeit der abzuschätzenden Kosten zu erreichen, sei jedoch, wie gezeigt, nicht gegeben. Es könne somit entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin die vom Sachverständigen vorgenommene Grobschätzung als Grundlage für den bekämpften Vorauszahlungsauftrag dienen. Eine detailliertere Kostenauflistung, die keine höhere Genauigkeit der abzuschätzenden Kosten gewähre, sei auch deswegen nicht erforderlich, weil dem bekämpften Vorauszahlungsauftrag notwendigerweise ein Abrechnungsbescheid nachfolge, und allenfalls zuviel bezahlte Beträge der Beschwerdeführerin zurückerstattet würden. Die Frage, ob die Beschwerdeführerin wirtschaftlich in der Lage sei, den genannten Betrag zu erlegen, sei im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Erlassung eines Vorauszahlungsauftrages gemäß § 4 Abs. 2 VVG 1950 die wirtschaftliche Lage des Verpflichteten nicht zu berücksichtigen, dies habe erst bei Vollstreckung des Vorauszahlungsauftrages zu geschehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Beschwerdeführerin führt aus, sie habe den Zivilingenieur für Hochbau Dipl.-Ing. H. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Es sei richtig, daß ihr die Berufungsbehörde Gelegenheit gegeben habe, zum Ergänzungsgutachten Stellung zu nehmen. Aus dieser Stellungnahme ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin das gegenständliche Ergänzungsgutachten für völlig unbrauchbar erachtete. Da nur eine Frist von drei Wochen eingeräumt worden sei, habe die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gehabt, ein weiteres Gutachten hinsichtlich der Kosten einzuholen. Überdies sei es die Beschwerdeführerin gewesen, die ja bereits das erste Privatgutachten eingeholt habe. Aufgabe der Behörde im Verfahren wäre es gewesen, ein weiteres Gutachten eines amtlichen Sachverständigen einzuholen. Bereits in der Stellungnahme vom 18. Dezember 1989 sei ausgeführt worden, daß das Gutachten im Auftrage der Beschwerdeführerin erstellt worden sei. Der Sachverständige habe das Gutachten in dieser ungefähren Form erstellt, weil er der Beschwerdeführerin Kosten sparen helfen wollte. Nicht gefolgt werden könne der Meinung des Sachverständigen, wenn er angebe, daß ein endgültiger Kostenvoranschlag für die Kosten der Arbeiten nicht erstellt werden könne. Üblicherweise würden für größere Bauvorhaben Kostenvoranschläge erstellt, die sehr wohl genaue Auflistungen und endgültige Abrechnungen enthielten. Es sei auch kritisiert worden, daß der Sachverständige als Vergleichswerte die Kosten für eine Generalsanierung von Altstadthäusern herangezogen habe, obwohl er selbst im Gutachten von einer Teilsanierung spreche. Ein Vergleich sei daher nicht möglich und unzulässig. Im § 2 Abs. 1 VVG sei das sogenannte Schonungsprinzip aufgestellt. Dieses Prinzip sei bei einem Kostenvorauszahlungsauftrag verletzt, wenn vom Verpflichteten ein größerer Kostenvorschuß verlangt werde, als dies zur Bestreitung der Kosten der Ersatzvornahme erforderlich sei. Aufgabe der Behörde wäre es also gewesen, durch Einholung zumindest eines weiteren Kostenvoranschlages, der entsprechend detailliert sei und einzelne Positionen berücksichtige, das voraussichtliche Mindestmaß des Vollstreckungsaufwandes festzustellen, um einen Vergleichswert zu erzielen. Der Beschwerdeführerin sei es nicht zumutbar, möglicherweise einige hunderttausend Schilling zuviel zu bezahlen, da dies den wirtschaftlichen Ruin der Firma bedeuten könnte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom 20. März 1972, Zl. 1812/71, und vom 30. Mai 1985, Zl. 82/06/0096, ausgesprochen, daß Ermittlungen zur Feststellung des Sachverhaltes bei einem Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs. 2 VVG 1950 nur insoweit erforderlich seien, als die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Wege der Schätzung festgestellt werden müssen. Nun liegt es aber geradezu im Wesen der Schätzung, daß die auf diese Weise ermittelte Größe das tatsächliche Erfordernis nur bis zu einem mehr oder weniger großen Genauigkeitsgrad erreichen kann. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, die Behörde habe das voraussichtliche Mindestmaß des Vollstreckungsaufwandes festzustellen, findet im Gesetz keine Deckung. Gemäß § 4 Abs. 2 VVG 1950 kann die Vollstreckungsbehörde dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß nur das voraussichtliche Mindestausmaß des Vollstreckungsaufwandes als Vorauszahlung aufgetragen werden könne, sondern eben der voraussichtlich erforderliche Betrag. Mit Erkenntnis vom 2. Mai 1956, Slg. N.F.Nr. 4057/A, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, daß vom Verpflichteten der Kostenvorschuß verlangt werden kann, der zur Bestreitung der Kosten der Ersatzvornahme erforderlich ist.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch beschwert, daß die belangte Behörde keinen Amtssachverständigen zur Ermittlung der Höhe der voraussichtlichen Kosten herangezogen habe, sondern den bereits von der Beschwerdeführerin beauftragten Gutachter Dipl.-Ing. H. G. zum nichtamtlichen Sachverständigen bestellte.
Gemäß § 52 Abs. 1 AVG 1950 sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die Behörde ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige heranziehen, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten erscheint. Eine Besonderheit des Falles, die die Heranziehung einer anderen Person als eines Amtssachverständigen geboten erscheinen läßt, kann im Beschwerdefall schon darin erblickt werden, daß die Beschwerdeführerin selbst einen Sachverständigen beauftragt hatte, der mit den Gegebenheiten des Falles schon vertraut war. Rein aus der Größenordnung der Höhe der zu erwartenden Kosten (über 5 Mio S) ist zu schließen, daß es sich um umfangreiche Sanierungsarbeiten und dementsprechend auch um weitwendige Ermittlungen handelt. Wenn die Behörde in diesem Zusammenhang unter Berücksichtigung der im § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG 1950 normierten Grundsätze des Verwaltungsverfahrens (möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis) den bereits mit der Sachlage vertrauten, von der Beschwerdeführerin selbst beauftragten Sachverständigen zum Sachverständigen bestellte, so kann darin keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin erblickt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Zl. 84/05/0035, ausgesprochen, daß es sich bei einem Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VVG 1950 um die Schaffung eines Exekutionstitels, nicht aber um die Vollstreckung eines solchen handelt; in diesem Fall sei die Gefährdung des Unterhaltes (noch) nicht zu prüfen. Die Frage der Gefährdung des notdürftigen Unterhaltes sei erst bei Vollstreckung des Vorauszahlungsauftrages zu prüfen. Aus diesem Erkenntnis ergibt sich durch den Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. März 1972, Zlen. 1812 und 1813/71, daß dasselbe auch für die wirtschaftliche Lage der verpflichteten Partei gilt. Es ist also die wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin nicht schon bei der Erlassung des Vorauszahlungsauftrages, sondern erst bei der Einbringung der Geldleistung nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 VVG 1950 zu berücksichtigen.
Da sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, daß durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Damit ist der Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
Schlagworte
SachverhaltsermittlungSachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990060032.X00Im RIS seit
22.03.1990Zuletzt aktualisiert am
02.04.2015