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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
StGB §32;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des KR gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. November 1988, Zl. Wa-7400/17-1989/Sel, betreffend Bestrafung nach dem Wasserrechtsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 1987 wurde der X-AG die wasserrechtliche Bewilligung zur Adaptierung bzw. Erweiterung der werksinternen Vorreinigungsanlagen für die Kokereiabwässer im Werk B sowie zur Ableitung der Kokereiabwässer über eine eigene Rohrleitung zur Regionalkläranlage in A unter zahlreichen Bedingungen und Auflagen bewilligt. Gemäß der Auflage Punkt 5 dieses Bescheides darf die Einleitung der Kokereiabwässer nur in die Biologie der Kläranlage erfolgen; Auflage 7 sieht vor, daß über die Kühlwasserkanäle keinerlei Betriebsabwässer aus der Kokerei in die Donau bzw. in das Hafenbecken gelangen dürfen. Punkt 8 der Auflagen verlangt Nachweise darüber, daß auf Grund der gegebenen Druckverhältnisse in den Rohrleitungen ein Eindringen von Kokereiabwasser in das Kühlwassersystem nicht möglich ist, widrigens entsprechende technische Einrichtungen einzubauen seien, die gewährleisten, daß Betriebsabwässer nicht in die Donau bzw. in das Hafenbecken gelangen könnten. Gemäß Punkt 14 der Auflagen ist der Wasserrechtsbehörde eine für die Wartung der Anlage verantwortliche Person und deren Stellvertreter namhaft zu machen.
In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 1988 kam es dennoch zu einer konsenslosen Einleitung cyanidhältiger Abwässer aus der Kokerei in den Donauhafen der X-AG. Über Anfrage des Magistrates der Stadt Linz - Bezirksverwaltungsamt als der Strafbehörde erster Instanz (in der Folge kurz: BVA) gab die X-AG den nunmehrigen Beschwerdeführer als jenen Schicht-Vorarbeiter bekannt, der den genannten Zwischenfall verursacht habe. Der Beschwerdeführer gestand in einer vom BVA eingeholten Rechtfertigung zu, in einer Streßsituation eine falsche Absperrklappe geöffnet zu haben, wodurch Einsatzwasser in den Hafen geleitet worden sei. Das BVA holte dann noch Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers ein.
Mit Straferkenntnis vom 3. Oktober 1988 verhängte das BVA über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage), weil er "in der Nacht vom 7. auf 8.7.1988 im Bereich der Kokereianlage auf dem Werksgelände der X-AG B durch eine Fehlbedienung an der Abwasserbeseitigungsanlage der Kokerei das Eindringen von cyanidhältigen Abwässern über das Kühlwassersystem in den Donauwerkshafen ermöglicht und damit eine mit einem Fischsterben verbundene Gewässerverunreinigung verursacht" und damit gegen "§ 137 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 i.V.m. dem Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ. vom 7.5.1987, Wa-944/4-1987, Spruchabschnitt I, Punkte 5, 7 und 8" verstoßen habe. Begründend erachtete das BVA das Fehlverhalten des Beschwerdeführers auf Grund von dessen eigenen Angaben als erwiesen. Den Beschwerdeführer treffe daran auch ein Verschulden, weil die Bedienung des Schiebers zu seinem Aufgabenbereich zu zählen sei, weshalb ihn eine erhöhte Sorgfaltspflicht treffe. Er habe daher fahrlässig gehandelt und als Folgen dieser Handlungsweise die Belastung des Wassers im X-AG-Hafenbecken durch ca. 100.000 l cyanidhältiges Kühlwasser zu verantworten, wodurch ca. 1,5 t Fische verendet seien. Bei der Strafbemessung seien die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers berücksichtigt worden. In Anbetracht des vorliegenden Sachverhaltes habe die belangte Behörde aber trotz der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht umhin können, den gesetzlichen Strafrahmen auszuschöpfen.
In seiner gegen diesen Bescheid wegen Schuld und Strafe erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer u.a. geltend, der Bescheid vom 7. Mai 1987 sei ihm erst im Zuge des nunmehrigen Verwaltungsstrafverfahrens bekannt geworden; vorher habe er von den darin verfügten Auflagen keine Kenntnis gehabt. Es würden ihm daher zu Unrecht Verstöße gegen die Auflagenpunkte 5, 7 und 8 dieses Bescheides vorgeworfen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. November 1989 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers insoferne teilweise statt, "als im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses das Zitiat der verletzten Rechtsvorschriften '... Punkte 5., 7. und 8.' auf 'Punkt 7.' berichtigt und die verhängte Geldstrafe auf S 10.000,-, die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgelegte Ersatzarreststrafe auf 7 Tage herabgesetzt wird".
Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Die Verpflichtungen laut Auflagenpunkten 5. und 8. könnten den Beschwerdeführer nicht treffen, wohl aber jene laut Punkt 7., durch den das Einbringen von Abwässern in die Donau bzw. in das Hafenbecken verboten sei, der den Beschwerdeführer demnach zu einer entsprechenden Unterlassung verpflichtet hätte. Der Sorgfaltspflicht des Beschwerdeführers obliege nach Ansicht der belangten Behörde nicht nur das Wissen um die richtige Betätigung der vorhandenen Klappen und Schieber, sondern auch das Wissen um das Warum dieser Betätigung. Die vorgeworfene Fahrlässigkeit der Handlungsweise des Beschwerdeführers liege nicht nur in der von ihm zugegebenen Fehlbetätigung, sondern auch in seiner mangelnden Information über den Inhalt der hier maßgeblichen wasserrechtlichen Bewilligung. Die Aufgabe eines Vorarbeiters könne sich nicht in einer bestimmten Abfolge der Betätigung von Klappen und Schiebern erschöpfen; es sei vom Beschwerdeführer zu verlangen, daß er sich auch dessen bewußt sei, was dadurch bewirkt werde,und auf Grund welcher Vorschriften diese Manipulationen erfolgten. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß der Beschwerdeführer verpflichtet sei, sich über den Inhalt behördlicher Bewilligungen Kenntnis zu verschaffen. Bei der Strafbemessung hätten die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und das abgelegte Tatsachengeständnis sowie die von ihm angeführte Streßsituation nicht unberücksichtigt bleiben dürfen; aber auch die Menge, Dauer und Gefährlichkeit der Einleitung hätten in diese Überlegungen einzufließen. Wenn auch die Fehlbedienung bei einer Großanlage niemals auszuschließen sei und eine Verwechslung oder ein Irrtum verständlich erschienen, sei doch von einem vorwerfbaren Grad der Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers auszugehen, der einen Schuldspruch unumgänglich mache und ein Absehen von der Strafe nicht zulasse. Die Verhängung einer Geldstrafe sei vor allem aus general- und weniger aus spezialpräventiven Gründen angezeigt. Es sollten nämlich bei einem erheblichen Gefährdungspotential bei Großanlagen vor allem andere Personen von ähnlichen Übertretungen abgehalten werden, während der Beschwerdeführer selbst infolge der von der belangten Behörde eingeholten Informationen über beste Zeugnisse und über einen hohen Grad an Verläßlichkeit verfüge. Die Abwägung all dieser Faktoren rechtfertige bei Berücksichtigung der erhobenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers die Reduktion der verhängten Geldstrafe auf das nunmehr festgesetzte Ausmaß.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf Durchführung eines mängelfreien Verwaltungsverfahrens sowie darauf verletzt, nicht nach den Bestimmungen des WRG 1959 bestraft zu werden, jedenfalls nicht in der von der belangten Behörde festgesetzten Höhe. Aus dem Beschwerdevorbringen geht ferner hervor, daß sich der Beschwerdeführer auch dadurch in seinen Rechten verletzt erachtet, daß trotz der Reduzierung der Geldstrafe im angefochtenen Bescheid keine Reduzierung der vom Beschwerdeführer zu entrichtenden Kosten des Strafverfahrens erster Instanz verfügt worden ist.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 sind u.a. Zuwiderhandlungen gegen das Wasserrechtsgesetz sowie die Nichteinhaltung der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen unbeschadet einer allfälligen strafrechtlichen Ahndung von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu S 20.000,-- zu bestrafen.
Nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle treffen die für die Nichteinhaltung der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen angedrohten Strafen grundsätzlich den Täter. Dies geht auch aus der Formulierung des § 137 Abs. 3 WRG 1959 hervor, der davon handelt, daß bei Zuwiderhandlungen dieser Art, die beim Betrieb von Wasseranlagen begangen werden, neben dem Täter auch der Wasserberechtigte bzw. sein Betriebsleiter in Strafe gezogen werden können. Der Gesetzgeber hat damit die Wirksamkeit der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen auf jedermann erstreckt, der nach Lage des Einzelfalles in den bescheidmäßig umschriebenen Verpflichtungsbereich eintritt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1973, Zl. 1229/73 = Slg. 8516/A).
Im Beschwerdefall war Adressat des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 7. Mai 1987 die X-AG, nicht aber der Beschwerdeführer. Dieser wiederum ist als zuständiger Vorarbeiter "in den bescheidmäßig umschriebenen Verpflichtungsbereich" eingetreten und durch seine von ihm selbst zugestandene Fehlleistung als der unmittelbare "Täter" hinsichtlich der in Rede stehenden Gewässerverunreinigung anzusehen.
Trotzdem ist der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, daß die vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht dafür ausreichen, dem Beschwerdeführer - wie dies im Spruch des gegen ihn ergangenen Straferkenntnisses geschehen ist - im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 einen Verstoß gegen eine konkrete Vorschreibung in dem an seine Dienstgeberfirma ergangenen Bewilligungsbescheid vorzuwerfen. Dazu hätte es noch der Ermittlungen dahin bedurft, ob dem Beschwerdeführer dieser Bewilligungsbescheid überhaupt jemals zugänglich und damit bekannt gemacht worden ist. Sollte dies nämlich, wie dies der Beschwerdeführer in seiner Berufung behauptet hat, nicht der Fall gewesen sein, dann könnte dem Beschwerdeführer nicht der Vorwurf gemacht werden, gegen eine ihm völlig unbekannt gebliebene und nicht einmal zugängliche Bescheidauflage verstoßen zu haben. Allerdings wäre in diesem Falle die weitere Frage zu prüfen, ob das Verhalten des Beschwerdeführers nicht eine nach dem WRG 1959 zu ahndende Verwaltungsübertretung unmittelbar auf Grund der gesetzlichen Vorschriften der §§ 137 Abs. 1 und 32 Abs. 2 WRG 1959 dargestellt hat.
Dem Beschwerdeführer ist ferner auch darin Recht zu geben, daß ihm zu die Strafbemessung betreffenden Erhebungsschritten im Verwaltungsverfahren das Parteiengehör nicht gewährt worden ist. Dies trifft zwar nicht hinsichtlich der Folgen des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers zu, weil die Menge des ausgeflossenen cyanidhältigen Wassers ebenso wie die Menge der verendeten Fische im erstinstanzlichen Bescheid beschrieben waren, der Beschwerdeführer dazu aber in seiner Berufung nichts vorgebracht hat. Für die Strafbemessung wird ferner der Umstand, daß die verendeten Fische im Eigentum der X-AG standen, ohne Bedeutung sein. Hingegen könnte sich auch bei der Strafbemessung das Ergebnis der Erhebungen darüber auswirken, ob der Beschwerdeführer den oben behandelten Bewilligungsbescheid nun gekannt hat oder nicht. Es wurden aber auch die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse vom BVA erhoben, ohne daß die Ergebnisse dieser Erhebungen dem Beschwerdeführer jemals vorgehalten worden wären. Da entsprechende Feststellungen auch in den gegen den Beschwerdeführer erlassenen Strafbescheiden beider Instanzen fehlen, wird diesbezüglich das bisher nicht gewährte Parteiengehör im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Zur Strafbemessung ist überdies noch der Hinweis angebracht, daß dabei gemäß § 19 Abs. 2 VStG 1950 die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden sind, und das danach Erwägungen der Generalprävention für die individuelle Strafzumessung keine Rolle zu spielen haben.
Im fortgesetzten Verfahren wird schließlich gegebenenfalls auch die Möglichkeit offen stehen, die bisher unterbliebene und auch nicht im Berichtigungswege nachgeholte Reduzierung der Verfahrenskosten erster Instanz gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 auf 10 Prozent der allenfalls letztlich verhängten Geldstrafe vorzunehmen.
Da nach dem Gesagten der Sachverhalt sowohl zur Schuld- als auch zur Straffrage noch in wesentlichen Punkten der Ergänzung bedarf und die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung von 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Rücksichten der GeneralpräventionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990070001.X00Im RIS seit
12.11.2001