TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/27 89/08/0144

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 20. Jänner 1989, Zl. IVb/7022/7100 B, wegen Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurden die vom Beschwerdeführer in der Zeit vom 8. Dezember 1985 bis 31. Juli 1986 empfangenen, im Arbeitslosengeld enthaltenen Familienzuschläge für seine zwei Stiefkinder und die in der Zeit vom 1. August 1986 bis 27. Oktober 1988 von ihm empfangenen, in der Notstandshilfe enthaltenen Familienzuschläge für diese zwei Stiefkinder widerrufen und zurückgefordert. Begründet wurde die Entscheidung damit, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers in den genannten Zeiträumen für ihre beiden Kinder, die Stiefkinder des Beschwerdeführers, Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von je S 1.500,-- monatlich erhalten habe, der Beschwerdeführer jedoch diese Unterhaltsvorschüsse dem zuständigen Arbeitsamt nicht gemeldet habe. Da die beiden Kinder aufgrund der gewährten Unterhaltsvorschüsse über ausreichende Mittel für ihren angemessenen Lebensunterhalt verfügten, seien die für sie gewährten Familienzuschläge gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen gewesen; da der Beschwerdeführer den Empfang der Familienzuschläge durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe, seien sie rückzufordern gewesen.

In der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer sowohl das Vorliegen eines Widerrufs- als auch eines Rückforderungstatbestandes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 2 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 sind Familienzuschläge für Ehegatten (Lebensgefährten), Eltern und Großeltern, Kinder und Enkel, Stiefkinder, Wahlkinder und Pflegekinder (zuschlagsberechtigte Personen) zu gewähren, wenn der Arbeitslose zum Unterhalt dieser Personen tatsächlich wesentlich beiträgt. Der Familienzuschlag gebührt nicht, wenn den zuschlagsberechtigten Personen zugemutet werden kann, den Aufwand für einen angemessenen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere durch eigene Arbeit, zu bestreiten.

Solche "eigene Mittel" sind auch freiwillig oder in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung geleistete Zahlungen Dritter (vgl. Erkenntnis vom 8. Mai 1987, Zl. 86/08/0069). Dazu zählen - entgegen den Beschwerdeausführungen - auch Unterhaltshaltsvorschüsse (vgl. Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0291). Die Höhe dieser den Familienzuschlag ausschließenden eigenen Mittel wird im § 20 Abs. 2 AlVG jedoch nicht nach einem starren Maßstab bestimmt, sondern richtet sich nach dem zur Bestreitung des angemessenen Lebensunterhaltes des Zuschlagsberechtigten notwendigen Aufwand. Es sind somit grundsätzlich die individuellen Verhältnisse des Zuschlagsberechtigten maßgebend, wobei allerdings - etwa im Sinne der von der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit nach § 140 ABGB entwickelten Grundsätze - als Orientierungshilfe allenfalls auf die Mindestpensionshöhe nach dem ASVG zurückgegriffen werden könnte (vgl. das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Zl. 87/08/0291).

Aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Auffassung gelangte, es hätten die beiden Stiefkinder des Beschwerdeführers in den relevanten Zeiträumen über solche eigene Mittel verfügt, die Familienzuschläge für sie ausschlossen, läßt sich der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnehmen. Den in der Gegenschrift nachgetragenen Argumenten, aus denen sich dies nach Ansicht der belangten Behörde schon aus rechtlichen Gründen, insbesondere aus § 6 Abs. 2 des Unterhaltsvorschußgesetzes 1985, ergeben solle, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof aus den im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 88/08/0277, dargelegten Erwägungen, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, nicht anzuschließen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei einer unter Bedachtnahme auf diese rechtlichen Grundsätze vorgenommenen Beurteilung der Frage, ob die beiden Stiefkinder des Beschwerdeführers in den relevanten Zeiträumen über eigene Mittel in einem die Familienzuschläge ausschließenden Ausmaß verfügten, entsprechend den individuellen Verhältnissen der Zuschlagsberechtigten zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich des Widerrufes dieser Familienzuschläge gelangt wäre, die Rechtmäßigkeit der Rückforderung aber von jener des Widerrufes abhängt, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 2, 49 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, allerdings nur in dem vom Beschwerdeführer bereits nach Inkrafttreten der zuletzt zitierten Verordnung beantragten niedrigeren Ausmaß.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080144.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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