Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Juni 1988, Zl. MA 14-G 6/88, betreffend Rückforderung zu Ungebühr entrichteter Beiträge (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Dezember 1987 lehnte die mitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse den Antrag des Beschwerdeführers, die für die Jahre 1983 bis 1986 für die in der Anlage des Bescheides angeführten Dienstnehmer für die bezeichneten Beitragszeiträume vom Unterschiedsbetrag zwischen den ausgezahlten und den gebührenden Sonderzahlungen entrichteten Sonderbeiträge in Höhe von S 8.248,28 als zu Ungebühr entrichtete Beiträge im Sinne des § 69 Abs. 1 ASVG rückzuerstatten, ab. Nach der Bescheidbegründung sei bei einer Beitragsprüfung vom 13. bis 21. Mai 1987 festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer in
den Jahren 1983 bis 1986 bei der Berechnung der Sonderzahlungen der in der Anlage namentlich angeführten Dienstnehmer, die als Arbeiter tätig gewesen seien, die Vergütungen der Wegzeiten unberücksichtigt gelassen habe. Nach der ständigen Spruchpraxis der Verwaltungsbehörden im Bereich der Sozialversicherung stellten Vergütungen der Wegzeiten im Geltungsbereich des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe (in der Folge: Kollektivvertrag) Arbeitslohn dar und seien daher bei der Berechnung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen. Die bezügliche Beitragsnachbelastung in Höhe von S 8.248,28 sei dem Beschwerdeführer mit dem dritten Nachtrag der Beitragsvorschreibung für den Beitragszeitraum Juni 1987 zur Kenntnis gebracht worden; die Bezahlung der Beiträge sei am 4. August 1987 erfolgt. Mit Schreiben von diesem Tag sei jedoch die Ausstellung eines Bescheides beantragt bzw. richtigerweise um die Rückerstattung der nach Auffassung des Beschwerdeführers ungebührlich entrichteten Beiträge ersucht worden. Dieser Antrag auf Rückerstattung von Beiträgen im Sinne des § 69 ASVG sei jedoch abzulehnen gewesen, weil auf Grund des gegebenen Sachverhaltes und der gesetzlichen Bestimmungen die Beitragsnachbelastung zu Recht erfolgt sei.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte der Beschwerdeführer gegen die Auffassung der mitbeteiligten Partei ein, es seien im Verdienstbegriff des anzuwendenden Kollektivvertrages taxativ jene Entgeltteile aufgezählt, die für die Berechnung der Sonderzahlungen zu berücksichtigen seien. Darin seien neben dem Arbeitslohn unter anderem regelmäßig geleistete Überstunden, nicht jedoch Wegzeiten enthalten. Da es sich bei den diesbezüglichen Wegzeiten um Zeiten außerhalb der Normalarbeitszeit handle und diese Wegzeiten vom Charakter her Überstunden ähnlich seien, müßten sie, um in den Verdienst einbezogen werden zu können, in der taxativen Aufzählung des Verdienstbegriffes ebenfalls enthalten sein. Da dies nicht der Fall sei, seien sie in die Berechnungsgrundlage der Sonderzahlungen nicht einzubeziehen.
In ihrer Stellungnahme zum Einspruch hielt die mitbeteiligte Partei ihre Auffassung, daß Wegzeitvergütungen, auch wenn sie nicht in der taxativen Aufzählung des Abschnittes X des anzuwendenden Kollektivvertrages enthalten seien, unter den Verdienstbegriff dieses Abschnittes fielen, mit der Begründung aufrecht, daß sie grundsätzlich einen Arbeitslohn darstellten. Dabei verwies sie auf die Entscheidung des OGH vom 1. Juli 1987, 9 Ob A 24/87, wonach Vergütungen für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit Entgeltcharakter hätten und daher unter die Bestimmung des Verdienstbegriffes des anzuwendenden Kollektivvertrages fielen.
In seiner Äußerung zu dieser Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer darauf, daß die strittigen Wegzeitvergütungen nicht in der Form von Pauschalbeträgen, sondern als echte Aufwandsentschädigungen geleistet worden seien. Bei pauschaler Bezahlung der Wegzeitvergütungen unabhängig von einem kollektivvertraglich vorgesehenen Anspruch wäre nach der zitierten Entscheidung des OGH die Ansicht der mitbeteiligten Partei richtig, nicht jedoch "bei Bezahlung der Wegzeitvergütung laut Kollektivvertrag".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und stellte gemäß den §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG fest, daß die bekämpfte Entscheidung der mitbeteiligten Partei zu Recht erfolgt sei. Zur Begründung wird ausgeführt, Urlaubs- und Weihnachtsremunerationen seien in die Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge einzubeziehen, sofern ein kollektivvertraglicher Anspruch bestehe, und zwar unabhängig davon, ob sie tatsächlich bezahlt worden seien oder nicht. Im Rahmen des (auszugsweise wiedergegebenen) Kollektivvertrages stellten Wegzeitvergütungen einen Arbeitslohn dar und fielen somit unter den Verdienstbegriff des Abschnittes X dieses Kollektivvertrages. Sie seien daher bei der Bemessung der Sonderzahlungen (Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration) zu berücksichtigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, auf das er in der Beschwerde verweist und das die übrigen Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in ihren Gegenschriften nicht in Abrede stellen, gewährte er den in der Anlage zum Bescheid der mitbeteiligten Partei genannten Dienstnehmern in den Jahren 1983 bis 1986 Vergütungen für Wegzeiten außerhalb der Normalarbeitszeit, und zwar "nicht in der Form eines Pauschalbetrages, sondern als echte Aufwandsentschädigungen laut Kollektivvertrag", d.h. nur bei Vorliegen der Voraussetzungen, von denen der Kollektivvertrag (dessen im Beschwerdefall maßgebende Bestimmungen in den Jahren 1983 bis 1986 unverändert blieben, wie sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten, für diese Jahre geltenden Kollektivverträgen ergibt) die Vergütung von Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit abhängig machte. Diese Wegzeitvergütungen bezog er nicht in die Berechnungsgrundlage der den Dienstnehmern nach dem Kollektivvertrag gebührenden Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen ein.
Auch im Bereich des § 49 Abs. 2 ASVG kommt es auf den Anspruchslohn oder das (höhere) tatsächlich geleistete Entgelt an; diese Frage ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Gesichtspunkten zu beantworten (vgl. ua. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211, und vom 20. Dezember 1984, Zl. 83/08/0012).
Da im Beschwerdefall unbestritten keine diesbezüglichen einzelarbeitsvertraglichen Regelungen bestanden, ist ausschlaggebend, ob, wie der Beschwerdeführer meint, diese Nichteinbeziehung den Bestimmungen des Kollektivvertrages entsprach und daher die von ihm auf Grund einer Vorschreibung der mitbeteiligten Partei, die von der gegenteiligen Rechtsauffassung ausging, bezahlten Sonderbeiträge nach § 54 in Verbindung mit § 49 Abs. 2 ASVG als zu Unrecht entrichtete Beiträge im Sinne des § 69 Abs. 1 leg. cit. zu werten sind.
Für die Auslegung von Kollektivverträgen sind die §§ 6 ff ABGB maßgebend. Der normative Teil eines Kollektivvertrages ist danach wie ein Gesetz auszulegen (vgl. ua. Erkenntnis vom 19. November 1987, Zl. 84/08/0029).
Nach Abschnitt XVII Z. 5 KV hat der Arbeitnehmer einmal in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuß. Dieser Urlaubszuschuß beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit
4 1/3 Wochenverdienste. Nach Abschnitt XVII Z. 11 KV erfolgt die Berechnung des Urlaubszuschusses nach den Bestimmungen über den Verdienstbegriff (Abschnitt X). Nach Abschnitt XVIII Z. 1 KV haben alle am 1. Dezember beschäftigten Arbeitnehmer Anspruch auf eine Weihnachtsremuneration im Ausmaß von 4 1/3 Wochenverdiensten. Nach Abschnitt XVIII Z. 7 KV erfolgt die Berechnung der Weihnachtsremuneration nach der Bestimmung über den Verdienstbegriff (Abschnitt X).
Der mit "Verdienstbegriff" überschriebene Abschnitt X KV lautet:
"Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs. 1 Z. 4 Arbeitsverfassungsgesetz - ausgenommen Pauschalentlohnung auf Montage- und Baustellen - deren 13-Wochen-Durchschnitt. Bei Wächtern, Portieren, Chauffeuren und Beifahrern ist im Falle einer vereinbarten längeren Wochenarbeitszeit diese zugrunde zu legen.
In den Verdienst sind einzubeziehen:
1.
Schmutz-, Erschwernis-, Gefahren-, Montage-, Schicht- und Nachtarbeitszulagen sowie Vorarbeiterzuschlag, soweit sie in den letzten 13 Wochen vor Anfall des Anspruches ständig bezahlt wurden.
2.
Regelmäßig geleistete Überstunden mit dem Durchschnittsbetrag. Überstunden gelten dann als regelmäßig, wenn sie in den letzten 13 abgerechneten Wochen (bzw. 3 Monaten oder Kalendervierteljahr) vor Fälligkeit der Sonderzahlung durch mindestens 7 Wochen geleistet wurden.
Hat das Arbeitsverhältnis noch keine 13 Wochen gedauert, besteht ein Anspruch nur dann, wenn durch mindestens 7 Wochen Überstunden geleistet wurden."
Der mit "Montagearbeiten sowie andere Beschäftigungen außerhalb des ständigen Betriebes" überschriebene Abschnitt VIII KV regelt in seinen Ziffern 6 und 7 die Vergütung für "Wegzeiten". Sie lauten:
"6.
Wegzeiten, die in die Arbeitszeit fallen, werden wie Arbeitszeiten bezahlt.
7.
Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt der Stundenlohn ohne Zulagen und Zuschläge.
Wird der Arbeitnehmer während jener Wegzeit, die nicht in die Arbeitszeit fällt, als Lenker eines Fahrzeuges beschäftigt, so gebührt ihm Überstundenentlohnung.
Wegzeiten, die nicht in die Arbeitszeit fallen, sind wie folgt zu vergüten:
Bei Entfernungen - Luftlinie - zwischen dem ständigen Betrieb bzw. Montagebüro und dem nichtständigen Arbeitsplatz
von 2 bis 4 km mit ....................... 1 Stundenlohn,
von 4 bis 7 km mit ....................... 1 1/2 Stundenlöhnen,
und von mehr als 7 km mit dem Lohn für die tatsächlich aufgewendete Wegzeit, jedoch mindestens 1 1/2 Stundenlöhne. Wenn die Beschäftigung außerhalb des ständigen Betriebes eine Nächtigung außer Haus erfordert oder eine solche angeordnet wird, gilt diese Bestimmung analog auch für den Fall, daß der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit hat, innerhalb von 2 km (Luftlinie) vom nichtständigen Arbeitsplaltz entfernt zumutbar zu nächtigen.
Wird der Arbeitnehmer an einem Ort beschäftigt, in dem es eine Betriebsstätte oder eine Montagebüro (Baubüro) gibt, so gilt die für die dortige Betriebsstätte bzw. Montagebüro (Baubüro) geltende Wegkreiseinteilung.
Die Wegzeitvergütung gebührt nur in der halben Höhe, wenn der Hin- oder Rückweg in die Arbeitszeit fällt.
Steht die Berechnung der Wegzeit aufgrund der 'Luftlinie' offensichtlich in einem größeren Widerspruch zur tatsächlich aufgewendeten Wegzeit, so ist betrieblich eine Regelung zu vereinbaren."
Mit der Frage, ob nach den Bestimmungen des Abschnittes VIII Z. 7 KV bezahlte Vergütungen für Wegzeiten (im Zusammenhang mit Montagearbeiten sowie anderen Beschäftigungen außerhalb des ständigen Betriebes) außerhalb der Arbeitszeit (im Zusammenhalt mit den Bestimmungen des Abschnittes VI KV über die Arbeitszeit und des Abschnittes VII KV über Überstunden gemeint: außerhalb der auf Grundlage der geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit) dem Verdienstbegriff des Abschnittes X KV zu unterstellen sind, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. November 1988, Zl. 88/08/0230, befaßt. Er gelangte darin unter Bezug auf das Erkenntnis vom 10. Dezember 1987, Zl. 87/08/0165 zum Ergebnis, daß derartige Vergütungen wohl "Entgelt" im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG darstellen, jedoch nicht dem Verdienstbegriff im Sinne des genannten KV-Abschnittes unterstellt werden können. Als den Dienstnehmern nicht von vornherein in fester Höhe, sondern nur bei Anfall entsprechender Wegzeiten gebührende Entgeltsteile gehörten sie nicht zum Grundlohn und seien auch nicht als leistungsbezogene Entgelte gemäß § 96 Abs. 1 Z. 4 ArbVG anzusehen. Damit stehe die Entscheidung des OGH vom 1. Juli 1987, 9 Ob A 24/87 (veröffentlicht in Sozialpolitik und Arbeitsrecht 1988, Nr. 1779) nicht in Widerspruch. Dort sei nämlich ausgesprochen worden, daß eine "vorbehaltlos und regelmäßig als Bestandteil des Normallohns gezahlte Wegzeitvergütung" jedenfalls auch durch den engen "Verdienst- bzw. Arbeitsbegriff" des Abschnittes X KV gedeckt sei. Eine solche Vergütung fiele aber auch nach der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Rechtsansicht als Bestandteil des Grundlohnes in den Begriff des Verdienstes nach Abschnitt X KV. Seien aber solche Wegzeitvergütungen nicht dem "Verdienst" im Sinne des Abschnittes X KV zuzuordnen, dann könnten sie nach den Abschnitten XVII und XVIII auch nicht in die Bemessungsgrundlage für den Urlaubszuschuß und die Weihnachtsremuneration einbezogen werden.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 22. Februar 1989, 9 Ob A 17/89, die Frage, ob in anderen Fällen (als in dem der Entscheidung 9 Ob A 24/87 zugrunde liegenden Fall), in denen die Wegzeitvergütung nur bei Vorliegen der Vorausetzungen des Abschnittes VIII Z. 7 KV gewährt wird, diese Leistung ebenfalls dem Verdienstbegriff des Abschnittes X unterliege, bejaht. Zwar war diese Rechtsfrage nach der ab 19. April 1987 geänderten Fassung des KV zu beurteilen; danach sind nach den Ausführungen in der Entscheidungsbegründung die früher in Geltung gestandenen Bestimmungen des Abschnittes X KV bezüglich der Berücksichtigung von Überstunden weggefallen und wurde hinsichtlich des für Überstunden zu leistenden Entgeltes eine andere Regelung getroffen. Nach Auffassung des OGH kam dem aber für die Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfrage keine Bedeutung zu, weil es sich bei der in Frage stehenden Wegzeitvergütung nicht um Überstundenentlohnung handle. Die Bejahung der auch im Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfrage begründete der OGH wie folgt:
"Die Regelung des Kollektivvertrages läßt keinen Zweifel daran, daß mit der Wegzeitvergütung nicht etwa ein mit der Arbeitsleistung verbundener finanzieller Aufwand ersetzt wird, sondern eine von den tatsächlichen Aufwendungen völlig unabhängige, allein nach der Dauer der zeitlichen Inanspruchnahme bemessene Vergütung für die Bereitstellung der Arbeitskraft geleistet werden soll. Damit ist aber die Wegzeitvergütung auch, soweit sie für außerhalb der Normalarbeitszeit zurückgelegte Wegzeiten gewährt wird, als Arbeitslohn zu qualifizieren. Eine Einschränkung des Begriffes Arbeitslohn in dem von der beklagten Partei gewünschten Sinn, daß nämlich darunter nur der für die Normalarbeitzeit gebührende Lohn zu verstehen wäre, läßt sich aus dem Kollektivvertrag nicht ableiten, zumal eine weitere Einschränkung (etwa 'Grundlohn') nicht vorgenommen wird. Auch daraus, daß Abschnitt X im weiteren die Einbeziehung verschiedener Zulagen in den Verdienstbegriff anordnet, kann das von der beklagten Partei vertretene Ergebnis nicht abgeleitet werden. Abschnitt IX KV regelt die Entlohnung durch Festsetzung des für die einzelnen Lohngruppen gebührenden Stundenlohnes, während Zulagen und Zuschläge im Abschnitt XIV behandelt werden. Ohne besondere Regelung könnte es zumindest zweifelhaft sein, ob dem Verdienstbegriff des Abschnittes X KV, der in seinem ersten Satz auf den 'Arbeitslohn' abstellt, nur die Entlohnung im Sinn des Abschnittes IX KV oder das Gesamtentgelt einschließlich der gesondert von der Entlohnung geregelten Zulagen und Zuschläge zu unterstellen ist. Der
3. Absatz des Abschnittes X KV trägt dieser Problematik Rechnung, indem er die Einbeziehung der dort genannten Zulagen und Zuschläge in den Verdienstbegriff anordnet; er beinhaltet aber andererseits eine Einschränkung dahin, daß eine Berücksichtigung nur dann zu erfolgen habe, wenn diese Leistungen während des bezeichneten Beobachtungszeitraumes regelmäßig bezahlt wurden. Für Wegzeiten außerhalb der Arbeitszeit gebührt jedoch der Grundlohn ohne Zulagen und Zuschläge. Diese Leistung ist daher Arbeitslohn im Sinn des Abschnittes X erster Satz KV und als Verdienst im Sinn dieser Bestimmung bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration zu berücksichtigen."
Dieser Auffassung kann - jedenfalls bezogen auf den im Beschwerdefall anzuwendenden Kollektivvertrag - aus folgenden Gründen nicht beigetreten werden:
Der KV unterscheidet im Abschnitt X zwischen verschiedenen Bestandteilen des "Verdienstes", nämlich dem Arbeitslohn (zu dem auch leistungsbezogene Entgelte zählen), bestimmten (in dem in der Z. 1 angeführten Zeitraum ständig bezahlten) Zulagen (die in Art. XIV und Art. VIII Z. 5 geregelt sind) und (zu ergänzen: Entlohnungen für) im Sinne der Z. 2 regelmäßig geleistete Überstunden (das sind nach Art. VII Z. 1 KV alle Arbeitszeiten, die außerhalb der auf Grundlage der geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit nach Abschnitt VI Z. 1 vereinbarten täglichen Arbeitszeit liegen). Aus dieser Aufgliederung folgt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unzweifelhaft, daß unter dem Arbeitslohn (in der Form des Zeitlohnes), sofern keine für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarung besteht, nur das auf der Basis der Stundenlöhne nach Abschnitt IX in Verbindung mit Anhang III KV errechnete wöchentliche Entgelt für die innerhalb der auf Grundlage der geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit erbrachte Arbeit zu verstehen ist und demnach nach Abschnitt VIII Z. 7 KV geleistete Vergütungen für außerhalb der Normalarbeitszeit zurückgelegte Wegzeiten nicht als Arbeitslohn im Sinne des Abschnittes X KV zu werten sind, auch wenn für sie nach der Berechnungsvorschrift des Abschnittes VIII Z. 7 KV der Stundenlohn ohne Zulagen und Zuschläge gebührt. Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch erhärtet, daß bei anderer Auslegung zwar Vergütungen für Wegzeiten außerhalb der Normalarbeitszeit unabhängig davon, ob diese Wegzeiten regelmäßig im Sinne der Z. 2 des Abschnittes X KV zurückgelegt wurden, Verdienst (weil Arbeitslohn) darstellten, während die Entlohnungen für Überstunden nur dann in den Verdienst einzubeziehen sind, wenn sie im eben genannten Sinn regelmäßig geleistet werden.
Da die Vergütungen für Wegzeiten außerhalb der Normalarbeitszeit auch keine Zulagen im Sinne der Z. 1 des Abschnittes X KV sind, bleibt zu prüfen, ob solche Wegzeiten nicht Überstunden im Sinne der Z. 2 dieses KV-Abschnittes darstellen und daher die für sie geleisteten Vergütungen unter der Voraussetzung der Regelmäßigkeit ihrer Zurücklegung in den Verdienst einzubeziehen sind. Auch dies ist - diesfalls in Übereinstimmung mit der Auffassung des OGH - zu verneinen. Denn unabhängig davon, ob solche Wegzeiten überhaupt als Arbeitszeiten im Sinne des KV zu werten sind (vgl. dazu ablehnend das Erkenntnis vom 29. Juni 1982, Zl. 81/14/0130), spricht gegen ihre Wertung als Überstunden im Sinne des Abschnittes X KV, daß der KV zwischen der Entlohnung von Überstunden (Abschnitt VII Z. 8 und Abschnitt XIV Z. 8 KV) und jener von Wegzeiten außerhalb der Normalarbeitszeit (Abschnitt VIII Z. 7 KV) sehr genau unterscheidet und daher nicht angenommen werden kann, es seien im Abschnitt X KV, der gerade der (im wesentlichen nur für die Berechnung der Sonderzahlungen wichtigen) Klärung der Frage dient, welche Entgeltsbestandteile Verdienst und damit Berechnungsgrundlage der Sonderzahlungen sind, unter Überstunden auch Wegzeiten gemeint.
Der Ausschluß der Vergütungen für solche Wegzeiten vom Verdienst und damit von der Berechnungsgrundlage der Sonderzahlungen begründet keine Gesetzwidrigkeit, weil die vom persönlichen Geltungsbereich des KV erfaßten Arbeiter keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonderzahlungen haben und es daher den Kollektivvertragspartnern freisteht, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sie Ansprüche auf Sonderzahlungen einräumen (vgl. zu diesem Problemkreis ua. das Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211).
Der Verwaltungsgerichtshof hält daher seine im Erkenntnis vom 24. November 1988, Zl. 88/08/0230, vertretene Auffassung aufrecht. Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits mit dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer abgegolten wird und andererseits Ersatz für Stempelgebühren im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 Abs. 1 ASVG nicht zugesprochen werden kann.
Schlagworte
Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Entgelt Begriff Anspruchslohn Entgelt Begriff Entschädigung Vergütung Entgelt Begriff Überstunden Kollektivvertrag Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des Pauschbetrages Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Unrichtige Höhe der Stempelgebühren Erstattung bzw NotionierungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1988080237.X00Im RIS seit
20.11.2001