TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/27 89/08/0035

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §69 Abs1 litb;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs2;
AVG §7 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §45 Abs2;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Tirol vom 29. September 1988, Vd-3381/13, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens zur Übertragung eines Leistungsanspruches nach § 65 Abs. 2 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des gegenständlichen Beschwerdefalles ist aus dem hg. Erkenntnis vom 19. November 1987, Zlen. 86/08/0230, AW 86/08/0041, ersichtlich. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. Oktober 1986, mit welchem dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 28. Mai 1986 keine Folge gegeben worden war, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hatte in diesem Verfahren erfolglos die Zustimmung zur Übertragung seines Anspruches auf eine Geldleistung aus der Pensionsversicherung gemäß § 65 Abs. 2 GSVG begehrt.

Mit dem gemäß § 69 Abs. 2 AVG 1950 bei der mitbeteiligten Partei eingebrachten Schriftsatz vom 18. Juli 1988 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 1986 abgeschlossenen Verfahrens. In der Begründung dieses Antrages behauptet der Beschwerdeführer, er habe "nunmehr eine Urkunde mit der Bezeichnung 'Nachtrag zum Zessionsvertrag vom 29. Juli 1983', ausgefertigt am 28. April 1984, aufgefunden, die im Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft ohne Verschulden des Antragstellers" (d.i. der Beschwerdeführer) "nicht vorgelegt werden konnte, die jedoch in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich zu einer Zustimmung zur Zession geführt hätte". Weiter heißt es in diesem Antrag, die Urkunde sei über Empfehlung des Steuerberaters erstellt und im einzigen Original bei den Akten der Steuerberatungskanzlei verblieben, um im Falle einer steuerlichen Betriebsprüfung verwendet werden zu können. Diese Urkunde sei "in Vergessenheit geraten und weder der Beschwerdeführer noch der Steuerberater hätten sich an diese Urkunde im Zuge des Ermittlungsverfahrens vor der mitbeteiligten Partei erinnert". Erst im Zuge einer Besprechung über eine offene Forderung des Beschwerdeführers an eine Versicherung habe sich der Steuerberater wieder an diese Urkunde erinnert. Über das Vorliegen eines Grundes zur Wiederaufnahme des Verfahrens habe der einschreitende Rechtsanwalt den Beschwerdeführer anläßlich eines Telefonates vom 13. Juli 1988 informiert.

Im übrigen enthält der Schriftsatz des Beschwerdeführers Ausführungen, worin dieser seine Auffassung über den Sinn und die Bedeutung der aufgefundenen Urkunde und die mutmaßlichen Folgen, wäre die Errichtung dieser Urkunde unterblieben, sowie schließlich über die sich aus dieser Urkunde für das wiederaufzunehmende Verfahren ergebenden Schlußfolgerungen darlegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Landeshauptmann von Tirol den Antrag auf Wiederaufnahme als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ihres Bescheides setzt sich die belangte Behörde mit den Voraussetzungen der Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 AVG 1950 auseinander und kommt zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe spätestens im seinerzeitigen Einspruchsverfahren die Gelegenheit gehabt, alle ihm zur Verfügung stehenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Habe dies der Beschwerdeführer hinsichtlich der nunmehr beigeschafften Urkunde unterlassen, so habe er sich nicht eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit bedient, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden könne. Zumindest leichte Fahrlässigkeit falle dem Beschwerdeführer zur Last. Bei dieser Sachlage erübrige es sich, die Frage der Rechtzeitigkeit und der Wiederaufnahmstauglichkeit der Urkunde zu überprüfen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 AVG 1950 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und ..... b) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Gemäß § 69 Abs. 2 leg. cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrunde Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

In seiner Beschwerde rügt der Beschwerdeführer als Mangelhaftigkeit des Verfahrens die Befangenheit des bei der belangten Behörde mit der Erledigung des Wiederaufnahmsantrages befaßten Beamten sowie ferner, daß die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme des Steuerberaters unterlassen und darüber nicht förmlich entschieden habe. Eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer in der Annahme der belangten Behörde, daß ihm an der Nichtvorlage der nunmehr geltend gemachten Urkunde im früheren Verfahren ein Verschulden zur Last falle; schließlich hält der Beschwerdeführer § 65 Abs. 2 GSVG für verfassungswidrig und die belangte Behörde für nicht zuständig, über die Zulässigkeit privatrechtlicher Rechtsgeschäfte (gemeint: die Zession der Pensionsansprüche des Beschwerdeführers) mit Bescheid abzusprechen.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst entgegenzuhalten, daß Sache des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ausschließlich der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG 1950 und nicht etwa (neuerlich) die Frage der Zustimmung zur Abtretung von Pensionsansprüchen gemäß § 65 GSVG gewesen ist, worüber der rechtskräftige Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 1981 vorliegt. Auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist daher nicht weiter einzugehen.

Es kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Erörterung der Frage unterbleiben, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die Urkunde im seinerzeitigen Verfahren vor der belangten Behörde oder vor der mitbeteiligten Partei nicht vorlegen konnte und ob ihn daran ein Verschulden trifft, weil der Beschwerde schon aus folgenden Gründen kein Erfolg beschieden sein kann:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei HAUER - LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Seite 487 f, wiedergegebene Rechtsprechung) sind bereits im Wiederaufnahmsantrag jene Umstände anzugeben, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmsantrages ergibt. Fallbezogen wäre also das Datum des Auffindens der Urkunde vom Beschwerdeführer bereits im Wiederaufnahmsantrag zu behaupten gewesen, um der Behörde die Überprüfung der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmsantrages zu ermöglichen. Eine Behauptung darüber, wann der Beschwerdeführer die Urkunde aufgefunden bzw. wann das von ihm erwähnte Gespräch mit dem Steuerberater stattgefunden hat, anläßlich dessen sich dieser an die Urkunde erinnert haben soll, fehlt im gesamten bisherigen Verfahren. Der Beschwerdeführer behauptet nämlich lediglich ein einziges konkretes Datum indem er mit 13. Juli 1988 jenen Tag bezeichnet, an welchem ihn sein Rechtsanwalt auf das Vorliegen eines allfälligen Wiederaufnahmegrundes aufmerksam gemacht habe. Für die Rechtzeitigkeit des auf die Auffindung der Urkunde gestützten Wiederaufnahmsgrundes kommt es aber auf den Tag der Information durch den Rechtsanwalt nicht an. Damit leidet aber bereits der Wiederaufnahmsantrag nicht bloß an einem gemäß § 13 AVG 1950 verbesserungsfähigen Formgebrechen, sondern an einem inhaltlichen Mangel, (vgl. die bei HAUER - LEUKAUF, aaO, zitierte Rechtsprechung). Dieser Mangel mußte (nicht bloß zu einer Abweisung sondern) zu einer Zurückweisung des Wiederaufnahmsantrages führen (vgl. dazu die Ausführungen am Ende des Beschlusses vom 8. Juli 1980, Zl. 1563 u.a./80, Slg. N.F. 10205/A). Der Beschwerdeführer hatte daher keinen Anspruch auf eine meritorische Erledigung seines Wiederaufnahmsantrages und kann daher durch die von der belangten Behörde dennoch getroffene - wenn auch negative - Sacherledigung in seinen Rechten nicht verletzt sein (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 21. März 1980, Zl. 1042/78, und vom 1. Juni 1983, Zl. 82/08/0013).

Daher konnte die belangte Behörde - ohne daß ihr dadurch ein Verfahrensfehler unterlaufen wäre - ohne weiteres von der Einvernahme des Steuerberaters des Beschwerdeführers Abstand nehmen. Da die belangte Behörde schon aus rechtlichen Gründen zu keinem anderen Ergebnis des Verfahrens hätte kommen können, erübrigt es sich auch, auf die vom Beschwerdeführer relevierte Frage der angeblichen Befangenheit des den Bescheid konzipierenden Beamten einzugehen: selbst dann, wenn diese Beschwerdebehauptungen zuträfen, könnte die Mitwirkung eines befangenen Verwaltungsorganes an der Bescheiderlassung allenfalls einen Verfahrensmangel darstellen, der vom Verwaltungsgerichtshof nur im Falle seiner Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufgegriffen werden könnte, was aber im Falle der rechtlichen Unbedenklichkeit des angefochtenen Bescheides auszuschließen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1952, VwSlg. 2422/A).

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Einfluß auf die Sachentscheidung Inhalt des Wiederaufnahmeantrages Verfahrensbestimmungen Befangenheit offenbare Unrichtigkeiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080035.X00

Im RIS seit

27.03.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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