TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/27 89/08/0216

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Veröffentlicht am 27.03.1990
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Index

L92058 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Vorarlberg;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §76 Abs2;
SHG Vlbg 1971 §1 Abs1 idF 1986/018;
SHG Vlbg 1971 §1 Abs3 idF 1986/018;
SHG Vlbg 1971 §2 idF 1986/018;
SHG Vlbg 1971 §5 idF 1986/018;
SHG Vlbg 1971 §6 idF 1986/018;
SHG Vlbg 1971 §8 idF 1986/018;
SHG Vlbg 1971;
SHV Vlbg 1985 §7;

Betreff

Vorarlberger Gebietskrankenkasse gegen Landeshauptmann von Vorarlberg vom 3. Juli 1989, Zl. IVb-69-21/88, betreffend Herabsetzung der Beitragsgrundlage gemäß § 76 Abs. 2 ASVG (mitbeteiligte Partei: M)

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 14. April 1988 wies die Beschwerdeführerin den Antrag der Mitbeteiligten vom 27. Jänner 1988 auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung gemäß § 76 Abs. 1 und 2 ASVG mit der Begründung ab, es sei eine Herabsetzung der Beitragsgrundlage unzulässig, weil die Mitbeteiligte Anspruch auf Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes nach dem Vorarlberger Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 26/1971 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1986 (SHG), habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem von der Mitbeteiligten dagegen erhobenen Einspruch Folge, behob den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Beschwerdeführerin zurück. Begründend wurde aufgeführt, es sei unbestritten, daß für die Festsetzung der Beitragsgrundlage gemäß § 76 ASVG die wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitbeteiligten zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend seien. Zu diesem Zeitpunkt sei die Mitbeteiligte nicht Sozialhilfebezieherin gewesen. Sie beziehe außer einem Pflegegeld nach dem Vorarlberger Behindertengesetz in der Höhe von S 2.090,-- (Stand November 1987) kein Einkommen und verfüge auch über keinerlei Besitz und Vermögen. Nach einer Erhebung der Wohnsitzgemeinde wohne sie im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn. Bei der Bewältigung des Lebensunterhaltes werde sie durch ihre Geschwister in finanzieller und auch pflegerischer Hinsicht unterstützt. Die bis zum Zeitpunkt der vorliegenden Antragstellung festgesetzten Krankenversicherungsbeiträge seien von ihrer Schwester bezahlt worden. Wenngleich die Mitbeteiligte ohne die Unterstützung ihrer Geschwister sicher gezwungen wäre, die Hilfe der öffentlichen Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, so sei doch davon auszugehen, daß zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des SHG nicht bestanden habe, weil zu diesem Zeitpunkt die Sicherung ihres Lebensbedarfes in ausreichendem Maße durch ihre Geschwister gegeben gewesen sei. Ein Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber dem Träger der Sozialhilfe habe daher nicht bestanden, weil die Gewährung der Sozialhilfe an das Vorliegen der Hilfsbedürftigkeit gebunden sei. Überdies könne zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht von einem Anspruch im Sinne des § 76 Abs. 2 ASVG ausgegangen werden, da die Mitbeteiligte keinen Antrag auf Gewährung der Sozialhilfe gestellt habe und auch nicht im Bezug von Sozialhilfeleistungen stehe, sodaß diese Frage auch in keinem Ermittlungsverfahren durch die zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne der landesgesetzlich gültigen Sozialhilfebestimmungen einer Prüfung unterzogen worden sei. Aus welchen Gründen eine solche Antragstellung bisher nicht erfolgt sei, sei von der belangten Behörde nicht zu prüfen. Die "Annahme" eines Anspruches sei daher unzulässig. Diesbezüglich schließe sich die belangte Behörde den Ausführungen der Mitbeteiligten an, wonach ein Rechtsanspruch auf Sozialhilfe auf dem Gebiet der Krankenhilfe zwar im SHG vorgesehen, jedoch auf verschiedene Sachleistungen eingeschränkt sei. Ein Anspruch von Hilfsbedürftigen auf Bezahlung von Beiträgen für die Selbstversicherung in der Krankenversicherung an den zuständigen Krankenversicherungsträger sei in den Vorarlberger landesgesetzlichen Sozialhilferegelungen nicht vorgesehen. Die obzitierten Maßnahmen zur Feststellung und Heilung von Krankheiten (Sachleistungen), auf die nach dem SHG ein Rechtsanspruch bestehe, seien bei der Mitbeteiligten durch den bestehenden Krankenversicherungsschutz bei der Beschwerdeführerin sichergestellt. Zusammenfassend könne sohin festgehalten werden, daß die Vorschrift des § 76 Abs. 2 ASVG für die Mitbeteiligte aus den dargelegten Gründen keine Berücksichtigung finden könne. Im bekämpften Bescheid sei auf Grund des eingebrachten Antrages auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage keine hinreichende Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorgenommen worden. Da sohin Mängel in der Sachverhaltsfeststellung gegegeben seien, sei der bekämpfte Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Beschwerdeführerin zu verweisen gewesen.

Nach der gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtherabsetzung der die Mitbeteiligte betreffende Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung wegen ihres Anspruches auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 76 Abs. 2 ASVG verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des mit "Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung" überschriebenen § 76 ASVG lauten:

"(1) Beitragsgrundlage für den Kalendertag ist für die

1. im § 16 Abs. 1 bezeichneten Selbstversicherten, unbeschadet der Z. 2, der Tageswert der Lohnstufe (§ 46 Abs. 4), in welche die um ein Sechstel ihres Betrages erhöhte Höchstbeitragsgrundlage (§ 45 Abs. 1) fällt,

...

(2) Die Selbstversicherung gemäß § 16 Abs. 1 ist unbeschadet Abs. 3

a) auf Antrag des Versicherten,

...

in einer niedrigeren als der nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommenden Lohnstufe zuzulassen, sofern dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten .... gerechtfertigt erscheint. Für Selbstversicherte, die Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber einem Träger der Sozialhilfe oder die gegenüber einem Wohlfahrtsfonds auf Grund einer satzungsmäßigen oder vertraglichen Regelung ganz oder teilweise Anspruch auf Ersatz der Beiträge haben, gilt jedenfalls die nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommende Lohnstufe. Die Selbstversicherung darf jedoch nicht unter dem Tageswert der Lohnstufe (§ 46 Abs. 4), in die der gemäß § 76a Abs. 3 genannte, jeweils geltende Betrag fällt, ... zugelassen werden. Die Herabsetzung der Beitragsgrundlage wirkt, wenn der Antrag zugleich mit dem Antrag auf Selbstversicherung gestellt wird, ab dem Beginn der Selbstversicherung, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten; die Herabsetzung gilt jeweils bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres. Wurde die Selbstversicherung auf einer niedrigeren als der nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommenden Beitragsgrundlage zugelassen. so hat der Versicherungsträger ohne Rücksicht auf die Geltungsdauer der Herabsetzung bei einer Änderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Versicherten auf dessen Antrag oder von Amts wegen eine Erhöhung der Beitragsgrundlage bis auf das nach Abs. 1 Z. 1 in Betracht kommende Ausmaß vorzunehmen. Solche Festsetzungen wirken in all diesen Fällen nur für die Zukunft."

Die Beschwerdeführerin erachtet sich, wie schon erwähnt, nach den Beschwerdeausführungen durch den angefochtenen Bescheid nur in ihrem Recht auf Nichtherabsetzung der Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 2 ASVG wegen des behaupteten Anspruchs der Mitbeteiligten auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber einem Träger der Sozialhilfe verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wirft sie der belangten Behörde zunächst vor, sie gehe zu Unrecht davon aus, daß ein Anspruch auf Sozialhilfe erst durch einen entsprechenden Antrag entstehe bzw. ein behördliches Ermittlungsverfahren voraussetze. Der Anspruch auf Sozialhilfe entstehe vielmehr schon durch die Erfüllung der hiefür vorgesehenen gesetzlichen Voraussetzungen. Der Antrag sei lediglich ein Formalakt zur Geltendmachung des bestehenden Anspruches. Dies ergebe sich unter anderem aus § 2 Abs. 1 SHG, wonach Sozialhilfe "auf Antrag oder von Amts wegen zu gewähren" sei.

Diesem Einwand kommt Berechtigung zu. Denn § 76 Abs. 2 ASVG stellt nur darauf ab, daß der Selbstversicherte Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber einem Träger der Sozialhilfe hat. Gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 SHG ist aber Sozialhilfe Hilfsbedürftigen (im Sinne des § 1 Abs. 3 SHG) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auf Antrag oder von Amts wegen zu gewähren; der Anspruch auf Sozialhilfe ist demnach nicht von der Antragstellung abhängig (vgl. dazu auch Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, Seite 366f). Diese rechtsirrige Auffassung der belangten Behörde führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, da sie dieses Argument nur "überdies" angeführt hat, primär aber davon ausgegangen ist, daß die Mitbeteiligte keinen Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber einem Träger der Sozialhilfe im Sinne des § 76 Abs. 2 ASVG in dem maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung hatte.

Gegen die zuletzt genannte Auffassung wendet die Beschwerdeführerin ein, § 1 SHG normiere als Anspruchsvoraussetzung die Hilfsbedürftigkeit. Der angefochtene Bescheid stelle außer Streit, daß die Mitbeteiligte ohne die Unterstützung ihrer Geschwister sicher gezwungen wäre, die Hilfe der öffentlichen Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Hilfsbedürftigkeit sei somit insoweit nicht vorgelegen, als die Geschwister den Lebensunterhalt der Mitbeteiligten beschafft hätten bzw. ihr bei der Bewältigung einer "besonderen Lebenslage" behilflich gewesen seien. Die Beschwerdeführerin habe aber in ihrem Bescheid sowie in ihrer Stellungnahme im Einspruchsverfahren ausführlich begründet, warum der Sozialhilfeanspruch die Vorsorge für den Krankheitsfall - und damit auch einen hiefür zu zahlenden Krankenversicherungsbeitrag - miterfasse. Es sei auch in der Praxis so, daß Krankenversicherungsbeiträge für Sozialhilfeempfänger letztlich von den Sozialhilfeträgern übernommen würden. Die Beschwerdeführerin gehe davon aus, daß das SHG eine taugliche Rechtsgrundlage für diese Vorgangsweise biete. So habe im übrigen auch der Bundesgesetzgeber die Situation gesehen, als er durch die 35. ASVG-Novelle (BGBl. Nr. 585/1980) für die Zukunft die Herabsetzung der Beitragsgrundlage gemäß § 76 Abs. 2 ASVG unter anderem auch für jene Selbstversicherten untersagt habe, die Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gegenüber einem Träger der Sozialhilfe hätten. Beinhalte nämlich ein solcher Sozialhilfeanspruch nicht auch den Anspruch auf Ersatz allfälliger Krankenversicherungsbeiträge, so wäre § 76 Abs. 2 ASVG in der Fassung der genannten Novelle in krasser Weise gleichheitswidrig. Diesfalls würde nämlich die vorzitierte Bestimmung eine besonders hohe Beitragslast gerade jenen Personen aufladen, welche auf Grund klarer behördlicher Feststellung zur Leistung entsprechender Zahlungen sicher nicht in der Lage seien. Zusammenfassend ergebe sich daher, daß die Mitbeteiligte zumindest insoweit hilfsbedürftig im Sinne des SHG gewesen sei, als der vorgeschriebene Höchstbeitrag in der Selbstversicherung gemäß § 16 ASVG nicht von ihr selbst und auch nicht mit Hilfe Dritter habe bestritten werden können. Es sei grundsätzlich angemerkt, daß die der Beschwerdeführerin entgegengehaltene Argumentation aus der Sicht der Mitbeteiligten völlig unverständlich sei und sich wohl eher an den Interessen des Sozialhilfeträgers orientiere.

Gemäß § 1 Abs. 3 SHG ist hilfsbedüftig, a) wer den Lebensunterhalt für sich und für die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend selbst beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält, b) wer außergewöhnliche Schwierigkeiten in seinen persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnissen - im folgenden besondere Lebenslage genannt - nicht selbst oder mit Hilfe anderer Personen oder Einrichtungen bewältigen kann. Nach § 5 SHG umfaßt der ausreichende Lebensunterhalt den Aufwand für die gewöhnlichen Bedürfnisse, insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfaßt nach § 6 SHG Maßnahmen zur Bewältigung von außergewöhnlichen Schwierigkeiten in den persönlichen, familiären oder sozialen Verhältnisse eines Menschen. Hiezu gehören nach § 6 Abs. 1 lit. b SHG Krankenhilfe und vorbeugende Gesundheitshilfe. Die Krankenhilfe umfaßt nach § 6 Abs. 2 SHG Maßnahmen zur Feststellung und Heilung von Krankheiten. Die vorbeugende Gesundheitshilfe umfaßt nach § 6 Abs. 3 SHG Maßnahmen zur Abwehr einer Erkrankung oder eines sonstigen Gesundheitsschadens. Nach § 8 Abs. 1 SHG kann die Sozialhilfe in Form von Geldleistungen, Sachleistungen oder persönlicher Hilfe gewährt werden. Geldleistungen können auch als Darlehen gegeben werden. Das Ausmaß der Sozialhilfe ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte und Mittel zu bestimmen. Gemäß § 8 Abs. 3 SHG dürfen die eigenen Mittel, wozu das gesamte verwertbare Vermögen und Einkommen gehört, bei der Bemessung der Sozialhilfe insoweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Sozialhilfe unvereinbar wäre oder für den Hilfsbedürftigen oder dessen Familienangehörige eine besondere Härte bedeuten würde. Kleinere Einkommen und Vermögen, insbesondere solche, die der Berufsausübung dienen, sind nicht zu berücksichtigen. Bei der Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen ist überdies darauf Bedacht zu nehmen, daß eine angemessene Lebensführung und die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung nicht wesentlich erschwert werden. Nach § 8 Abs. 5 SHG hat die Landesregierung durch Verordnung nähere Vorschriften über die Form und das Ausmaß der Sozialhilfe zu erlassen. Ferner hat die Landesregierung durch Verordnung nähere Vorschriften zu erlassen, inwieweit das Vermögen und das Einkommen nicht zu berücksichtigen sind. Gemäß § 7 Abs. 1 lit. c der (Vorarlberger) Sozialhilfeverordnung, LGBl. Nr. 59/1985, sind bei der Bestimmung des Ausmaßes der Sozialhilfe im Sinne des § 8 Abs. 1 SHG Zuwendungen, die die freie Wohlfahrtspflege oder ein Dritter zur Ergänzung der Sozialhilfe gewährt, ohne dazu eine rechtliche oder besondere sittliche Pflicht zu haben, außer Ansatz zu lassen. Die gilt nicht, wenn die Zuwendungen die wirtschaftliche Lage des Unterstützten so günstig beeinflussen, daß Sozialhilfe ungerechtfertigt wäre.

Die für einen Anspruch auf Sozialhilfe (sei es auf Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes, sei es auf Gewährung der Hilfe in besonderen Lebenslagen) erforderliche Hilfsbedürftigkeit liegt demnach nach der dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichteten Regelung des § 1 Abs. 3 SHG unter Bedachtnahme auf § 8 SHG nicht vor, wenn eine Person ihren Lebensunterhalt (und den näher bestimmter unterhaltsberechtigter Angehöriger) selbst (d.h. aus eigenen Kräften und Mitteln) in ausreichendem Maß beschaffen kann oder ihn von anderen Personen oder Einrichtungen erhält bzw. außergewöhnliche Schwierigkeiten selbst (d.h. wiederum aus eigenen Kräften und Mitteln) oder mit Hilfe anderer Personen oder Einrichtungen bewältigen kann. Die Fähigkeit zur Selbstbeschaffung des ausreichenden Lebensunterhaltes bzw. zur Selbstbewältigung außergewöhnlicher Schwierigkeiten aus eigenen Mitteln ist, wie sich insbesondere aus dem zweiten Halbsatz der zwar primär das Ausmaß der Sozialhilfe betreffenden Bestimmung des § 7 Abs. 1 lit. c der Sozialhilfeverordnung ergibt, grundsätzlich (d.h. unter Bedachtnahme auf die Einschränkungen des § 8 SHG und des § 7 der Sozialhilfeverordnung) auch dann gegeben, wenn diese Mittel von Dritten stammen, und zwar gleichgültig, ob sie freiwillig oder in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gewährt werden (vgl. dazu Pfeil, Sozialhilferecht, Seiten 364, 399, 401 ff, 408). Aber auch sonstige (nicht in Geld bestehende) Leistungen Dritter, die der Deckung des Lebensunterhaltes bzw. der Bewältigung außergewöhnlicher Schwierigkeiten dienen, sind für die Prüfung der Hilfsbedürftigkeit unabhängig davon von Bedeutung, ob auf sie ein Anspruch besteht oder nicht (vgl. Pfeil, Sozialhilferecht, Seiten 408, 410, 415).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund stellt die Beschwerdeführerin mit Recht nicht in Abrede, daß im Zeitpunkt der Antragstellung auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage eine Hilfsbedürftigkeit der Mitbeteiligten insoweit nicht vorlag, als ihre Geschwister ihren Lebensunterhalt "beschafften bzw. ihr bei der Bewältigung einer 'besonderen Lebenslage' behilflich waren" (womit sachverhaltsbezogen gemeint ist: für sie die bis dahin vorgeschriebenen Beiträge für Selbstversicherte in der Krankenversicherung bezahlten und damit für Krankheitsfälle der Mitbeteiligte vorsorgten).

Die Beschwerdeführerin meint aber, die Mitbeteiligte sei insoweit im Sinne des SHG hilfsbedürftig gewesen, als der vorgeschriebene Höchstbeitrag in der Selbstversicherung nicht von ihr selbst und auch nicht mit Hilfe Dritter habe bestritten werden können.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Zunächst steht gar nicht fest, daß die Mitbeteiligte den ihr vorgeschriebenen Höchstbeitrag nicht mit Hilfe ihrer Geschwister hätte bestreiten können; sie machte nur von dem ihr im § 76 Abs. 2 ASVG eingeräumten Recht auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse Gebrauch.

Abgesehen davon hatte aber die Mitbeteiligte, wie die belangte Behörde mit Recht ausführt, im Zeitpunkt der Antragstellung auf Herabsetzung der Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 2 ASVG wegen der Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes durch ihre Geschwister und wegen der bestehenden Selbstversicherung in der Krankenversicherung weder einen Anspruch auf Gewährung des ausreichenden Lebensunterhaltes noch auf Krankenhilfe. Daran vermöchte aus nachstehenden Gründen der Umstand, daß der im Rahmen der weiterbestehenden Selbstversicherung der Mitbeteiligten vorgeschriebene Höchstbeitrag (wohl aber der bisher vorgeschriebene Beitrag) "nicht von ihr selbst und auch nicht mit Hilfe Dritter bestritten werden konnte", nichts zu ändern. Das SHG sieht einen Anspruch auf gänzliche oder teilweise Bezahlung von Beiträgen für Selbstversicherte in der Krankenversicherung nach § 76 ASVG nicht ausdrücklich vor. Selbst wenn aber ein solcher Anspruch aus den Bestimmungen des SHG über die Krankenhilfe ableitbar wäre, bestünde er - dem schon genannten Grundsatz der Subsidiarität entsprechend - dann noch nicht, wenn eine Person (wenn auch mit Hilfe Dritter) in der Lage ist, einen ihren wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend herabgesetzten, nicht aber den Höchstbeitrag zu zahlen. Denn gerade (auch) für solche wirtschaftlich minder bemittelte Personen ist dieses Rechtsinstitut der Herabsetzung der Beitragsgrundlage des § 76 Abs. 2 ASVG vorgesehen. Wäre die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin richtig, bestünde also schon dann, wenn eine Person zwar (wenn auch mit Hilfe dritter Personen) in der Lage ist, den herabgesetzten, nicht aber den Höchstbeitrag zu zahlen, ein Anspruch auf Sicherung des Lebensbedarfes im Sinne des § 76 Abs. 2 ASVG, so verlöre diese Bestimmung jeglichen Anwendungsbereich. Das aber war mit der Einführung der strittigen Wendung durch die 35. ASVG-Novelle nicht bezweckt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 1983, Slg. Nr. 9809, in dem er sich ausführlich mit der Verfassungsmäßigkeit dieser neuen Bestimmung befaßte, unter Hinweis auf den Ausschußbericht (552 BlgNR XV. GP, Seite 2f) ausführte, liegt der Sinn dieser Bestimmung darin, die Risikogemeinschaft der Versicherten durch die Möglichkeit der Selbstversicherung nicht mit allen schlechten Risken zu belasten und doch jene wirtschaftlich Minderbemittelten zu begünstigen, die noch nicht in den Genuß der Sozialhilfe kommen. Demnach solle die Leistungsunfähigkeit dessen nicht mehr in Betracht gezogen werden, dem nicht einmal die Selbstversicherung auf der niedrigsten zulässigen Stufe aus eigenen Kräften und Mitteln zuzumuten ist, weil ihm öffentliche Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (wenn sie auch nicht in der Gewährung von Krankenhilfe besteht: vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1986, Zl. 84/08/0226) gewährt werden muß.

Der begehrten Herabsetzung der Beitragsgrundlage steht schließlich auch nicht der Umstand entgegen, daß letztlich die Schwester der Mitbeteiligten wirtschaftlich mit diesen Beiträgen belastet werden wird. Denn nach dem durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1988, BGBl. Nr. 609/1987, eingefügten zweiten Ausschlußtatbestand einer Herabsetzung der Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung in § 76 Abs. 2 ASVG ist eine solche Herabsetzung nur dann unzulässig, wenn Selbstversicherte gegenüber einem Wohlfahrtsfonds auf Grund einer satzungsmäßigen oder vertraglichen Regelung ganz oder teilweise Anspruch auf Ersatz der Beiträge haben.

Da somit der angefochtene Bescheid im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989080216.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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