TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/27 89/07/0165

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.03.1990
beobachten
merken

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

WRG 1959 §31 Abs1;
WRG 1959 §31 Abs2;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRG 1959 §98 Abs1;
WRG 1959 §99 Abs1 litc;
WRG 1959 §99 Abs1 liti;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner und des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des Bundes (Österreichische Bundesbahnen) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 2. August 1989, Zl. 3-30 St 62-88/38, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. 1.1. Im Februar 1977 war durch die Baubezirksleitung Liezen festgestellt worden, daß im Zuge der Grabung eines Kanals im Bereich des "alten Bahnhofes" S beim dort anstehenden Grundwasser Mineralöl in Phase auftritt.

1.2. Nachdem ein diesbezüglicher, auf § 57 Abs. 1 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 31 Abs. 1, 2 und 3 sowie 98 Abs. 1 WRG 1959 gestützter Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen (BH) infolge einer Vorstellung der Österreichischen Bundesbahnen außer Kraft getreten war, erließ dieselbe Behörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens unter dem Datum 29. April 1977 einen Bescheid, mit dem gemäß § 31 Abs. 3 und § 98 Abs. 1 WRG 1959 "zur Wahrung öffentlicher und privater Interessen sowie zum Schutze des Grundwassers den Österreichischen Bundesbahnen auf ihre Kosten die Durchführung nachstehender Maßnahmen zur Feststellung der Ausdehnung und Art der Verunreinigung beim Verladebahnhof in S aufgetragen" wurde:

"XXXXX....XXXX"

5. Nach Feststellung des Verunreinigungsumfanges und der möglichen Festlegung der zielführenden Sanierungsmaßnahmen ist der verunreinigte Bereich zu sanieren."

Dieser Bescheid ist nach Ausweis der Akten in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit Bescheid der BH vom 1. März 1978 wurden gemäß §§ 31 Abs. 3 und 98 Abs. 1 WRG 1959 den Österreichischen Bundesbahnen als Verpflichteten auf ihre Kosten "im Sinne des Punktes 5. des rechtskräftigen Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 29. April 1977, GZ 8 St nn1/5-1977", die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen (insgesamt acht) Sanierungsmaßnahmen im Bereich des Verladebahnhofes in S aufgetragen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde die Einwendung der Österreichischen Bundesbahnen, "daß für das gegenständliche Verfahren gemäß § 99 Abs. 1 lit. i WRG 1959 der Landeshauptmann zuständig sei", zurückgewiesen. Unter Spruchpunkt III wurden zwei weitere - hier nicht interessierende - Einwendungen der Österreichischen Bundesbahnen abgewiesen.

Zu Spruchpunkt II wurde begründend ausgeführt, § 98 Abs. 1 WRG 1959 verleihe der Bezirksverwaltungsbehörde bei Gefahr einer Gewässerverunreinigung im Zusammenhalt mit § 31 Abs. 3 leg. cit. die Kompetenz, dem Verpflichteten alle zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen aufzuerlegen. § 99 Abs. 1 lit. i WRG 1959 behandle hingegen die Zuständigkeit des Landeshauptmannes für Anlagen, die einer Genehmigung auch nach anderen Vorschriften bedürften, wenn hienach der Landeshauptmann oder ein Bundesminister zur Entscheidung in erster Instanz berufen sei, spreche aber mit keinem Wort von der Kompetenz bei Maßnahmen, die bei Gefahr einer Gewässerverunreinigung zu treffen wären. § 99 Abs. 1 lit. i leg. cit. habe vielmehr stets Maßnahmen im Zuge der projektsgemäßen Errichtung von Anlagen im Auge, weshalb im gegenständlichen Fall die Kompetenzvorschrift des § 98 Abs. 1 WRG 1959 zum Tragen käme (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. März 1974, Slg. Nr. 8575/A).

3. Mit Bescheid vom 2. August 1989 wies der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 die Berufung der Österreichischen Bundesbahnen gegen den Bescheid der BH vom 1. März 1978 unter gleichzeitiger Neufassung des Spruchpunktes I und Vorschreibung von im Zuge des Berufungsverfahrens entstandenen Barauslagen (§ 76 AVG 1950) als unbegründet ab.

Hinsichtlich der von ihr im vorliegenden Fall bejahten erstinstanzlichen Zuständigkeit der BH führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides folgendes aus: Für Eisenbahnanlagen sei zwar die Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr generell gegeben, zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung sei jedoch nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 vorzugehen, wenn die erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig gesetzt würden. Die genannte Gesetzesstelle enthalte mit Ausnahme einer Zuständigkeit des Bürgermeisters keine Regelung darüber, welche Behörde als zuständige Wasserrechtsbehörde in solchen Fällen einzuschreiten habe. Bei der Prüfung der Frage der Zuständigkeit sei daher auf die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der §§ 98 ff WRG 1959 Bedacht zu nehmen. Gemäß § 98 Abs. 1 leg. cit. sei, sofern in diesem Bundesgesetz keine anderweitigen Bestimmungen getroffen seien, sowie in allen Strafsachen in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 1983,

Zlen. 83/07/0167, 0168). Da weder § 99 noch § 100 WRG 1959 "im Falle des § 31 Abs. 3 ein Einschreiten des Landeshauptmannes bzw. des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vorsieht, war daher die Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Liezen im Gegenstande entgegen der von der Berufungswerberin vertretenen Ansicht gegeben (vgl. auch Erkenntnis Verwaltungsgerichtshof vom 15. März 1974, Zl. 1360/73)".

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer in der Beschwerde - wie bereits vorher in der Berufung - geltend, "daß die BH Liezen in I. und der Landeshauptmann in II. Instanz nicht zur Erlassung eines Bescheides zuständig (waren)". Gemäß § 99 Abs. 1 lit. i WRG 1959 sei für Anlagen, die einer Genehmigung auch nach anderen Vorschriften bedürften, wenn hienach der Landeshauptmann oder ein Bundesministerium (hier das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) zur Entscheidung berufen sei, der Landeshauptmann in erster Instanz zuständig. In zweiter Instanz wäre der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit der Angelegenheit zu befassen gewesen (Art. 103 Abs. 4 B-VG). Die Argumentation der belangten Behörde, weder § 99 noch § 100 WRG 1959 sehe ein Einschreiten des Landeshauptmannes bzw. des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vor, weshalb mangels anderweitiger Kompetenzbestimmungen gemäß § 98 leg. cit. die BH zur Entscheidung berufen gewesen sei, gehe von einer falschen Voraussetzung aus. Die belangte Behörde verkenne hiebei, daß es sich bei § 99 Abs. 1 lit. i WRG 1959 um eine solche ausdrückliche Bestimmung handle, die ein Einschreiten des Landeshauptmannes in erster Instanz, und zwar auch im Falle des § 31 Abs. 3 leg. cit., vorsehe, und daher die Generalklausel des § 98 Abs. 1 letzter Satz WRG 1959 nicht zur Anwendung gelange.

2.1. Nach § 31 Abs. 1 WRG 1959 ist jedermann verpflichtet, Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen, die eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt herzustellen, zu betreiben und zu erhalten sowie sich überhaupt mit dieser Sorgfalt so zu verhalten, daß eine dem Reinhaltungsziel des § 30 WRG zuwiderlaufende und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckte Wasserverunreinigung vermieden wird. An das Gebot des § 31 Abs. 1 WRG 1959 schließt sich die Vorschrift des Abs. 2 an, die den Fall regelt, daß dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung eintritt. Können die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen (nach § 31 Abs. 2 WRG) nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, so hat gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 die Wasserrechtsbehörde, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.

2.2. Auch wenn man - wie dies die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens tun - davon ausgeht, daß es sich bei der Anlage, auf die sich die von der belangten Behörde im Instanzenzug angeordneten Sanierungsmaßnahmen beziehen (Bahnkörper im Bereich des Verladebahnhofes S), um eine Eisenbahnanlage handelt, so kommt im vorliegenden Fall - entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Partei - dennoch die Zuständigkeitsvorschrift des § 99 Abs. 1 lit. i WRG 1959 nicht zum Tragen. Dies deshalb, weil es im sachlichen Anwendungsbereich des § 31 Abs. 3 leg. cit. hinsichtlich des Auftrages und der Anordnung der "entsprechenden Maßnahmen" nicht darauf ankommt, ob die Gefahr einer Gewässerverunreinigung von einer "Anlage" bzw. deren Betrieb ausgeht, es vielmehr entscheidend ist, daß die von der Wasserrechtsbehörde aufzutragenden oder unmittelbar anzuordnenden Maßnahmen zur Vermeidung der Gefahr einer Gewässerverunreinigung geboten sind. Allein dieser, aus den Abs. 1 bis 3 des § 31 WRG 1959 in ihrem Zusammenhalt ableitbare normative Gesichtspunkt einer spezifischen Gefahrenabwehr ist maßgebend für die Frage, welche Behörde als zuständige Wasserrechtsbehörde nach § 31 Abs. 3 leg. cit. einzuschreiten hat. Da weder der von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte Tatbestand des § 99 Abs. 1 lit. i noch der des allenfalls in Betracht kommenden § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 den Auftrag oder die Anordnung von zur Hintanhaltung der Gefahr einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen zum Gegenstand haben (hinsichtlich der Vorschrift des § 99 Abs. 1 lit. c leg. cit. vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 1974, Zl. 1360/73 = Slg. Nr. 8575/A), war zur Erteilung des hier bekämpften wasserpolizeilichen Auftrages nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 in erster Instanz im Grunde des § 98 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. die BH zuständig. Die insoweit von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt demnach nicht vor.

3.1. Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei als Verpflichtete im Sinne des § 31 Abs. 1 WRG 1959 angesehen hat. Die Behörde habe hiebei verkannt, daß nicht der gesamte Bahnkörper eine Anlage der Österreichischen Bundesbahnen im Sinne der genannten Vorschrift darstelle. Lediglich die Anlagen der Fa. H die seinerzeit Schwellenimprägnierungen durchgeführt habe, seien solche, die eine Einwirkung auf Gewässer im Sinne des § 31 Abs. 1 leg. cit. herbeiführen könnten. Die beschwerdeführende Partei habe auch keine Maßnahmen und Unterlassungen vorgenommen bzw. begangen, die eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen könnten, da solche ebenfalls ausschließlich von der genannten Firma erfolgt seien. Der Umstand, daß eine gewerbliche Betriebsstättengenehmigung dieser Firma nicht habe festgestellt werden können bzw. die Klärung der Frage, ob die Firma seinerzeit eine solche besessen habe, sei aus rechtlicher Sicht für die Beurteilung, wer "Verpflichteter" sei, ohne Bedeutung.

3.2. Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Die belangte Behörde hat die von ihr zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung für erforderlich erachteten Sanierungsmaßnahmen ausschließlich der beschwerdeführenden Partei aufgetragen und diese solcherart als Verpflichtete im Sinne des § 31 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 WRG 1959 angesehen. Dies nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht, ist es doch unmittelbar einleuchtend, daß es sich bei einem Bahnkörper eines Verladebahnhofes, in dessen Bereich, wie im Verwaltungsverfahren ermittelt und unbestritten festgestellt wurde, bereits vor dem 1. Weltkrieg, aber auch noch derzeit mit Teerölen hantiert und eine Ladetätigkeit mit Mineralölen entfaltet wird, um eine Anlage handelt, mit der bzw. deren Betrieb geradezu typisch eine Einwirkung auf Gewässer im Sinne des § 31 Abs. 1 WRG 1959 verbunden ist. An der als zutreffend erkannten Qualifikation der beschwerdeführenden Partei als "Verpflichtete" vermag nichts zu ändern, daß in einem Teilbereich ihrer Anlage ein Schwellenimprägnierungsunternehmen tätig war. Denn die nach dieser Gesetzesstelle für den Betrieb der Anlage bestehende Sorgfaltspflicht umfaßt auch das - zum Betrieb gehörende - Benützen der Anlage durch Dritte (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Slg. Nr. 8575/A).

4. Angesichts des Vorgesagten ist der Verfahrensrüge der beschwerdeführenden Partei dahingehend, daß die belangte Behörde Ermittlungen über die Verursachung der Gewässerverunreinigung verabsäumt habe, der Boden entzogen.

5. Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

7. Im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache, erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989070165.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten