TE Vfgh Beschluss 1987/9/25 B153/87

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Veröffentlicht am 25.09.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig und begründet - minderer Grad des Versehens durch Kanzleikraft des Beschwerdevertreters, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird stattgegeben.

Begründung

Begründung:

1. Mit einer am 27. Feber 1987 beim VfGH überreichten Beschwerde bekämpft der Antragsteller einen ihm am 2. Jänner 1987 zugestellten Bescheid des Landesarbeitsamts Wien. Gleichzeitig beantragt er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung.

Der - rechtzeitig eingebrachte - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird damit begründet, daß die mit der Öffnung und Verteilung der Post sowie Fristvormerkungen beauftragte Kanzleiangestellte des Beschwerdevertreters die sechswöchige Beschwerdefrist aufgrund eines Versehens offenbar nicht - wie vom Beschwerdevertreter ausdrücklich angewiesen - vom 2. Jänner 1987 an berechnete, sondern vom 2. Feber 1987 sechs Wochen zählte und daher das Ende der Beschwerdefrist mit 16. März 1987 anstatt mit 13. Feber 1987 eintrug. Der Beschwerdevertreter habe am 16. Feber 1987 um Vorlage des Aktes gebeten, mit dem Bemerken, daß die Beschwerdefrist demnächst ablaufen müßte. Bei dieser Gelegenheit habe er die irrtümliche Fristvormerkung bemerkt.

Der langjährig als Rechtsanwaltsangestellte tätigen und gerade auch in Fristangelegenheiten erfahrenen Kanzleikraft sei ein derartiges oder ähnliches Versehen bisher noch nie unterlaufen; sie habe ihre Tätigkeit als Kanzleikraft bisher zur vollen Zufriedenheit des Beschwerdevertreters und ohne jeglichen Anstand ausgeführt. Da der Beschwerdevertreter nicht damit rechnen konnte, daß die sechswöchige Beschwerdefrist entgegen seiner Anordnung statt vom 2. Jänner 1987 vom 2. Feber 1987 weg berechnet und eingetragen wurde, liege ein unvorhergesehenes Ereignis vor, das ihn an der fristgerechten Überreichung der Beschwerde gehindert habe.

Zur Bescheinigung seines Vorbringens legte der Beschwerdevertreter eine von ihm persönlich und von der Kanzleiangestellten abgegebene eidesstattliche Erklärung über die Richtigkeit der dargelegten Vorgänge ab.

2. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei - fährt das Gesetz fort - ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des VfGH leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

3. Nach dem vom VfGH als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Antragstellers kann das Verschulden der Kanzleikraft, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO; VfGH 1. 3. 1986, B680/85), bei der Vormerkung des Termins für den Ablauf der Beschwerdefrist nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältigen Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann (vgl. VfSlg. 10771/1986). Der VfGH sieht auch keinen Anlaß, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß nach den in langjähriger Zusammenarbeit gewonnenen Erfahrung für den Beschwerdevertreter kein Grund gegeben war, an der Verläßlichkeit seiner Angestellten zu zweifeln.

4. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B153.1987

Dokumentnummer

JFT_10129075_87B00153_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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