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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 31. Juli 1989, Zl. 338.227/2-3/89, betreffend Zurückweisung der Berufung in Angelegenheit Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 31. August 1982, AZ S n1/82, wurde über das Vermögen des Arbeitgebers des Beschwerdeführers der Konkurs eröffnet. Der Beschwerdeführer beantragte die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld, u.a. für Abfertigung und für Provisionen.
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Wr. Neustadt vom 27. Mai 1983 wurde dem Beschwerdeführer Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigung in der Höhe von S 518.400,-- zuzüglich Zinsen in der Höhe von S 6.912,-- zuerkannt.
Mit Bescheid vom 16. Juli 1987 lehnte das Arbeitsamt Wr. Neustadt die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld für Provisionen ab, weil diese Forderung einer rechtlichen Grundlage entbehre.
Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung gab das Landesarbeitsamt Niederösterreich mit Bescheid vom 23. September 1988 Folge. Es erkannte dem Beschwerdeführer Insolvenz-Ausfallgeld für Provisionen in der Höhe von S 318.574,-- zuzüglich Zinsen in der Höhe von S 4.248,-- zu und sprach gleichzeitig aus, daß "diesem Zuerkennungsbetrag ein Rückforderungsanspruch an zuviel ausbezahltem Insolvenz-Ausfallgeld für Abfertigungsentschädigung" in der Höhe von S 345.600,-- zuzüglich Zinsen in der Höhe von S 4.608,-- entgegengehalten werde und somit keine Auszahlung von Insolvenz-Ausfallgeld erfolge. Dieser Bescheid enthielt die Rechtsmittelbelehrung, daß gegen ihn keine Berufung zulässig sei, innerhalb von sechs Wochen jedoch eine Beschwerde an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden könne, die von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein müsse.
Gegen diesen Bescheid, und zwar nur soweit dem zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeld ein Rückforderungsanspruch gegenübergestellt und ausgesprochen wurde, daß keine Auszahlung von Insolvenz-Ausfallgeld erfolge, erhob der Beschwerdeführer zur hg. Zl. 88/11/0247 Beschwerde, die mit Beschluß vom 7. März 1989 zurückgewiesen wurde, weil mit dem von der Beschwerde bekämpften Teil des Bescheides nicht über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid entschieden, sondern der Widerruf des nach Meinung der belangten Behörde zu Unrecht bezogenen Insolvenz-Ausfallgeldes für Abfertigung ausgesprochen und auf Grund dessen die Kompensationserklärung abgegeben worden sei. Dabei handle es sich um Angelegenheiten, hinsichtlich deren das Landesarbeitsamt funktionell in erster Instanz und nicht als Berufungsbehörde entschieden habe, weshalb die Berufung an den Bundesminister für Arbeit und Soziales zulässig und sohin der Instanzenzug nicht ausgeschöpft sei.
Dieser Beschluß wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 21. April 1989 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 28. April 1989 (zur Post gegeben am selben Tag) beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 71 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AVG 1950 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, erklärte, gegen den Bescheid vom 23. September 1988 Berufung zu erheben, und kündigte an, er werde die Gründe für dieses Rechtsmittel mit gesondertem Schriftsatz bekanntgeben. Mit dem als "Bekanntgabe" bezeichneten Schriftsatz vom 2. Mai 1989 (zur Post gegeben am 3. Mai 1989) führte der Beschwerdeführer die Berufung aus und beantragte, den genannten Bescheid aufzuheben.
Mit Bescheid vom 24. Mai 1989 gab das Landesarbeitsamt Niederösterreich dem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 71 Abs. 1 lit. b und Abs. 4 AVG 1950 Folge.
Mit Bescheid vom 31. Juli 1989 wies der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Berufung gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 23. September 1988 zurück und führte begründend aus, gemäß § 71 Abs. 3 AVG 1950 habe die Partei im Falle der Versäumung einer Frist die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen. Nach § 63 Abs. 3 leg. cit. habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Der Hinweis im Wiedereinsetzungsantrag, gleichzeitig Berufung zu erheben und die Gründe für dieses Rechtsmittel mit gesondertem Schriftsatz bekanntzugeben, entspreche nicht diesem Erfordernis, weshalb die Berufung zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG 1950 hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages stellt einen inhaltlichen Mangel der Berufung dar und kann nicht als Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 angesehen werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0311). Enthält jedoch der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages, so gilt gemäß § 61 Abs. 5 AVG 1950 das Fehlen eines solchen als Formgebrechen (§ 13 Abs. 3).
Im vorliegenden Fall wies der vom Beschwerdeführer mit Berufung angefochtene Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 23. September 1988 die unrichtige Rechtsmittelbelehrung auf, daß gegen diesen Bescheid keine Berufung zulässig sei. Er enthält somit keine Angabe über das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages, weshalb das Fehlen eines derartigen Antrages im Schriftsatz vom 28. April 1989 nicht zur Zurückweisung der Berufung berechtigte, sondern nur die Erteilung eines befristeten Verbesserungsauftrages im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 gerechtfertigt hätte, der aber in der Folge deshalb entbehrlich war, weil der Beschwerdeführer die Verbesserung unaufgefordet bereits mit Schriftsatz vom 2. Mai 1989 vorgenommen hat. Da die belangte Behörde die Berufung zu Unrecht zurückgewiesen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Verbesserungsauftrag Ausschluß Berufungsverfahren Verbesserungsauftrag Bejahung BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989110230.X00Im RIS seit
27.03.1990