Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §113 Abs1 idF 1986/111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der N-AG gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 12. Jänner 1989, Zl. 123.857/3-7/88, betreffend Beitragszuschlag
(mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse), zu Recht
erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juni 1988, Zlen. 86/08/0051 und 0116, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde u.a. der Bescheid der belangten Behörde vom 21. November 1983, mit dem dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben und der Ausspruch über die Festsetzung eines Beitragszuschlages in Höhe von S 60.000,-- bestätigt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Darin sprach der Gerichtshof aus, daß dieser Bescheid noch an der Fassung des § 113 Abs. 1 ASVG vor der 41. Novelle, BGBl. Nr. 111/1986, zu prüfen gewesen sei. Danach dürfe, wenn mit dem festgestellten Meldeverstoß auch eine Beitragsnachentrichtung verbunden sei, der Beitragszuschlag weder den durch den Meldeverstoß verursachten Verwaltungsmehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsentrichtung noch das Doppelte der näher umschriebenen Beiträge bzw. Differenzen zwischen Beiträgen übersteigen. Bei der Ermittlung der objektiven Höchstgrenze des Beitragszuschlages sei die Art des Meldeverstoßes und damit das Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß ohne Belang, diesen Elementen komme nur - neben anderen Umständen, wie z.B. den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners - bei der Ermessensübung innerhalb der objektiven Grenzen Bedeutung zu. Die belangte Behörde hätte daher den jeweils durch die angenommenen Meldeverstöße verursachten Mehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsentrichtung feststellen und innerhalb dieser objektiven Höchstgrenzen die Beitragszuschläge unter Bedachtnahme auf die wirtschaftlichten Verhältnisse der Beschwerdeführerin und die Art der angenommenen Meldeverstöße bestimmen und die hiefür maßgebenden Erwägungen in einer den §§ 60 und 67 AVG 1950 entsprechenden Weise darstellen müssen. Erst dann wäre der Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen in der Lage gewesen, ob die belangte Behörde den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten habe oder nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid gab der Bundesminister für Arbeit und Soziales dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse gemäß § 73 Abs. 2 und § 66 Abs. 4 AVG 1950 (abermals) keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages sei - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - die Frage des Verschuldens des Dienstgebers nicht zu untersuchen. Nach der Wiedergabe der vorhin bereits dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die objektiven Grenzen der Höhe des Beitragszuschlages führte die belangte Behörde aus, nach einer Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 24. September 1988 belaufe sich der durch die Meldeverstöße der Beschwerdeführerin verursachte Verwaltungsmehraufwand auf S 16.766,39 und die Summe der infolge der verspäteten Beitragsentrichtung aufgelaufenen Verzugszinsen auf S 65.550,98. Da sich der verhängte Beitragszuschlag sohin innerhalb der erwähnten objektiven Grenzen bewege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, die mitbeteiligte
Wiener Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst unter Berufung auf Oberndorf (Die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 189 f) vor, für den Ersatzbescheid sei jene Rechtslage, welche seinerzeit bereits für die Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich gewesen sei, anzuwenden; inzwischen eingetretene Änderungen der Rechtslage seien nicht zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hätte den Ersatzbescheid daher auf der Grundlage des § 113 ASVG in der Fassung vor der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, zu erlassen gehabt.
Dieses Vorbringen widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von der abzugehen er keinen Anlaß sieht -, daß nämlich nach Aufhebung eines Bescheides durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde anläßlich der Fortführung und des neuerlichen Abschlusses des Verfahrens eine inzwischen eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen hat (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1955, Zl. 1710/55) und insoweit daher keine Bindung im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG eintritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 1989, Zl. 88/08/0249, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Es ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde auf Grund der geänderten Rechtslage auf den vorliegenden Sachverhalt die alte oder die neue Rechtslage anzuwenden hatte. Im allgemeinen hat die Rechtsmittelbehörde das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war (vgl. unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, VwSlg. 9315/A).
Bei der Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG kommt es nun nicht etwa darauf an, auf welche Beitragszeiträume sich die Meldeverstöße beziehen, die zum Anlaß einer Beitragszuschlagsvorschreibung genommen wurden; daher ist auch für die Entscheidung über den Einspruch gegen einen die Vorschreibung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG betreffenden Bescheid die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Einspruchsbehörde geltende Rechtslage maßgebend (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1983, Zl. 82/08/0088, sowie vom 3. Juli 1986, Zl. 86/08/0063). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß im fortgesetzten Verwaltungsverfahren der § 113 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 41. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 111/1986, anzuwenden war.
In ihrem übrigen Beschwerdevorbringen geht die Beschwerdeführerin offenbar von der Maßgeblichkeit der alten Rechtslage aus, jedenfalls verkennt sie den Inhalt der neuen Rechtslage:
Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist auch der Beitragszuschlag nach § 113 Abs. 1 ASVG nF - so wie jener nach § 113 Abs. 1 ASVG aF - nicht als Verwaltungsstrafe, sondern als eine (neben der Bestrafung nach den §§ 111, 112 ASVG ermöglichte) wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten. Demgemäß darf der Beitragszuschlag dann, wenn mit dem festgestellten Meldeverstoß auch eine Beitragsnachentrichtung verbunden ist, - bei Bedachtnahme auf den Regelungszusammenhang des § 113 ASVG mit § 59 leg. cit. - ähnlich wie nach der alten Rechtslage weder den durch den Meldeverstoß verursachten Verwaltungsmehraufwand zuzüglich der Verzugszinsen infolge der verspäteten Beitragsentrichtung noch das Doppelte der näher umschriebenen Beiträge übersteigen; er darf aber in solchen Fällen - anders als nach der alten Rechtslage - nach dem klaren Wortlaut des § 113 Abs. 1 ASVG nF, unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners und der Art des Meldeverstoßes, auch eine Untergrenze nicht unterschreiten, nämlich die Höhe der Verzugszinsen, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Der Art des Meldeverstoßes und damit dem Verschulden des Meldepflichtigen an diesem Verstoß kommt - neben anderen Umständen, wie z.B. den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beitragsschuldners - nur bei der Ermessensübung innerhalb dieser objektiven Grenzen Bedeutung zu (vgl. u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1989, Zlen. 89/08/0189, AW 89/08/0039, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Dem Beschwerdevorbringen, es sei der Behörde freigestellt, ob sie überhaupt einen Beitragszuschlag vorschreiben wolle, ist daher entgegenzusetzen, daß der Regelungsinhalt des § 113 Abs. 1 ASVG nF im Falle eines zu einer Beitragsnachentrichtung führenden Meldeverstoßes eine Mindesthöhe des Beitragszuschlages, nämlich das Ausmaß der Verzugszinsen, gebietet und daher ein völliges Absehen von der Verhängung eines Beitragszuschlages nicht in Betracht kommt.
Da nach der Begründung des angefochtenen Bescheides der festgesetzte Beitragszuschlag mit S 60.000,-- unter der als objektive Untergrenze anzusehenden Höhe der Verzugszinsen von S 65.550,98 liegt, kommt auch dem Beschwerdevorwurf keine Berechtigung zu, die Behörde habe sich mit dem Einspruchsvorbringen hinsichtlich des mangelnden Verschuldens der Beschwerdeführerin am Meldeverstoß nicht auseinandergesetzt: Selbst wenn überhaupt kein Verschulden der Beschwerdeführerin vorläge, wären zumindest die Verzugszinsen als Untergrenze des Beitragszuschlages vorzuschreiben gewesen.
Wenn in diesem Zusammenhang die Beschwerdeführerin der belangten Behörde weiters vorwirft, sie habe sich im Verwaltungsverfahren auch nicht mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt, daß überhaupt keine Meldeverstöße begangen worden seien, ist dies nur vor dem Hintergrund der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren der Sache nach vertretenen Rechtsansicht verständlich, ein die Verhängung eines Beitragszuschlages rechtfertigender Meldeverstoß liege dann nicht vor, wenn der Beitragspflichtige ohne Verschulden auf Grund einer anderen Rechtsauffassung die Meldepflichten nicht erfüllt habe. Demgegenüber schließt aber das Fehlen der subjektiven Vorwerfbarkeit des Meldeverstoßes die Verhängung eines Beitragszuschlages nach § 113 Abs. 1 ASVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus (vgl. das Erkenntnis vom 13. Juni 1989, Zl. 89/08/0042); vielmehr kommt es nur darauf an, daß objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen. Daß ein Meldeverstoß in diesem Sinn vorliegt, wurde von der Beschwerdeführerin aber nicht bestritten.
Da die belangte Behörde keinen über die Verzugszinsen hinausgehenden Beitragszuschlag vorschrieb, war sie auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht gehalten, den verursachten Verwaltungsmehraufwand zu ermitteln und in der Begründung darzulegen. Dies gilt auch für das Vorbringen betreffend die mangelhafte Begründung der Berechnung der Verzugszinsen, weil die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Gesamtsumme der Verzugszinsen genannt hat und sich deren Berechnung aus der von der Beschwerdeführerin unbestrittenen, ziffernmäßig bekannten und darüber hinaus auch bereits bezahlten Beitragsnachforderung mittels einfacher Rechenvorgänge nachvollziehen läßt.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989080050.X00Im RIS seit
13.02.2002Zuletzt aktualisiert am
27.06.2011