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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GO VwGH 1965 Art11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Anträge des N auf Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1989, Zl. 89/11/0209, abgeschlossenen Verfahrens, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zusammenhang mit diesem Verfahren, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Den Anträgen wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1989, Zl. 89/11/0209, wurde das Verfahren betreffend die Beschwerde des N (im folgenden als Antragsteller bezeichnet) gegen den die vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung aussprechenden Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 10. Juli 1989 eingestellt, weil der damalige Beschwerdeführer der an ihn ergangenen Aufforderung, die der Beschwerde anhaftenden Mängel zu beheben, insoweit nicht nachgekommen war, als er zwar einen ergänzenden Schriftsatz innerhalb der gesetzten Frist eingebracht, es jedoch unterlassen hatte, die diesem Schriftsatz angeschlossene Beschwerde durch einen Rechtsanwalt zu unterfertigen und zwei weitere Ausfertigungen der Beschwerde anzuschließen.
Dieser Beschluß wurde am 7. Februar 1990 dem Antragsteller zu Handen des im Beschwerdeverfahren zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwaltes Dr. A zugestellt.
1. Mit dem vorliegenden, am 21. Februar 1990 zur Post gegebenen Schriftsatz wird die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 lit. d (gemeint offenbar § 45 Abs. 1 Z. 4) VwGG beantragt und dazu ausgeführt, der Einstellungsbeschluß sei rechtswidrig, weil für den Fall, daß eine Beschwerde zur Behebung von Mängeln nach § 34 Abs. 2 VwGG zurückgestellt werde, es dem Beschwerdeführer gemäß Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes freizustellen sei, einen neuen Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten Beschwerde einzubringen. Diese Bestimmung enthalte Vorschriften, die die Einhaltung des notwendigen Parteiengehörs regeln. Diesen Vorschriften sei im Verbesserungsverfahren nicht entsprochen worden. Der vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren gewählte Vorgang bei der Vorlage des verbesserten Schriftsatzes entspreche den Bestimmungen des Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund gegeben sei.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte.
Mit der Behauptung, der Beschluß vom 19. Dezember 1989 sei infolge Verstoßes gegen Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes rechtswidrig, wird kein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 45 Abs. 1 VwGG, sei es nach Z. 4, sei es nach einem anderen Tatbestand dieser Gesetzesstelle aufgezeigt. Einer Anhörung des Antragstellers vor der Fassung des Einstellungsbeschlusses bedurfte es nicht. Soweit die Ausführungen des Antragstellers dahin zu verstehen sind, durch den Inhalt des Mängelbehebungsauftrages sei gegen Vorschriften über das Parteiengehör verstoßen worden, ist ihm zu erwidern, daß der Verwaltungsgerichtshof vor der Fassung des Einstellungsbeschlusses die hier strittige Rechtsfrage in seine Überlegungen einbezogen hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, daß sowohl vom Beschwerdeschriftsatz als auch vom ergänzenden Schriftsatz die entsprechende Zahl von Ausfertigungen vorgelegt werden muß, weil dadurch gewährleistet ist, daß das gesamte im Beschwerdeverfahren zu beachtende Vorbringen des Beschwerdeführers jeder vom Verwaltungsgerichtshof zu verständigenden Partei oder Behörde zur Kenntnis gebracht wird.
Auch der Wiederaufnahmegrund nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG liegt nicht vor. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Wiederaufnahme zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumnis einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht. Dieser Wiederaufnahmegrund bezieht sich nur auf den Sachverhalt und nicht auf die rechtliche Beurteilung (vgl. den hg. Beschluß vom 28. Juni 1989, Zlen. 88/09/0095, 0096, mit weiteren Judikaturhinweisen). In tatsächlicher Hinsicht ist aber unbestritten, daß der Antragsteller im Beschwerdeverfahren rechtzeitig den ergänzenden Schriftsatz eingebracht und die Beschwerde wieder vorgelegt hat.
Da ein die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigender Grund nicht geltend gemacht wurde, war dem (zur Zl. 90/11/0053 protokollierten) Antrag auf Wiederaufnahme des mit hg. Beschluß vom 19. Dezember 1989, Zl. 89/11/0209, abgeschlossenen Verfahrens nicht stattzugeben.
2. Mit dem vorliegenden Schriftsatz wird hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage der ursprünglichen Beschwerde in dreifacher Ausfertigung sowie zur Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt beantragt. Der Inhalt des Formulars, mit dem der Verbesserungsauftrag erteilt worden sei, widerspreche Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Antragsteller bzw. sein Vertreter im Beschwerdeverfahren hätten wohl darauf vertrauen dürfen, daß der Verwaltungsgerichtshof die von ihm beschlossene Geschäftsordnung einhalte und es dem Antragsteller freistehe, einen neuen Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten Beschwerde einzubringen. Dies habe der Beschwerdeführer jedoch mit Schriftsatz vom 15. November 1989 getan. Die Tatsache, daß der Verwaltungsgerichtshof bei der Erteilung des Verbesserungsauftrages seine Geschäftsordnung nicht eingehalten habe, stelle für den Antragsteller ein unvorhergesehenes Ereignis dar, durch welches er gehindert gewesen sei, den Verbesserungsauftrag fristgerecht zu erfüllen.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antragsteller behauptet nicht, den Verbesserungsauftrag mißverstanden zu haben, sondern erblickt das unvorhergesehene Ereignis im Sinne der zitierten Gesetzesstelle in einem Widerspruch des Verbesserungsauftrages zu Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß der vermeintliche Widerspruch zwischen dem Verbesserungsauftrag und Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes nicht besteht, weil im Verbesserungsauftrag nach der genauen Bezeichnung der zu behebenden Mängel ausdrücklich angeführt wurde, daß ein ergänzender Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen ist und die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen ist, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird. Damit trug der Verbesserungsauftrag dem Art. 11 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes Rechnung. Es war somit nicht notwendig, daß der Antragsteller oder sein Vertreter die Ergänzungen auf der vom Antragsteller zunächst eingebrachten Beschwerde anbringt, sondern er konnte zu diesem Zweck einen neuen Schriftsatz einbringen. Dies bedeutete aber nicht, daß - trotz entsprechenden Verbesserungsauftrages - die Beschwerde nicht unterfertigt zu werden brauchte und keine weiteren Ausfertigungen von ihr vorzulegen waren. Wenn der Antragsteller sohin den ausdrücklichen Inhalt des Verbesserungsauftrages nicht beachtet hat, kann darin ein minderer Grad des Versehens nicht erblickt werden (vgl. den einen gleichartigen Fall behandelnden Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1989, Zlen. 89/03/0049, 0050).
Somit war auch dem (zur Zl. 90/11/0054 protokollierten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben.
Da sich bereits aus dem Vorbringen im Antrag seine mangelnde Berechtigung ergibt, erübrigte sich ein Verbesserungsauftrag in der Richtung, die Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwaltes durch den Antragsteller nachzuweisen oder den vorliegenden Schriftsatz eigenhändig zu unterfertigen. Die Bestellung zum Vertreter im Beschwerdeverfahren reichte zum Nachweis der Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwaltes nicht aus, weil sich diese Bestellung nur auf das Beschwerdeverfahren, nicht aber - nach Beendigung des Beschwerdeverfahrens - auf das Verfahren betreffend die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erstreckt.
Schlagworte
MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990110053.X00Im RIS seit
27.03.1990