TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/28 89/03/0176

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Veröffentlicht am 28.03.1990
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Index

StVO
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §4 Abs1
StVO 1960 §4 Abs5

Betreff

N gegen Steiermärkische Landesregierung vom 27. April 1989, Zl. 11-75 A 64-88 betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 21. April 1988 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 23. Juli 1987, um 13.45 Uhr, an einer bestimmten Straßenstelle als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw 1. es unterlassen, ihr Fahrzeug sofort anzuhalten, obwohl ihr Verhalten am Umfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden sei, 2. es unterlassen, obwohl ihr Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden sei, ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen. Sie habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1. § 4 Abs. 1 lit. a StVO und 2. § 4 Abs. 5 StVO. Zu 1. wurde gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) und zu 2. gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Zuge des Berufungsverfahrens sei das Gutachten des technischen Amtssachverständigen vom 17. Oktober 1988 erstattet worden, welches nachstehenden Inhalt habe:

„Es ist zunächst als technisch sicher anzusehen, daß auf Grund der Abmessungen der unfallsbeteiligten Fahrzeuge die Beschädigungen am Pkw Mazda 323 von der Berufungswerberin verursacht wurden.

Zur Beurteilung der Warnehmbarkeit des Anstoßgeräusches ist der im Straferkenntnis .... dargelegten Feststellung zu folgen, in der angegeben wird: 'Wenn schon der Zeuge .... ein Anstoßgeräusch hören konnte, so mußte dies auch umsomehr von der Beschuldigten wahrgenommen worden sein. Geräusche die an der Außenwand eines Fahrzeuges entstehen, werden in das Wageninnere übertragen und auf Grund der Resonanzwirkung des Wageninneren sogar noch verstärkt ...'

Zu der in der Berufungsschrift vom 5.9.1988 enthaltenen Aussage, in der festgestellt wird: 'Bei jedem anderen Schaden, wo Blech auf Blech trifft, könnte der Auffassung der ersten Instanz beigepflichtet werden, nicht aber Plastikstoßstange gegen Cellon, welches nicht einmal zersplittert ist, sondern nur sprang ...' wird folgendes festgestellt:

Nach Rücksprache mit einer autorisierten Fachwerkstätte ergab sich, daß sich bei einem VW 53 (Scirocco mit dem Baujahr 1977) zwischen zwei Ausführungen zu unterscheiden ist. Dabei verfügt das Modell 1977 über eine Chromstoßstange mit Plastikecken, während die Modelle 1978, die ab Herbst 1977 erschienen sind, über eine durchgehende Plastikstoßstange verfügen: In beiden Fällen (durchgehende Plastikstoßstange oder Stoßstangenecken aus Plastik) handelt es sich hiebei jedoch um Metallkörper mit einer Plastikverkleidung. Es ist daher als technisch sicher anzusehen, daß bei einem Anstoß Stoßstange gegen Stoßstange ein deutlich hörbares Geräusch wahrzunehmen ist. Des weiteren erscheint es als technisch sicher, daß von dem Blinker nicht nur das Cellon beschädigt wurde.

Aus dem Vorgesagten ist es als technisch sicher anzusehen, daß die Berufungswerberin bei zumutbarer Aufmerksamkeit das Anstoßgeräusch bemerkt haben mußte.'

Der im erstinstanzlichen Verfahren einvernommene Zeuge, nämlich der unbeteiligte Unfallszeuge, habe angegeben, daß die Beschwerdeführerin seiner Meinung nach den Anstoß bemerkt haben müßte, da er mit seinem Lkw unmittelbar hinter dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin gewesen sei, als sie den Einparkversuch vorgenommen habe. Er habe den Anstoß selbst gehört und sogar der Beschwerdeführerin mit Handzeichen zu verstehen gegeben, daß sie soeben einen Pkw beschädigt habe. Die Beschwerdeführerin habe jedoch das Handzeichen nicht zur Kenntnis genommen. Sie habe im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens behauptet, sie habe vom Verkehrsunfall nichts wahrgenommen, da man auf Grund eines derart geringfügigen Anstoßes im Fahrzeug weder etwas hören noch eine Erschütterung feststellen habe können. Auch habe sie die Scheibe am Pkw geschlossen gehabt .... Dieser Behauptung stehe das Gutachten des technischen Amtssachverständigen entgegen, aus dem sehr wohl hervorgehe, daß „bei einem Anstoß Stoßstange gegen Stoßstange ein deutlich hörbares Geräusch wahrzunehmen“ sei. Es sei daher davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin bei Anwendung der gehörigen Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall auf Grund des Anstoßgeräusches wahrnehmen hätte müssen. Bemerkt werde noch, daß gerade bei einem Einparkmanöver die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen wäre, eine erhöhte Aufmerksamkeit anzuwenden, da es erfahrungsgemäß bei derartigen Fahrmanövern öfters zu Berührungen mit anderen Kraftfahrzeugen komme...... Das vorliegende Gutachten decke sich mit der Aussage des unbeteiligten Unfallszeugen, der angegeben habe, in seinem Lkw den Anstoß akustisch wahrgenommen zu haben. Die Beschwerdeführerin verweise weiters darauf, daß es im konkreten Fall zu einer Berührung einer Plastikstoßstange mit einem Cellon gekommen sei und daher ein Streifungsgeräusch nicht wahrzunehmen gewesen sei. Dem stehe wiederum das Gutachten des technischen Amtssachverständigen gegenüber, aus dem hervorgehe, daß es sich bei dieser Stoßstange um einen Metallkörper mit einer Plastikverkleidung handle und daher sehr wohl ein deutlich hörbares Geräusch wahrzunehmen gewesen sei. Außerdem sei vom Blinker nicht nur das Cellon beschädigt worden..... In ihrer Stellungnahme vom 22. Dezember 1988 habe die Beschwerdeführerin bekanntgegeben, daß sie das Blinkercellon nicht zertrümmert habe, sondern das dieses nur einen Spalt oder ein kleines Loch aufgewiesen habe, wobei die Birne noch gebrannt habe und außer dem Cellon nichts beschädigt worden sei. Dies sei auch von der Sicherheitsdienststelle festgestellt worden. Des weiteren sei zum Beweis hiefür eine Bestätigung der Besitzerin des beschädigten Pkw vorgelegt worden, aus der sowohl die Höhe des Schadens als auch die Art der Beschädigung - „bei der linken vorderen Blinkeranlage wurde nur das Abdeckglas (Cellon) beschädigt (Sprung)“ - hervorgehe. Dem stehe die Zeugenaussage des Meldungslegers entgegen, der angegeben habe, daß das Blinkerglas vorne zertrümmert gewesen sei und daß es sich nicht um einen Sprung im Glas gehandelt habe, sondern daß auch ein Teil des Blinkerglases gefehlt habe. Diese Aussage des Meldungslegers sei auch von der Besitzerin des beschädigten Pkw im Wege der von ihr abgelegten Zeugenaussage bestätigt worden. Die anders lautende schriftliche Bestätigung habe sie nur deshalb unterschrieben, da sie der Angelegenheit keine große Bedeutung beigemessen habe und auch auf die Unterscheidung zwischen Sprung im Blinkerglas und einem fehlenden Teil nicht geachtet habe. Auf Grund der Zeugenaussage und des Gutachtens des technischen Amtssachverständigen stehe somit fest, daß die Beschwerdeführerin den Verkehrsunfall mit Sachschaden bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen müssen. Auf Grund ihres fahrlässigen Verhaltens habe sie es versäumt, ihr Fahrzeug sofort nach dem Verkehrsunfall anzuhalten und ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle vom Verkehrsunfall zu verständigen. Die Beschwerdeführerin habe auch durch Zahlung des Schadenersatzes - auch wenn es sich hiebei nur um eine kleine Schadenssumme gehandelt habe - ein Indiz gesetzt, daß sie den Verkehrsunfall verschuldet habe.... Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer abschließenden Stellungnahme vermeine, daß technisch nicht berücksicht worden sei, welche Höhe die Stoßstangen der beiden Fahrzeuge hatten, und auch kein Versuch unternommen worden sei, zwei gleichartige Fahrzeuge aneinanderzustellen, um herauszufinden, ob es aus technischer Sicht überhaupt zu einem derartigen Verkehrsunfall kommen hätte können, so werde dem Beweisantrag, zwei gleichartige Fahrzeuge aneinanderzustellen, nicht mehr stattgegeben, da bereits die Jahresfrist gemäß § 51 Abs. 5 VStG 1950 abzulaufen drohe und es der Beschwerdeführerin unbenommen gewesen wäre, derartige Einwendungen bereits zu einem früheren Stand des Verfahrens vorzubringen. Zu dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf die technische Unmöglichkeit sei auch auf das Gutachten des technischen Amtssachverständigen zu verweisen, dem zufolge „als technisch sicher anzusehen ist, daß auf Grund der Abmessungen der unfallbeteiligten Fahrzeuge die Beschädigungen am Pkw Mazda 323 von der Berufungswerberin verursacht wurden“. Auch dem Antrag auf Neueinvernahme des unbeteiligten Unfallszeugen werde unter dem Blickwinkel des § 51 Abs. 5 VStG 1950 nicht stattgegeben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 StVO habe alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, (lit. a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten...... Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen nach § 4 Abs. 5 StVO - abgesehen von dem auf die vorliegende Rechtssache nicht zutreffenden Fall des Identitätsnachweises - die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.

Sowohl die Anhaltepflicht gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO als auch die Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 leg. cit. setzen auch das Wissen um einen Verkehrsunfall voraus, wobei aber nicht unbedingt das positive Wissen von diesem und vom ursächlichem Zusammenhang erforderlich ist, es genügt vielmehr, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können; diese Tatbestände sind schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Weiters muß der Lenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuwenden; den eine zu kleine Parklücke begrenzenden Fahrzeugen ist erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, der Lenker hat sich allenfalls nach einem Fahrmanöver im Bereich einer solchen Parklücke durch geeignete Maßnahmen davon zu überzeugen, daß ihm das Fahrmanöver ohne Kontaktierung anderer Fahrzeuge gelungen ist (siehe unter anderem das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1989, Zl. 89/02/0153).

Die Beschwerdeführerin geht in ihrer vorliegenden Beschwerde selbst davon aus, daß sie im Zuge ihres Einparkversuches das Blinkercellon des anderen Fahrzeuges beschädigt habe. Die belangte Behörde durfte auf Grund der Zeugenaussage der Besitzerin des beschädigten Pkw davon ausgehen, daß durch den Verkehrsunfall ein Teil des Blinkerglases herausgebrochen wurde. Die belangte Behörde durfte weiters davon ausgehen, daß es sich beim Fahrmanöver der Beschwerdeführerin um einen Einparkversuch im Bereich einer zu kleinen Parklücke gehandelt hatte. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, die Beschwerdeführerin wäre „verpflichtet gewesen, eine erhöhte Aufmerksamkeit anzuwenden, da es erfahrungsgemäß bei derartigen Fahrmanövern öfters zu Berührungen mit anderen Kraftfahrzeugen kommt“, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner weiteren Beweisaufnahmen, und zwar weder betreffend jene Teile der beiden unfallsbeteiligten Fahrzeuge, die sich im Augenblick des Verkehrsunfalls berührt hatten, noch betreffend die Sinneseindrücke der Beschwerdeführerin anläßlich der Berührung der beiden Fahrzeuge.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, 28. März 1990

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030176.X00

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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