TE Vwgh Erkenntnis 1990/3/28 89/03/0261

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Veröffentlicht am 28.03.1990
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §44a lita;
VStG §6;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

Betreff

N gegen Tiroler Landesregierung vom 26. Juli 1989, Zl. IIb2-V-7434/3-89 betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom

19. Jänner 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er

habe am 10. Juli 1988 gegen 0.30 Uhr seinen dem Kennzeichen

nach bestimmten Pkw auf der Brixental Bundesstraße aus Richtung

Hopfgarten kommend in Fahrtrichtung Kirchberg gelenkt und dabei

1) im Ortsgebiet von Brixen von Strecken-km (in der Folge

km) 19,6 bis 20 die zulässige Höchstgeschwindigkeit im

Ortsgebiet laut Ablesung des Tachometers im nachfahrenden

Patrouillenwagen der Funkpatrouille um ca. 40 km/h

überschritten, 2) die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf

Freilandstraßen von km 20 bis zum Weiler Bockern, km 21,6, laut

... um ca. 20 km/h überschritten, 3) im Weiler Bockern von

km 21,6 bis 22 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h

laut ... um ca. 20 km/h überschritten, 4) die gesetzlich

zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Freilandstraßen von km 22

bis zur sogenannten Hagleitkurve bei km 22,5 laut ... um

ca. 30 km/h überschritten, 5) die zulässige

Höchstgeschwindigkeit von ca. 50 km/h im Bereich von km 22,5

bis 22,8 laut ... um ca. 30 km/h überschritten, 6) (diese

Übertretung ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht

von Bedeutung) und 7) die gesetzlich zulässige

Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Kirchberg von km 22,8

bis 23,5 laut ... um ca. 30 km/h überschritten sowie 8) (diese

Übertretung ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht mehr von Bedeutung). Er habe hiedurch Übertretungen zu 1), 2), 4) und 7) je nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 2 StVO und zu 3) und 5) je nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 Z. 10a StVO begangen. Über ihn wurden gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO Geldstrafen zu 1) von S 1.900,--, zu

2) von S 600,--, zu 3) von S 600,--, zu 4) S 900,--, zu 5) von

S 900,-- und 7) von S 900,-- (ebenso Ersatzarreststrafen) verhängt. Die Geschwindigkeitsüberschreitungen seien durch Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug in einem Abstand von mindestens 20 bis 40 m (Angaben des Beschwerdeführers) hinter dem Pkw festgestellt worden. Am Ortseingang von Kirchberg habe sich das Dienstfahrzeug durch Einschalten von Blaulicht bemerkbar gemacht. Trotzdem sei der Beschwerdeführer ohne anzuhalten, bis zum Bahnübergang im Ortszentrum weitergefahren und erst dort stehen geblieben. Der festgestellte Sachverhalt ergebe sich aus den Gendarmerieanzeigen und den Zeugenaussagen der drei im Dienstfahrzeug unterwegs gewesenen Gendarmeriebeamten. Die Angaben über die Geschwindigkeitsüberschreitungen seien vom Beschwerdeführer unbestritten geblieben. Den Angaben des Beschwerdeführers, er sei durch das nachfahrende Fahrzeug gezwungen gewesen, die Geschwindigkeitsüberschreitungen zu begehen, komme keine Bedeutung zu. Es werde vielmehr den Aussagen der Beamten gefolgt, wonach sie dem Beschwerdeführer mit ihrem mit drei Personen besetzten Fahrzeug (VW-Golf) kaum hätten folgen können. Hätte er sich wirklich verfolgt gefühlt, so hätte er, als das Blaulicht eingeschaltet worden sei, am Ortsanfang von Kirchberg sofort stehen bleiben können. Er sei aber noch mehrere hundert Meter weitergefahren. Seine Verantwortung sei daher als Schutzbehauptung zu werten.

Nach Erhebung einer Berufung durch den Beschwerdeführer wurde das Verfahren durch nochmalige Vernehmung der Gendarmeriebeamten als Zeugen und Vorlage von Plänen über die genaue Wegstrecke ergänzt und dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt. Der Meldungsleger Inspektor A gab in Übereinstimmung mit früheren Angaben an, es sei das Dienstfahrzeug in einem Abstand von 30 bis 50 m gefolgt. Zum Zeitpunkt der Ablesungen habe man aber jeweils einen gleichen Abstand eingehalten, da sonst ein Ablesen nicht sinnvoll gewesen wäre. Die Ablesungen seien jeweils auf einer Wegstrecke von 7 bis 10 Sekunden erfolgt. Diese Angaben wurden auch von den zwei anderen Beamten bestätigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Juli 1989 wurde der Berufung zu Pkt. 6) Folge gegeben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG eingestellt, zu den Pkten. 1) bis 5) und 7) nur in Ansehung der Strafen Folge gegeben und diese zu 1) auf S 1.000,--, zu 2) auf S 300,--, zu 3) auf S 300,-- sowie zu 4), 5) und 7) auf je S 500,-- (entsprechende Ersatzarreststrafen) herabgesetzt. Unter Hinweis auf das ergänzte Ermittlungsverfahren wurde ausgeführt, es stelle die Ermittlung der Geschwindigkeit durch ein Nachfahren mit einem Fahrzeug, wobei die Geschwindigkeit vom Tachometer abgelesen werde, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine verläßliche Ermittlungsart dar, wenn das Nachfahren in gleichbleibendem Abstand erfolge. Die Gendarmeriebeamten hätten als Zeugen angegeben, dem Beschwerdeführer zwar in wechselnden Abständen (30 bis 50 m) nachgefahren zu sein, aber zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsfeststellung jeweils einen gleichbleibenden Abstand eingehalten zu haben. Geschulten Straßenaufsichtsorganen, wie dies die Gendarmeriebeamten seien, sei die Vorgangsweise, wie eine solche Feststellung zu erfolgen habe, bekannt, und werde ihren Zeugenaussagen Glauben geschenkt. Wohl sei der Tachometer nicht geeicht gewesen. Doch führe dies nicht dazu, daß damit nicht von einem tauglichen Mittel gesprochen werden könne. Es könne sich jeweils nur um einen "Ungefährwert" handeln. Deshalb seien dem Beschwerdeführer auch schon durch die Erstbehörde nur "Zirkaangaben" zur Last gelegt worden. Nach den regelmäßigen Stellungnahmen des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen seien Sicherheitsabschläge bei Geschwindigkeiten über 100 km/h von 5 % und bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h um 5 km/h in Erwägung zu ziehen. Es sei deshalb auch das Strafmaß herabgesetzt worden. Auf den Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich bedrängt gefühlt, sei bereits die Erstbehörde zutreffend eingegangen. Der Beschwerdeführer hätte auch die Möglichkeit gehabt, sein Fahrzeug abzubremsen und dem nachfolgenden Fahrzeug die Vorfahrt zu ermöglichen, wenn er sich bedrängt gefühlt hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft mit seinem Vorbringen vor allem die Feststellungen der belangten Behörde, er habe die Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen, indem er deren Beweiswürdigung rügt und in diesem Zusammenhang Verfahrensmängel geltend macht.

Diesem Vorbringen kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Unter Bezugnahme auf das gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichtete Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d. h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Die belangte Behörde hat die erforderlichen Feststellungen, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen hat, auf die Anzeige und die damit im wesentlichen gleichlautenden wiederholten Zeugenaussagen des die Anzeige verfassenden Beamten und der beiden weiteren Gendarmeriebeamten, die ebenfalls Tatzeugen waren, gestützt. Diese haben insbesondere auch bei ihrer ergänzenden Zeugenvernehmung im April 1989 übereinstimmend angegeben, daß zwar, was auch der allgemeine Lebenserfahrung entspricht, der Abstand zwischen 30 und 50 m gewechselt habe, aber bei der Feststellung der jeweiligen Geschwindigkeitsüberschreitung ein gleichbleibender Abstand in der Dauer von jeweils mehreren Sekunden eingehalten worden sei. Entgegen dem Beschwerdevorbringen finden sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides insoweit die erforderlichen Feststellungen. Weiterer Feststellungen bedurfte es im gegebenen Zusammenhang nicht. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, daß die späteren Zeugenaussagen der Beamten mit ihrem früheren Vorbringen widersprüchlich seien. Die belangte Behörde hat auch ausreichend und schlüssig dargelegt, warum sie den Aussagen der Beamten gefolgt ist. Gegen die Beweiswürdigung bestehen somit keine Bedenken. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, stellt das Nachfahren mit einem Dienstfahrzeug und das Ablesen des damit ausgestatteten Tachometers grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehalten Fahrgeschwindigkeit dar, wobei es ohne Bedeutung ist, daß der Tachometer des Dienstfahrzeuges nicht geeicht ist, wenn es sich um erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen handelt. Dazu kommt noch, daß Sicherheitsorganen grundsätzlich dabei auch ein Urteil im Wege der Schätzung zuzubilligen ist (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1987, Zl. 87/03/0093). Aus der Aktenlage ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, noch wurden sie vom Beschwerdeführer mit stichhaltigen Argumenten aufgezeigt, daß mit einem ungeeichten Tachometer immerhin erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen von 20 bis 40 km/h, wie im gegenständlichen Fall, nicht festgestellt werden können (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1988, Zl. 87/03/0095), zumal selbst unter Einrechnung einer allgemein üblichen Toleranz für ungeeichte Tachometer, wie dies die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt hat, dennoch Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten durch den Beschwerdeführer gegeben sind. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer in seiner (persönlich erstatteten) Rechtfertigung vom 1. September 1988 die Tatsache der Geschwindigkeitsüberschreitungen durchaus für möglich gehalten und sie nicht bestritten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach dargelegt, daß die Anführung der Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer "Zirkaangabe" im Bescheidspruch nicht als rechtswidrig zu erkennen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1989, Zl. 89/03/0145), sodaß auch dem damit im Zusammenhang stehenden Beschwerdevorbringen keine Berechtigung zukommt.

Bei der erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptung des Beschwerdeführers, daß in zwei Fällen die Feststellungen über den Beginn bzw. das Ende der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht ganz zutreffen, sondern sich diese in der Natur etwas verschoben ergeben, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung. Sie ist auch insoweit nicht ganz verständlich, als die Kilometerangaben schon in der Anzeige genau genannt sind und von der belangten Behörde ein entsprechender Übersichtsplan eingeholt wurde, der Beschwerdeführer im ganzen Verwaltungsstrafverfahren dem aber nicht entgegengetreten ist. Im übrigen vermag der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen, daß sich selbst bei Zutreffen der vom Beschwerdeführer behaupteten Verschiebung der Streckenangaben in diesen Fällen an den dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen etwas ändern würde, zumal er selbst nicht einmal konkret behauptet hat, daß damit feststehe, daß er deshalb in dem einen oder anderen der insoweit betroffenen verschiedenen Geschwindigkeitsbereiche überhaupt keine Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen habe.

Mit dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe sich durch das auf einer längeren Strecke nachfahrende Dienstfahrzeug bedrängt gefühlt, hat sich die belangte Behörde ausreichend auseinandergesetzt. Darin, daß ein Pkw einem anderen auch auf einer längeren Strecke nachfährt, und zwar selbst unter Mißachtung von Verkehrsvorschriften, kann allein keine Notstandssituation, in welche Richtung das Vorbringen des Beschwerdeführers gehen könnte, erblickt werden (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1988, Zl. 87/03/0182). Auch der Umstand, daß die Gendarmeriebeamten den Beschwerdeführer nicht bereits früher anhielten, was ihnen im übrigen zufolge der Fahrweise des Beschwerdeführers nicht möglich war, und das Blaulicht am Dienstfahrzeug erst zu einem späteren Zeitpunkt eingeschaltet wurde, wobei der Beschwerdeführer selbst dann nicht sofort reagierte, wie sich dies aus den Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten ergibt, vermag an der Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers nichts zu ändern.

Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Feststellen der Geschwindigkeit Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung Antrag Überschreiten der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989030261.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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