TE Vfgh Erkenntnis 2006/10/11 B993/06

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Veröffentlicht am 11.10.2006
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Index

55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 24. März 2005 schrieb die Agrarmarkt Austria (im Folgenden: "AMA") dem Beschwerdeführer, einem Milcherzeuger, für den Zwölfmonatszeitraum (im Folgenden: "ZMZ") 2000/2001 eine Zusatzabgabe in der Höhe von € 60.030,78 vor, da er im ZMZ 2000/2001 Milch an einen nicht zugelassenen Abnehmer geliefert habe.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Dieser wies mit Bescheid vom 19. April 2006 die Berufung gemäß §289 BAO iVm §24 Abs3 Milch-Garantiemengen-Verordnung 1999 (im Folgenden: "MGV 1999"), BGBl. II Nr. 28/1999, ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter Rechte durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzeswidrigen Verordnung behauptet wird. Der Beschwerdeführer regt an, gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der §§101 und 105 Marktordnungsgesetz 1985 idF BGBl. Nr. 298/1995 und gemäß Art139 B-VG ein Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der ersten beiden Sätze des §24 Abs3 MGV 1999, BGBl. II Nr. 28/1999, von Amts wegen einzuleiten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 11. Oktober 2006, G50/06, V28/06; G51-53/06, V29-31/06, die Milch-Garantiemengen-Verordnung 1999 in ihrer Stammfassung BGBl. II Nr. 28/1999 zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfGH 15.10.2005, B844/05).

3. Die nichtöffentliche Beratung im Verordnungsprüfungsverfahren begann am 11. Oktober 2006. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 6. Juni 2006 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Rechtssphäre des Beschwerdeführers nachteilig beeinflusst wurde. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B993.2006

Dokumentnummer

JFT_09938989_06B00993_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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