Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §238 Abs2;Beachte
Besprechung in: FJ 1990, 272; ÖStZB 1990, 360;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte
Dr. Schubert, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Wimmer, über die Beschwerde des S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederöstereich und Burgenland vom 27. Juli 1989, Zl. GA 7-1262/89, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom 6. September 1988 als Geschäftsführer der S & Co Gesellschaft mbH. gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in der Höhe von S 186.396,-- herangezogen. Dabei handelte es sich um Lohnsteuer für die Zeit vom November 1978 bis Oktober 1979 sowie um den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen.
In der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß hinsichtlich der im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben bereits Einhebungsverjährung eingetreten sei. Außerdem seien die "Tatbestände des § 9 BAO" nicht erfüllt, wofür die "Nichtverurteilung" wegen fahrlässiger Krida spreche, was aber von der Abgabenbenhörde nicht überprüft worden sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 29. November 1988 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, daß gemäß § 238 Abs. 1 BAO das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähre, in welchem die Abgabe fällig geworden sei. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle werde die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen oder durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung unterbrochen. Mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten sei, beginne die Verjährung neu zu laufen. Die Unterbrechungshandlung müsse dem Abgabenschuldner nicht zur Kenntnis gelangen. Die Behörde müsse nur in einer jeden Zweifel ausschließenden Art etwas zur Durchsetzung des Anspruches unternommen haben, wobei erforderlich sei, daß die Unterbrechungshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten sei. Nach Eintritt der Fälligkeit seien gegen die Gesellschaft seit 1979 laufend Exekutionsschritte unternommen worden. Schließlich seien die Forderungen im Konkurs der Gesellschaft angemeldet worden. Außerdem sei die Verjährung durch Erhebungen betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und durch die Ausstellung eines Prüfungsauftrages am 18. Mai 1983 betreffend den Zeitraum vom 1. Oktober 1979 bis 31. Dezember 1982 unterbrochen worden. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der Gesellschaft die Lohnsteuer nur zeitweise bzw. unvollständig abgeführt und auch nicht bewiesen, daß ihm die Erfüllung der ihm auferlegten Pflichten unmöglich gewesen sei. Es müsse daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO ausgegangen werden. Es müsse nicht überprüft werden, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Konkurs der Gesellschaft vom Strafgericht nicht verurteilt worden sei.
Der Beschwerdeführer beantragte rechtzeitig die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er führte aus, ihm gegenüber sei eine Einbringungsmaßnahme erstmals durch Erlassung des Haftungsbescheides vom 6. September 1988 gesetzt worden. Zwischen der Fälligkeit der Abgaben und der Erlassung dieses Haftungsbescheides liege ein Zeitraum von über neun Jahren, sodaß Einhebungsverjährung eingetreten sei. Außerdem liege keine schuldhafte Pflichtverletzung vor, weil der Beschwerdeführer im Zeitraum 1978 bis 1979 "alles Erdenkliche unternommen habe, um die Zahlungsverpflichtungen der vertretenen Gesellschaft aufrecht erhalten zu können". Es sei auch unvorstellbar, daß "ohne entscheidende Maßnahmen des Geschäftsführers (gründliche Absprachen über Zahlungserleichterungen) Lohnabgaben aus dem Jahr 1978 bis zum Ende des Jahres 1979 offen geblieben wären". Die "Nichtverurteilung" sei Beweis dafür, daß "handelsrechtliche bzw. privatrechtliche Normen von Seiten des Geschäftsführers eingehalten wurden".
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit teilweise Folge, als sie die Haftung des Beschwerdeführers auf Lohnsteuer 12/78 in der Höhe von S 16.266,-- und Lohnsteuer 2-8/79 in der Höhe von S 55.464,-- einschränkte. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Geschäftsführereigenschaft des Beschwerdeführers und die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft stünden außer Streit. Das Finanzamt für Körperschaften habe am 6. Dezember 1983 ein Amtshilfeersuchen an das Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk zur Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zwecks Erstellung eines Haftungsbescheides gerichtet. Anläßlich einer Begehung durch den Vollstrecker am 9. Jänner 1984 sei festgestellt worden, daß an der angegebenen Andresse weder die Gesellschaft noch der Beschwerdeführer anzutreffen gewesen seien. Dadurch sei die Einhebungsverjährung unterbrochen worden, weil diese Amtshandlung auch außerhalb der Behörde in Erscheinung getreten sei. Die Tatsache, daß sie dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gelangt sei, schade nicht. Gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1972 stelle jede Zahlung des ganzen vereinbarten Arbeitslohnes, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten dar. Da nicht einmal andeutungsweise behauptet worden sei, daß die Löhne, auf deren Basis die Abgaben errechnet worden seien, nicht auch bezahlt worden seien, sei die schuldhafte Pflichtverletzung gegeben. Die Behauptung, der Beschwerdeführer sei nicht wegen fahrlässiger Krida verurteilt worden, sei unbeachtlich. Es komme auch nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer seine handelsrechtlichen bzw. privatrechtlichen Verpflichtungen erfüllt habe. Hinsichtlich jener Lohnsteuerbeträge, die erst nach der am 4. Oktober 1979 erfolgten Konkurseröffnung fällig geworden seien, sei die Haftung des Beschwerdeführers nicht gegeben. Hinsichtlich der Lohnsteuer 11/78 sei Einhebungsverjährung eingetreten. Bezüglich der Dienstgeberbeiträge sei der Berufung des Beschwerdeführers "aus Zweckmäßigkeitsgründen" stattzugeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH. zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter zählte, der zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden kann. Der Beschwerdeführer meint jedoch, der angefochtene Bescheid sei infolge eingetretener Einhebungsverjährung inhaltlich rechtswidrig. Das Amtshilfeersuchen des Finanzamtes vom 6. Jänner 1983 (richtig: 6. Dezember 1983) sei deshalb verfehlt gewesen, weil weder die Gesellschaft noch der Beschwerdeführer die in diesem Ersuchen angegebene Adresse benützt hätten, weshalb der Versuch des Vollstreckers von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Es liege auf der Hand, daß sich die Intervention des Vollstreckers nur auf die Gesellschaft und nicht auf den Beschwerdeführer bezogen habe. Da die von der belangten Behörde behaupteten Unterbrechungshandlungen nicht in Bescheidform ergangen seien, müsse wohl ein strenger Maßstab bei der Beurteilung der "Existenz einer derartigen Unterbrechungshandlung" angelegt werden. Es sei nicht einzusehen, wieso hierauf jahrelang von der Behörde nichts unternommen worden sei, um ihren vermeintlichen Anspruch durchzusetzen. Es wäre der Behörde jederzeit möglich gewesen, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes Erhebungen anzustellen bzw. ihm den Bescheid zukommen zu lassen. Durch bloße "Alibiaktionen ohne jeden Publizitätswert" könnten die Verjährungsbestimmungen nicht umgangen werden.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß gemäß § 238 Abs. 2 BAO die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen wird. Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, ist es nach Lehre und Rechtsprechung nicht notwendig, daß es sich bei der die Verjährung unterbrechenden Amtshandlung um einen Bescheid handelt, ebenso auch nicht, daß der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangt (siehe Stoll, BAO-Handbuch, 1980, Seite 593 sowie die dort zitierte hg. Judikatur). Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers kommt es auch nicht darauf an, ob die Amtshandlung konkret geeignet war, den angestrebten Erfolg, nämlich die Durchsetzung des Anspruches, zu erreichen. Es genügt vielmehr, daß die Amtshandlung nach außen in Erscheinung trat und erkennbar den Zweck verfolgte, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen. Diesen Anforderungen genügte das Amtshilfeersuchen des Finanzamtes vom 6. Dezember 1983, weil in diesem als Abgabenschuldner der Beschwerdeführer angeführt wurde und erklärtes Ziel des Amtshilfeersuchens die Erlassung eines Haftungsbescheides gegen den Beschwerdeführer nach Einlangen der Erhebungsergebnisse war.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde die Verletzung der Ermittlungspflicht vorwirft und in diesem Zusammenhang behauptet, er habe die Löhne nicht bis zuletzt ausbezahlt, ist ihm zu erwidern, daß er derartige Behauptungen im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt hat und daher mit diesen Beschwerdeausführungen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG bestehende Neuerungsverbot verstößt. Der belangten Behörde kann somit nicht die Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden, wenn sie im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren keine Ermitlungen darüber geführt hat, ob die Gesellschaft die der Berechnung der Lohnsteuer zugrundegelegten Löhne an ihre Dienstnehmer auch tatsächlich ausbezahlt hat, sondern von der tatsächlichen Auszahlung der Löhne ausgegangen ist. Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, daß die Unterlassung der Abfuhr der Lohnsteuer schon im Hinblick auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1972 eine schuldhafte Verletzung der den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft treffenden abgabenrechtlichen Pflichten darstellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1984, Zl. 84/14/0027).
Der Beschwerdeführer betont auch in der Beschwerde das Unterbleiben einer strafgerichtlichen Verurteilung. Diesbezüglich genügt der Hinweis, daß weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens, noch eine Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung noch ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 BAO bewirken könnte, weshalb die belangte Behörde auch mangels jeglichen konkreten Hinweises des Beschwerdeführers auf den Inhalt bestimmter Akten keine Veranlassung hatte zu ermitteln, ob und mit welchem Ergebnis ein Strafverfahren gegen ihn durchgeführt wurde.
Der Beschwerdeführer vermag sohin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Seine Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130189.X00Im RIS seit
12.02.2002