TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/4 89/10/0193

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Index

L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
L81518 Umweltanwalt Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art18 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §4 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §5;

Betreff

W und H gegen Vorarlberger Landesregierung vom 20. Jänner 1989, Zl. IVe-223/119, betreffend Bewilligung nach dem Vorarlberger Landschaftsschutzgesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes 7834, KG. A. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. Jänner 1989 versagte die belangte Behörde gemäß § 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 des Landschaftsschutzgesetzes, Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vorarlberger Landesregierung - LGBl. Nr. 1/1982 (im folgenden: LSchG), die von den Beschwerdeführern beantragte Bewilligung für die intensive Nutzung (Düngung) des südlichen Teiles dieses Grundstückes.

Bei dieser Entscheidung ging die belangte Behörde von folgenden Feststellungen und Erwägungen aus: Der Untergrund der gegenständlichen Grundfläche bestehe aus vererdetem Anmoortorf. Der Grundwasserspiegel reiche zumindest periodisch weniger als 1 m unter die Bodenoberfläche. Die Pflanzengesellschaften auf dem Grundstück seien Pfeifengras, blaue Schwertlilien und Roßfenchel. Die Grundfläche bilde eine landschaftsbildliche Bereicherung, darüber hinaus liege die Bedeutung des Grundstückes in der ökologischen Ausgleichsfunktion in der intensiv genutzten Landschaft. Eine Düngung der Grundfläche würde insbesondere bei niedrigem Wasserstand einen großen Konkurrenzvorteil für die bereits im Randbereich der Grundparzelle vorhandenen Futterpflanzen bedeuten. Die sogenannten Nährstoffmangelspezialisten, die sich hauptsächlich in der Pfeifengraswiese befänden, würden daher von den Futterpflanzen, welche die Nährstoffe rasch aufnehmen, überwuchert und verdrängt werden. Eine intensive Nutzung in Form einer Düngung der Grundfläche würde somit den Lebensraum von Pflanzen gefährden und die Interessen des Landschaftsschutzes verletzen. Diese Feststellungen stützten sich - so die belangte Behörde weiter - insbesondere auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz. In diesem im erstinstanzlichen Verfahren erstellten und im Bescheid der Erstbehörde wiedergegebenen Gutachten hatte der Amtssachverständige zur Eigenart der gegenständlichen Grundfläche im wesentlichen ausgeführt, es handle sich hiebei um den Vegetationstyp einer streuegenutzten Flachmoorwiese. Auf Grund des biologischen Inhaltes dieser Flachmoorparzelle könne von einem noch nicht veränderten bzw. nicht degenerierten Flachmoor gesprochen werden. Der Grundwasserspiegel reiche zumindest periodisch weniger als 1 m unter Terrain. Es handle sich also aufgrund der hydrologischen Verhältnisse, aufgrund der Bodenansprache sowie aufgrund der Pflanzengesellschaft um ein Flachmoor.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Definitionen der Begriffe "Flachmoor" und "Ried" im Motivenbericht zum Gesetz über eine Änderung des Landschaftsschutzgesetzes (16. Beilage im Jahre 1981 zu den Sitzungsberichten des XXIII. Vorarlberger Landtages - im folgenden kurz als "Motivenbericht" bezeichnet) aus:

"Flachmoor" sei ein exakter wissenschaftlicher Begriff. "Ried" hingegen sei eine regionale umgangssprachliche Bezeichnung und könne weder als Lebensraum noch als Boden- oder Vegetationstyp definiert werden. Die Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" könne weder nach dem lokalen Sprachgebrauch, dem allgemeinen deutschen Sprachverständnis, den Fachterminologien, noch nach den Definitionen im Motivenbericht eindeutig verstanden werden. Eindeutig gehe aus dem Gesetz nur die Absicht des Gesetzgebers hervor, Feuchtgebiete zu schützen, im speziellen Weiher, Auwälder und Moore. Diese Aussagen stützten sich - so die belangte Behörde weiter - auf ein Gutachten des Univ.Prof. Dr. G. (Nach der Aktenlage handelt es sich dabei um ein von Univ.Prof. Mag. Dr. G, Institut für Pflanzenphysiologie der Universität Wien, Abteilung Vegetationskunde und Pflanzensoziologie, im Jahre 1986 erstelltes "Gutachten im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft B (betrifft Feuchtgebiete)", das sich unter anderem ausführlich mit den Begriffen "Moor", "Flachmoor" und "Ried" auseinandersetzt - im folgenden kurz als "Gutachten" bezeichnet.) Da sich anhand des Wortlautes der Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" deren Inhalt nicht zweifelsfrei ermitteln lasse, sei gemäß den §§ 6 und 7 ABGB die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen. Durch die gegenständliche Regelung sollten Grundflächen, die wegen ihrer Natürlichkeit besonders wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen darstellten, erhalten werden. Bei "Flachmooren mit Ausnahme der Riede" müsse es sich somit um solche schützenswerte Lebensräume handeln, die durch Entwässern, Umackern, Aufschüttungen oder sonstige Maßnahmen zerstört werden könnten. Unter "Flachmooren mit Ausnahme der Riede" seien also Flachmoore zu verstehen, die in ihrer Natürlichkeit erhalten geblieben seien, unter "Rieden" hingegen Flachmoore, die drainagiert, umgeackert oder sonst einer intensiven Bewirtschaftung zugeführt worden seien. Da das gegenständliche Grundstück bisher nicht intensiv genutzt worden und in seiner Natürlichkeit erhalten geblieben sei, stelle es ein nach § 5 LSchG geschütztes Flachmoor dar. Gehe man davon aus, daß ein "Ried im Sinne des Gesetzes" vorliege, so könne die Ausnahme vom Verbot, Maßnahmen vorzunehmen, die den Lebensraum von Tieren und Pflanzen gefährdeten, deshalb nicht zum Tragen kommen, weil - wie aus der Definition des Riedes im Motivenbericht zu schließen sei - nach dem Willen des Gesetzgebers das Düngen eines Grundstückes jedenfalls nicht unter die Ausnahme vom Verbot des § 5 LSchG falle; diese Maßnahme stelle gerade nicht eine vom Naturschutz erwünschte Nutzung im Sinne des Motivenberichtes dar. Dazu verweist die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1988, Zl. 88/10/0046.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 12. Juni 1989, B 293/89, abgelehnt und sie mit Beschluß vom 5. September 1989, selbe Zahl, antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 LSchG - diese mit "Schutz von Feuchtgebieten" überschriebene Bestimmung wurde durch die Novelle LGBl. Nr. 38/1981 als § 4a in das Landschaftsschutzgesetz eingefügt - sind im Bereich von Auwäldern, Flachmooren mit Ausnahme der Riede, Hochmooren und Weihern Aufschüttungen, Entwässerungen, Grabungen und andere den Lebensraum von Tieren oder Pflanzen gefährdende Maßnahmen verboten. Die Bestimmung des § 4 Abs. 2 gilt sinngemäß. (Diese Bestimmung normiert, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahmebewilligung erteilt werden kann.)

In der Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" bildet der Begriff Flachmoor den Oberbegriff, der jenen des Riedes als Unterbegriff in sich schließt. Wäre nämlich ein Ried im Sinne des LSchG nicht gleichzeitig immer auch ein Flachmoor, so hätte es der vorliegenden Ausnahmeregelung gar nicht bedurft. Ist demnach unter einem Ried eine bestimmte Art von Flachmoor zu verstehen, so muß sich der Begriff des Riedes durch ein zusätzliches Merkmal von jenem des Flachmoores unterscheiden. Im vorliegenden Fall ist der Sache nach allein dieses Unterscheidungskriterium strittig. Nach Auffassung der belangten Behörde liegt es in der durch intensive Nutzung verlorengegangenen Natürlichkeit und damit fehlenden Schutzwürdigkeit eines Flachmoores aus der Sicht des Landschaftsschutzes, hingegen ist nach Meinung der Beschwerdeführer - so versteht der Verwaltungsgerichtshof ihr diesbezügliches Vorbringen im Ergebnis - der relevante Unterschied in dem Umstand der landwirtschaftlichen Nutzung eines Flachmoores zu erblicken.

Der Verwaltungsgerichtshof hält die Auffassung der Beschwerdeführer für zutreffend. Er teilt aber nicht das Bedenken, § 5 LSchG widerspreche wegen der mangelnden Bestimmtheit der Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" dem Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG.

Bei der Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung sind - soweit nötig - alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, was im Einzelfall Rechtens sein soll, verletzt die Regelung die in Art. 18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg. 8395/1978).

Mangels einer Legaldefinition der Begriffe "Flachmoor" (siehe zu diesem Begriff das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1985, Zl. 85/10/0108 = Slg. Nr. 11 917/A; danach ist ein wesentliches Kriterium für ein Flachmoor das Vorhandensein einer Torflagerstätte) und "Ried" läßt sich dem Gesetz das gesuchte Unterscheidungskriterium nicht unmittelbar entnehmen. Es ergibt sich auch nicht aus der eigentümlichen Bedeutung der beiden Wörter im lokalen Sprachgebrauch, im allgemeinen deutschen Sprachverständnis oder in den einschlägigen Fachterminologien (siehe dazu die zusammenfassende Aussage im "Gutachten", S. 22: "Der § 5 des Vorarlberger Landschaftsschutzgesetzes ((Schutz der Feuchtgebiete)) mit der Formulierung '...Flachmooren mit Ausnahme der Riede, Hochmooren ...' kann weder nach dem lokalen Sprachgebrauch, dem allgemeinen deutschen Sprachverständnis, den Fachterminologien ... eindeutig verstanden werden.") Schließlich läßt sich das gesuchte Kriterium auch nicht ohne weiteres allein aus den im Motivenbericht (Seite 10) enthaltenen Definitionen (Flachmoor: "Moor, dessen Oberfläche dauernd im Einflußbereich des Grundwassers liegt. Sein Torf besteht vorwiegend aus den unvollständig abgebauten Überresten von Röhricht- und Seggengesellschaften."; Ried: "Nasser oder periodisch austrocknender Standort mit mineralischem oder torfigem Boden, dessen Pflanzengesellschaften zumeist zur Streuegewinnung genutzt werden.") ableiten, weil die Definition des Riedes nicht an jene des Flachmoores anknüpft. Dennoch bietet der Motivenbericht den entscheidenden Ansatzpunkt für die Beantwortung der hier gestellten Frage.

Dazu ist aber zunächst noch folgendes festzuhalten: Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Auffassung der belangten Behörde, ein Ried sei ein Flachmoor, das durch intensive Nutzung seine Natürlichkeit und damit seine Schutzwürdigkeit aus der Sicht des Landschaftsschutzes verloren habe, deshalb nicht zu teilen, weil sie offensichtlich im Widerspruch zur landesüblichen Bedeutung dieses Wortes, wie sie sich insbesondere aus einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften ergibt, steht (siehe dazu die Verordnungen der Vorarlberger Landesregierung über das Naturschutzgebiet Bangser Ried, LGBl. Nr. 52/1974, über den Schutz des Lauteracher Riedes, LGBl. Nr. 22/1966, und über das Naturschutzgebiet Rheindelta in Fußach, Gaißau, Hard, Höchst und im Bodensee, LGBl. Nr. 13/1976, § 3 Abs. 2 lit. m und qu). Diese Verordnungen lassen erkennen, daß gerade die besondere Schutzwürdigkeit des betreffenden Gebietes aus der Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes für den Begriff des Riedes wesentlich ist. Dieses Begriffsverständnis liegt offensichtlich auch der Novelle LGBl. Nr. 38/1981 zu Grunde, wenn es im Motivenbericht im Anschluß an die Definition des Riedes heißt: "Diese Nutzung ist vom Naturschutz meist erwünscht, da sie eine Verbuschung und allmähliche Verdrängung der charakteristischen Ried-Pflanzengesellschaften verhindert". Damit steht das (von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellte) ausdrückliche Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer im Einklang, wonach noch im Vorentwurf zur Regierungsvorlage für die besagte Novelle der Ausdruck "Flachmoore (Riede)" aufschien, der erst in der später zum Gesetz erhobenen Regierungsvorlage durch die Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" ersetzt wurde. Mit dem Klammerausdruck sollte offensichtlich der nicht allgemein bekannte wissenschaftliche Begriff Flachmoor durch den aus der Umgangssprache bekannten Ausdruck Ried verdeutlicht werden. Dabei handelt es sich augenscheinlich um den auch in den erwähnten Verordnungen nach dem Naturschutzgesetz gebrauchten Begriff, für den, wie dargetan, die besondere Schutzwürdigkeit des betreffenden Bereiches kennzeichnend ist. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden - darauf läuft aber der Standpunkt der belangten Behörde letztlich hinaus -, er habe in der Novelle 1981 einen Riedbegriff verwendet, der dem bisher üblichen Verständnis dieses Begriffes in einschlägigen landesrechtlichen Normen diametral entgegengesetzt ist, ohne diesen Umstand deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Die Auffassung, Riede seien Flachmoore, die "einer intensiveren landwirtschaftlichen Nutzung dienen" (Seite 5 der Gegenschrift), ist unvereinbar mit dem für den Flachmoorbegriff - und damit nach dem oben Gesagten notwendig auch für den Riedbegriff - wesentlichen Merkmal des dauernden Einflusses des Grundwassers auf die Oberfläche. Gerade dieser Einfluß ist bei landwirtschaftlich intensiv genutzten ehemaligen Flachmooren im Sinne des Gesetzes - als notwendige Voraussetzung für diese Nutzung - durch Entwässerungsmaßnahmen (Drainagierung) verlorengegangen. Solche Flächen sind daher weder Flachmoore noch Riede im Sinne des LSchG.

Den entscheidenden Hinweis auf das hier gesuchte Unterscheidungskriterium gibt jener (vorhin wiedergegebene) Satz im Motivenbericht, wonach die Nutzung der Pflanzengesellschaften eines Riedes zur Streuegewinnung vom Naturschutz zumeist erwünscht sei. Daraus ist ersichtlich, daß für den Begriff des Riedes im § 5 LSchG die landwirtschaftliche Nutzung charakteristisch ist und daher dieser Umstand das im gegebenen Zusammenhang maßgebende Unterscheidungsmerkmal zwischen Flachmoor und Ried bildet. Erhärtet wird dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des § 5 LSchG. Wie schon erwähnt, enthielt der Vorentwurf zur späteren Regierungsvorlage noch den Ausdruck "Flachmoore (Riede)". Er wurde in der Regierungsvorlage, die schließlich vom Vorarlberger Landtag beschlossen wurde, durch die Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" ersetzt. Damit wurde ersichtlich - so zutreffend auch die Ausführungen der Beschwerdeführer in ihrer Berufung - dem Interesse der Bauernschaft an der Herausnahme der bisher landwirtschaftlich genutzten Flachmoore aus dem besonderen Schutz für Feuchtgebiete Rechnung getragen. Die Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" im § 5 LSchG stellt sich somit als das Ergebnis einer vom Gesetzgeber vorgenommenen, generellen Interessenabwägung dar. Demnach sind unter dem Begriff "Riede" im § 5 LSchG landwirtschaftlich genutzte Flachmoore zu verstehen. Dieses Auslegungsergebnis entspricht sowohl dem (von der belangten Behörde außer acht gelassenen) Grundsatz der Einheit der Rechtssprache im selben Regelungsbereich als auch dem Gebot der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen, wird solcherart doch die von den Beschwerdeführern behauptete Verfassungswidrigkeit des § 5 LSchG vermieden (ein Umstand, der im "Gutachten" keine Berücksichtigung findet).

Da auf dem Boden dieser Rechtsanschauung die gegenständliche Fläche, bei der es sich nach den unbestritten gebliebenen Annahmen der belangten Behörde um ein Flachmoor handelt, das extensiv landwirtschaftlich genutzt wird, als Ried im Sinne des § 5 LSchG zu qualifizieren ist, unterliegt diese Fläche nicht dem hier normierten Schutz von Feuchtgebieten. Damit durfte die belangte Behörde die begehrte Bewilligung für die in Aussicht genommene Düngung jedenfalls nicht gemäß § 5 LSchG versagen. Ihre Meinung, die besagte Maßnahme falle deshalb nicht unter die Ausnahme vom Verbot des § 5 LSchG, weil sie gerade nicht eine vom Naturschutz erwünschte Nutzung im Sinne des Motivenberichtes darstelle, kann im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes nicht geteilt werden. Die Wendung "Flachmoore mit Ausnahme der Riede" läßt keine Unklarheit darüber aufkommen, daß bei Vorliegen eines Riedes der im § 5 LSchG normierte besondere Schutz für Flachmoore ausnahmslos nicht Platz greift. Angesichts des INSOWEIT klaren und eindeutigen Gesetzeswortlauts verbietet sich ein Rückgriff auf die Materialien. Davon abgesehen läßt sich ihnen kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß nur einzelne an sich gefährdende Maßnahmen (wie etwa die Streuemahd) von dem hier normierten Verbot ausgenommen werden sollen. Insbesondere fehlt es an einer Aussage etwa dahin, daß die Ausnahme nur für die "übliche" oder die "bisherige" landwirtschaftliche Nutzung gelten soll - ein Abgrenzungskriterium, das sich wiederholt in vergleichbaren Gesetzen anderer Bundesländer, aber auch in naturschutzrechtlichen Vorschriften des Landes Vorarlberg findet (vgl. § 12 Abs. 2 des Naturschutzgesetzes und die zu diesem Gesetz ergangenen Naturschutzgebietsverordnungen, etwa jene über das Naturschutzgebiet "Rheindelta", § 3 Abs. 3 lit. a, und über das Bangser Ried, § 3 Abs. 4 lit. a).

Bei ihrem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 1988, Zl. 88/10/0046, läßt die belangte Behörde außer acht, daß der Gerichtshof dort eine spezifisch auf den damaligen Fall (eine Aufschüttung von ca. 0,5 m) abgestellte Entscheidung getroffen und sich jedweder Aussage über die Begriffe Flachmoor und Ried enthalten hat. Daher ist aus diesem Erkenntnis für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen und bedeutet die vorliegend getroffene Entscheidung auch kein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung (vgl. dazu das Erkenntnis vom 24. Februar 1986, Slg. 12.047/A).

Ob die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung der Bewilligung für die beabsichtigte Düngung allenfalls auf andere Bestimmungen des LSchG, des Naturschutzgesetzes oder einer dazu ergangenen Verordnung hätte gestützt werden können, wurde von der belangten Behörde offensichtlich deshalb nicht geprüft, weil sie von der - wie dargetan unzutreffenden - Rechtsansicht ausgegangen ist, die Versagung der gegenständlichen Maßnahme könne auf § 5 LSchG gestützt werden.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch § 53 Abs. 1 VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100193.X00

Im RIS seit

04.04.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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