TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/4 89/01/0437

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Veröffentlicht am 04.04.1990
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):90/01/0053

Betreff

A u B gegen Bundesminister für Inneres vom 4. September 1989, Zl. 241.768/2-III/13/88, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Jeder der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 230,-- (insgesamt S 460,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, ein polnischer Staatsangehöriger, der bis zu seiner Ausreise als Tierarzt in seinem Heimatland in einem tierärztlichen Ambulatorium tätig war, reiste am 27. Juni 1988 legal mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in das Bundesgebiet ein und stellten am gleichen Tage Asylantrag.

Der Erstbeschwerdeführer führte zur Begründung seines Asylantrages im wesentlichen aus, in den Jahren 1978/1979 Mitglied der Sozialistischen Studentenorganisation, in den Jahren 1980/1981 Mitglied der Unabhängigen Studentenorganisation und ab 1985 Mitglied der Neuen Gewerkschaften gewesen zu sein. Ab 1987 sei er "gewöhnliches" Mitglied der KP gewesen. Bis zum Juni 1986 sei er nicht verfolgt worden und habe auch keine "behördlichen Schwierigkeiten" gehabt. In der zweiten Junihälfte 1986 sei er in seiner Wohnung von einem Beamten der "SD" aufgesucht worden. Nach einem kurzen Gespräch sei er zur Dienststelle für innere Angelegenheiten geladen worden. Dieser Ladung Folge leistend, sei er dort aufgefordert worden, schriftlich über die Stimmung in den von ihm als Tierarzt aufgesuchten Betrieben zu berichten. Auch sollte er Feinde der Republik Polen bekanntgeben. Er habe sich nicht gleich entscheiden müssen. Im Oktober 1986 sei er wieder vorgeladen worden. Der einvernehmende Major habe ihn über seine Entscheidung befragt. Er habe ihm seine Ablehnung bekanntgegeben. Der Major entgegnete ihm, er nehme seine Ablehnung nicht zur Kenntnis. Der Major habe ihm erklärt, daß seine Berichte nicht nur zum Nachteil der Betroffenen seien, sondern es könne auch zum Vorteil derselben sein z.B. bei Beförderungen etc. Als Vorteil für ihn sei ihm in Aussicht gestellt worden, daß ihm bei Schwierigkeiten mit Behörden geholfen würde. Nach seiner Ablehnung der Mitarbeit sei ihm erklärt worden, er solle dies sich überlegen und eine Änderung seiner Meinung bekanntgeben. In der Folge sei er von Angehörigen der "SD" ständig sowohl an seinem Arbeitsplatz als auch bei den Betrieben, in welchen er als Tierarzt zu tun gehabt hätte, kontrolliert worden. Er sei befragt worden, ob er seine Arbeit ordentlich mache oder ob er eventuell betrunken gewesen sei. Er habe ein Benzinkontingent von 90 Liter monatlich gehabt. Dieses sei auf 30 Liter reduziert worden. Im September 1987 sei er schließlich der Partei beigetreten, um "etwas geschützt" zu sein. Dies habe jedoch nichts genützt. Im März 1988 sei er wieder aufgesucht worden und dabei habe er sich zur Zusammenarbeit bereiterklärt. Er habe eine schriftliche Erklärung unterschreiben müssen. Er sei beauftragt worden, monatlich einen schriftlichen Bericht über die Stimmungen in den Betrieben abzugeben. Falls ihm Sabotageaktionen in Betrieben zur Kenntnis gelangen sollten, sollte er dies telefonisch bekanntgeben. Zur Zusammenarbeit habe er sich mit dem Hintergedanken bereiterklärt, leichter für sich und seine Familie einen Reisepaß zu seiner Reise "in den Westen" zu erlangen. Im Mai und Juni 1988 habe er je einen schriftlichen Bericht vorgelegt. Telefonisch habe er nichts berichtet. Bei den schriftlichen Berichten habe es sich nur um unwesentliche Stimmungsberichte gehandelt. Die schriftlichen Berichte habe er formlos und ohne Anschrift verfassen und mit einem Decknamen unterzeichnen müssen.

Die Zweitbeschwerdeführerin - die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers - führte zur Begründung ihres Asylantrages aus, sie sei als Lehrerin Mitglied des polnischen Lehrerverbandes gewesen. Sonst habe sie keiner politischen Organisation angehört. Aus Gründen der Rasse, Religion oder der Politik sei sie in Polen nicht verfolgt worden. Sie habe sich bereits im Jahre 1987 entschlossen, Polen zu verlassen. Sie habe Angst um ihren Ehemann gehabt. Seit März 1988 wisse sie, daß ihr Mann mit dem polnischen Sicherheitsdienst zusammenarbeite. Er habe ihr dies gesagt. Ihr Ehemann habe im Jahre 1987 eine Einladung zu einem Besuch in die USA erhalten. Er habe den Reisepaß von den polnischen Behörden ausgefolgt bekommen, habe jedoch keinen US-Sichtvermerk erhalten. Warum er damals in die USA ausreisen habe wollen, könne sie nicht angeben. Der Grund zu ihrem Entschluß im Jahre 1987, Polen zu verlassen, sei der, daß ihr Ehemann "unruhig" gewesen sei und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz gehabt habe.

Mit zwei gleichlautenden Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 16. September 1988 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls vom 31. Jänner 1967, BGBl. Nr. 78/1974, sind.

Gegen diese gleichlautenden Bescheide haben die Beschwerdeführer Berufungen erhoben, in denen gleichlautend ausgeführt wurde, die bei der Einvernahme zu ihrem Ansuchen um Gewährung politischen Asyls vorgebrachten Gründe hätten im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung gefunden, obwohl diese ausschließlich politischer Art gewesen seien. Verfolgungen und begründete Furcht vor weiteren Verfolgungen oder Benachteiligungen aus politischen Gründen hätten die Beschwerdeführer zum Verlassen ihres Heimatlandes und zur Suche nach Schutz in Österreich gezwungen.

Mit den nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen.

In dem an den Erstbeschwerdeführer gerichteten Bescheid wurde zur Begründung ausgeführt, in Ansehung aller maßgeblichen Umstände sei hervorzuheben, daß der Beschwerdeführer bei seiner Erstbefragung ausdrücklich ausgesagt habe, er sei sowohl der Partei beigetreten als auch der Aufforderung zur Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst nachgekommen, um Schwierigkeiten mit den Behörden seines Heimatsstaates entgegenzuwirken. Daraus lasse sich erkennen, daß er bemüht gewesen sei, keine Handlungen zu setzen, die Verfolgungen seitens der polnischen Behörden nach sich ziehen könnten. Aus Beeinträchtigungen dadurch, daß dem Beschwerdeführer die monatliche Benzinzuteilung gekürzt und seine Arbeitsleistung verstärkt kontrolliert worden sei, ergäben sich insbesondere im Hinblick darauf, daß er laut eigenen Angaben, um diese Sanktionen rückgängig zu machen, der Partei beigetreten sei und die Forderungen des Sicherheitsdienstes erfüllt habe, keine derart gravierenden "Rechtsverkürzungen", daß "die im Tatbestand des Art. 1 Abschnitt A der Flüchtlingskonvention normierte Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes seines Heimatlandes" begründet wäre. In der Berufung behaupte der Erstbeschwerdeführer lediglich, daß er sein Heimatland wegen "erfolgter Verfolgung und begründeter Furcht vor weiterer Verfolgung oder Benachteiligung aus politischen Gründen" verlassen hätte, konkretisiere aber weder, welcher Art Verfolgungshandlungen seitens der polnischen Behörden er ausgesetzt gewesen wäre, noch welche Fakten der von ihm behaupteten Furcht zu Grunde liegen würden. Die rein abstrakte Formulierung seiner Berufung könne nicht im mindesten dafür als geeignet angesehen werden, in dem erforderlichen Maße glaubhaft zu machen, daß er sein Heimatland tatsächlich aus "maßgeblichen Gründen" verlassen habe. Da sich aus dem Ermittlungsverfahren keine hinlänglich sicheren Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, daß der Erstbeschwerdeführer in seinem Heimatland aus einem in der vorstehenden Gesetzesstelle angeführten Gründe verlassen habe, sei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht gerechtfertigt.

In dem an die Zweitbeschwerdeführerin gerichteten Berufungsbescheid wird zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, sie habe bei ihrer Einvernahme ausdrücklich ausgesagt, daß sie in ihrem Heimatland keinerlei politische Ambitionen gehabt habe und auch keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Allein die allgemeine Behauptung, Polen aus schwerwiegenden politischen Gründen verlassen zu haben, ohne diese Aussage durch konkrete Angaben untermauern zu können, zeitige "keine derart tiefgreifende Indizwirkung für eine tatsächliche Verfolgung". Da die Zweitbeschwerdeführerin darüberhinaus in keiner Phase des Verfahrens eine Verfolgung ihrerseits behauptet, eine solche vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen habe, liege in ihrem Fall keine Verfolgung vor. Soweit das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin sich auf ihren Mann beziehe, könne, da dieses die Zweitbeschwerdeführerin nicht betreffe, den in diesem Verwaltungsverfahren zu ermittelnden Sachverhalt nicht zu Grunde gelegt werden und sei daher auch nicht weiter zu würdigen. Da das Ermittlungsverfahren keine hinlänglich sicheren Anhaltspunkte dafür erbracht habe, daß die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland maßgeblichen Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder solche zu befürchten gehabt hätte, sei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht gerechtfertigt.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz) in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Beschwerdeführer rügen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften, es sei nicht zu erkennen, welches Ermittlungsverfahren überhaupt durchgeführt worden sei; den Beschwerdeführern sei das Ermittlungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht worden, ebenso nicht die Stellungnahme des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge.

Dem ist entgegenzuhalten, daß Gegenstand des Ermittlungsverfahrens in einem Asylverfahren die Einvernahme des Asylwerbers ist und sein Vorbringen das zentrale Entscheidungskriterium im Verfahren darstellt. Dementsprechend ist die belangte Behörde auch vorgegangen. Den Beschwerdeführern mußte ihr eigenes Vorbringen nicht nochmals zur Stellungnahme vorgehalten werden. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführer keinen Rechtsanspruch auf Bekanntgabe einer allfälligen Stellungnahme des Hochkommissars der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge haben, hat der Vertreter des Hochkommissärs durch Schweigen den angefochtenen Erledigungen zugestimmt. Die behauptete Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.

Was den Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit betrifft, ist zunächst darauf zu verweisen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes allein die ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatland herrschenden politischen System noch keinen Grund dafür bildet, ihn als Konventionsflüchtling anzuerkennen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0274). Es kommt vielmehr darauf an, daß der Asylwerber glaubhaft machen kann, wohlbegründete Furcht zu haben, aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in seinem Heimatland verfolgt zu werden. Nun hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, daß aus solchen Gründen die Beschwerdeführer in ihrer Heimat nicht verfolgt worden sind. In der Beschwerde bringen sie dazu im wesentlichen vor, die Furcht sei darin gelegen, daß der Erstbeschwerdeführer staatspolizeilich beobachtet und aufgefordert worden sei, nachrichtendienstlich tätig zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber wiederholt ausgesprochen, daß die geforderte nachrichtendienstliche Tätigkeit keinen Fluchtgrund im Sinne der Konvention darstellt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juli 1988, Zl. 88/01/0152 und vom 8. November 1989, Zlen. 89/01/0363, 0364). Der Erstbeschwerdeführer ist der Aufforderung, nachrichtendienstlich tätig zu sein, schließlich auch nachgekommen, um Nachteile und allfällige Verfolgungshandlungen zu vermeiden. Der Schluß der belangten Behörde ist daher zutreffend, daß die Beschwerdeführer nicht aus den in der Konvention genannten Gründen in ihrem Heimatland verfolgt worden sind und nicht aus wohlbegründeter Furcht wegen solcher Verfolgungen ihr Heimatland verlassen haben.

Da die Beschwerden sich sohin als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010437.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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