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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1972 §34 Abs2;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1990, 436; AnwBl 9/1990, S 506;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. März 1989, GZ. 6/3 - 3007/89 betreffend Einkommensteuer 1986
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In der Einkommensteuererklärung für 1986 machte der Beschwerdeführer eine außergewöhnliche Belastung von S 165.657,33 (Anwaltskosten S 110.497,33, Alimente S 54.000,-- und Gerichtskosten S 1.160,--) geltend. Über Vorhalt des Finanzamtes teilte er lediglich mit, daß "die
Rechtsanwaltskosten ... nach Abschluß" seines
"verlorengegangenen Vaterschaftsprozesses angefallen" seien. Er habe mit dem Vaterschaftsprozeß nicht rechnen müssen und "da man sich nicht aussuchen kann, ob man geklagt wird oder nicht, sind diese Aufwendungen sowohl außergewöhnlich als auch zwangsläufig erwachsen". Gleichzeitig legte der Beschwerdeführer entsprechende Zahlungsbelege vor.
Das Finanzamt teilte die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung nicht und berücksichtigte im Zuge der Einkommensteuerveranlagung für 1986 weder die Anwalts- noch die Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastung. Eine solche Berücksichtigung erfolgte zwar hinsichtlich der Aufwendungen für Alimente, doch blieb diese ohne steuerliche Auswirkung, weil der betreffende Ausgabenbetrag die zumutbare Mehrbelastung nicht überstieg.
Innerhalb offener Frist erhob der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid Berufung, in welcher er im wesentlichen ausführte:
Das Finanzamt versuche unter Berufung auf das Ergebnis des Verfahrens die Zwangsläufigkeit der Verfahrenskosten zu bestreiten. Dies sei jedoch nur ein Scheinargument.
Niemand könne verhindern, daß er vor Gericht "gezerrt wird" oder daß er sich als Kläger des Gerichtes glaube bedienen zu müssen. Somit sei die Zwangsläufigkeit - sehe man von den Fällen mutwilliger Prozeßführung aus querulatorischer Veranlagung ab - gegeben.
Für den konkreten Fall sei darauf hinzuweisen, daß Vaterschaftsprozesse in erster Linie im Interesse des Kindes von der Pflegschaftsbehörde angestrengt würden, wobei der "beklagte, unter Vaterverdacht stehende Mann" den Beweis durch Blut- und Ähnlichkeitsuntersuchungen führen könne, daß er als Vater auszuschließen sei. Gelinge dies nicht, treffe ihn die Alimentationspflicht und der Prozeß sei verloren. Dies sei auch im Falle des Beschwerdeführers eingetreten. Angesichts seiner aus verschiedenen Gründen nach wie vor bestehenden Zweifel an der in Rede stehenden Vaterschaft habe er geglaubt den Beweis führen zu müssen. Aus dem für ihn negativen Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens könne nicht auf eine sinnlose oder mutwillige Prozeßführung geschlossen werden.
Die Prozeßkosten seien dem Beschwerdeführer daher zwangsläufig erwachsen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und begründend dargelegt:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 1. Juli 1970, Zl. 699/69, ausgeführt habe, fehle den Aufwendungen für eine Blutuntersuchung im Zusammenhang mit einem Vaterschaftsprozeß das Merkmal der Zwangsläufigkeit, "weil sie eine Folge des dieses Merkmal ausscheidenden Verhaltens des Steuerpflichtigen sind".
Im Hinblick auf diese Rechtsauffassung müsse den strittigen, mit dem Vaterschaftsprozeß im Zusammenhang stehenden Anwalts- und Gerichtskosten die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung versagt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1972 liegt eine außergewöhnliche Belastung, die zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer führt, vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen.
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 leg. cit. zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Nach übereinstimmender Ansicht der maßgebenden österreichischen Lehre und Rechtsprechung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 34 Abs. 3 EStG 1972, Tz 1 und Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch, 2. Auflage, Seite 761 sowie die jeweils angeführte hg. Judikatur) ergibt sich aus der Bestimmung des § 34 Abs. 3 EStG 1972 mit aller Deutlichkeit, daß freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 ebensowenig Berücksichtigung finden können, wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat.
Was nun die Frage der Berücksichtigung von Kosten eines Zivilprozesses - um solche handelt es sich im Beschwerdefall ausschließlich - als außergewöhnliche Belastung anlangt, so vertritt Lehre und Rechtsprechung die Auffassung (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar zu § 34 EStG 1972, Einzelfälle, Tz 2, Stichwort "Prozeßkosten" und die dort zitierte Judikatur), daß im allgemeinen davon auszugehen ist, daß Prozeßkosten deshalb nicht zwangsläufig erwachsen, weil jede Prozeßführung mit dem Risiko verbunden ist, die Kosten ganz oder teilweise selbst tragen zu müssen. Wenn sich in diesem Zusammenhang auch eine stets gültige Regel nicht aufstellen läßt, so ist die Zwangsläufigkeit jedenfalls dann immer zu verneinen, wenn ein Prozeß letztlich nur die Folge eines Verhaltens ist, welches der Steuerpflichtige aus freien Stücken gesetzt hat. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof auch in dem Erkenntnis vom 1. Juli 1970, Zl. 699/69, ausgesprochen, daß Aufwendungen für eine Blutgruppenuntersuchung im Zusammenhang mit einem Vaterschaftsprozeß das Merkmal der Zwangsläufigkeit fehlt, weil sie eine Folge des dieses Merkmal ausschließenden - freiwilligen - Verhaltens des Steuerpflichtigen waren.
Mit Recht stützt die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf dieses Erkenntnis; denn auch im Streitfall ist davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer aus freien Stücken ein Verhalten gesetzt hat - nämlich die unbestrittenermaßen erfolgte außereheliche Beiwohnung der Kindesmutter in der kritischen Zeit - als deren Folge sich letztlich der in Rede stehende, vom Beschwerdeführer verlorene Vaterschaftsprozeß darstellt. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, wonach im vorliegenden Fall die Beiwohnung "außerhalb der Grenze" liegt, "die vernünftige Menschen für einen Kausalzusammenhang ziehen", vermag der Gerichtshof nicht zu teilen.
Im übrigen wird in der Beschwerde ausdrücklich ausgeführt, daß "die Überlegungen, die der angefochtene Bescheid anführt, gegebenenfalls berechtigt" seien, wenn feststünde, daß "es keinen Mehrverkehr der Kindesmutter in der kritischen Zeit gegeben hat".
Der Einwand des Mehrverkehrs ändert nichts daran, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines eigenen, aus freien Stücken gesetzten Verhaltens für die Vaterschaft in Betracht kam.
Aus der Tatsache, daß die Finanzbehörde im Verwaltungsverfahren nicht von sich aus und ohne jeglichen entsprechenden bestimmten Hinweis des Beschwerdeführers Erhebungen in der Richtung durchführte, ob die Kindesmutter im kritischen Zeitraum Mehrverkehr hatte oder nicht, vermag der Gerichtshof keine relevante Verletzung von Verfahrensvorschriften zu erblicken.
Da sich demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989130100.X00Im RIS seit
15.01.2001Zuletzt aktualisiert am
23.10.2012