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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
R-GmbH gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 20. November 1989, Zl. SV-2139/2-1989, betreffend Zurückweisung einer Berufung im Zusammenhang mit dem Behinderteneinstellungsgesetz
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 6.172,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 25. September 1989 wurde der beschwerdeführenden Partei eine Ausgleichstaxe gemäß § 9 des Behinderteneinstellungsgesetzes für das Jahr 1988 in der Höhe von S 3.060,-- vorgeschrieben. Dieser an die beschwerdeführende Partei gerichtete Bescheid wurde nach dem bei den Akten befindlichen Rückschein am 4. Oktober 1989 von einer "E" übernommen, die nach der Angabe auf dem Rückschein "Postbevollmächtigte für RSb-Briefe" ist.
Am 27. Oktober 1989 langte die mit 24. Oktober 1989 datierte Berufung der beschwerdeführenden Partei, die davon ausgeht, daß die Zustellung am 12. Oktober 1989 erfolgt ist, beim Landesinvalidenamt ein, welches diese der belangten Behörde zur Entscheidung vorlegte.
Da das Datum des Poststempels auf dem Kuvert unleserlich war, fragte die belangte Behörde beim damaligen Rechtsvertreter der beschwerdeführenden Partei an, wann die Berufung zur Post gegeben worden sei. Mit Schreiben vom 12. November 1989 bestätigte dieser, daß die Berufung am 25. Oktober 1989 zur Post gegeben worden war.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß §§ 66 Abs. 4 und 63 Abs. 5 AVG 1950 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes als verspätet eingebracht zurück, weil ausgehend vom Zustelldatum laut Postrückschein, nämlich dem 4. Oktober 1989, die zweiwöchige Berufungsfrist mit Ablauf des 18. Oktober 1989 geendet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei sieht sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht, innerhalb der Frist ein Rechtsmittel einbringen zu können verletzt und begehrt kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist im wesentlichen allein die Frage strittig, ob die Zustellung an die beschwerdeführende Partei am 4. Oktober 1989 ordnungsgemäß im Sinne des § 13 Zustellgesetz an einen zur Empfangnahme befugten Vertreter erfolgt ist.
Gemäß § 13 Abs. 2 des Zustellgesetzes darf bei Zustellungen durch Organe der Post auch an eine gegenüber der Post zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen ist. Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist die Sendung nach Absatz 3 der genannten Bestimmung an einen zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. § 143 der Postordnung (Verordnung vom 2. Mai 1957, BGBl. Nr. 110) bestimmt, daß Postsendungen, in deren Anschrift keine natürliche Person angegeben ist, an eine Person abzugeben sind, die kraft Gesetzes, kraft Postvollmacht ... zur Übernahme berechtigt ist.
In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 13 Abs. 3 des Zustellgesetzes ist ausgeführt, daß die Zustellung an den Empfänger bei juristischen Personen einer besonderen Regelung bedürfe. In dieser Hinsicht gehe der Abs. 3 davon aus, daß zur Empfangnahme von Schriftstücken, sei es durch Postvollmacht, sei es gemäß der die juristische Person einrichtenden gesetzlichen Vorschrift, sei es gemäß anderen Rechtsvorschriften physische Personen vorhanden sind, die dazu befugt sind (zitiert nach Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage 1987, Anm. 1a zu § 13 des Zustellgesetzes).
Die beschwerdeführende Partei bestreitet, daß der erstinstanzliche Bescheid vom 25. September 1989 am 4. Oktober 1989 von einem zur Empfangnahme befugten Vertreter übernommen worden ist; befugter Vertreter sei ein namentlich genannter Prokurist, dem der Bescheid erst am 12. Oktober 1989 zugekommen sei. Ausgehend von diesem Datum sei aber die Berufung rechtzeitig erhoben worden.
Auf Grund der vorher dargestellten Rechtslage teilt der Verwaltungsgerichtshof die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Rechtsauffassung der belangten Behörde, nämlich, daß im Beschwerdefall die Zustellung an eine postbevollmächtigte Person rechtswirksam gewesen wäre. Dem Abs. 3 kann sowohl nach dem Wortlaut als auch unter Berücksichtigung der Systematik und der vorher wiedergegebenen Normen aus dem Beriech des Postrechtes und den Erläuternden Bemerkungen zum Zustellgesetz nicht die Bedeutung beigemessen werden, daß dadurch ausgeschlossen werden hätte sollen, daß juristische Personen - durch ihre ermächtigten Organe - Bevollmächtigte nach § 13 Abs. 2 bestellen dürfen.
Sachverhaltsmäßig stützt die belangte Behörde ihre Entscheidung nach der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich darauf, daß die Zustellung laut Postrückschein am 4. Oktober 1989 erfolgt sei. Bei dem Postrückschein im Sinne des § 22 des Zustellgesetzes handelt es sich zwar um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG 1950 in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigung und Vollständigkeit für sich hat, gegen die aber eine gegenteilige Beweisführung zulässig ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zlen. 89/02/0117, 0118). Dem entsprechend ist auch den Parteien - den Vorschriften über das Parteiengehör Rechnung tragend - die Möglichkeit zur Einsichtnahme zu geben (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1966, Slg. NF Nr. 6990/A).
Im Beschwerdefall ist für die Frage der rechtswirksamen Zustellung am 4. Oktober 1989 entscheidend, ob die am Rückschein als Übernehmerin aufscheinende "E" tatsächlich Postbevollmächtigte für RSb-Briefe, wie dies am Rückschein angegeben ist, gewesen ist. Zu dieser Frage ist aber der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden, obwohl sie in ihrer Berufung ausdrücklich einen späteren Tag als Zustellzeitpunkt genommen hat, noch enthält die Begründung des angefochtenen Bescheides diesbezüglich entsprechende Aussagen, die Gegenbehauptungen der beschwerdeführenden Partei in ihrer Beschwerde erforderlich gemacht hätten, sodaß der beschwerdeführenden Partei auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, daß sie sich zur Frage des Bestehens einer Postvollmacht nicht konkret geäußert hat.
Da der vorher aufgezeigte Verfahrensmangel für die Frage des Zustelldatums von wesentlicher Bedeutung ist und der Verwaltungsgerichtshof wesentliche Mängel des Verwaltungsverfahrens auch ohne Antrag in der Beschwerde wahrzunehmen hat (vgl. Erkenntnis vom 5. April 1965, Slg. NF Nr. 6649/A) mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Beschwerdebegehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Soweit in der Amtlichen Sammlung nicht verlautbarte Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes genannt sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Beweismittel UrkundenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090005.X00Im RIS seit
05.04.1990