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10 VerfassungsrechtNorm
ZustellG §7Leitsatz
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist; wenn dem Zustelldatum an den Zustellbevollmächtigten keine Beachtung geschenkt wird und nur darauf geachtet wird, wann der Bf. den Bescheid selbst zu Gesicht bekommen hat - kein Versehen minderen Grades, sondern auffallende Sorglosigkeit; keine Stattgebung des Antrages; Zurückweisung der Beschwerde als verspätetSpruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist wird keine Folge gegeben.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Mit einem am 1. März 1985 eingegangenen Schreiben beantragte der Bf. beim Finanzamt Schwaz unter Hinweis auf die Beendigung seiner inländischen Beschäftigung mit 1. März 1984 und die Verlegung des Wohnsitzes nach Frankreich die Durchführung des Jahresausgleiches für 1984. Er schloß seine Eingabe mit dem Satz:
"Für die Übernahme des Lohnsteuerbescheides autorisiere
ich meine Mutter, Fr. . . ., geb. . . . in Knittelfeld, wohnhaft
in 8720 Knittelfeld, . . ." (folgt Angabe von Straße und
Hausnummer). "Eventuellen weiteren Schriftverkehr erbitte ich auch an diese Adresse".
Im Kopf des Schreibens war diese Adresse als "Kontaktadresse in Österr." bezeichnet.
Der unter Berufung auf den letzten Satz des §72 Abs2 EStG 1972 ergangene abweisende Bescheid des Finanzamtes wurde dem Bf. am 7. März 1985 zuhanden seiner Mutter zugestellt; die Übernahme wurde auf dem Rückschein von einem Mitbewohner bestätigt. Die unter Angabe derselben Adresse eingebrachte Berufung des Bf. wurde mit einer dort an ihn selbst zugestellten, von seiner Mutter entgegengenommenen Berufungsvorentscheidung abgewiesen. Über seinen (am selben Ort verfaßten) Vorlageantrag erging die beim VfGH angefochtene abweisende Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Tirol wieder an den Bf. zuhanden seiner Mutter; diese übernahm sie laut Rückschein am 9. Oktober 1986.
Die belangte Finanzlandesdirektion weist in der Gegenschrift unter Vorlage der Verwaltungsakten darauf hin, daß die 6wöchige Beschwerdefrist am Donnerstag den 20. November 1986 abgelaufen ist und die Beschwerde am 21. November 1986 verspätet zur Post gegeben wurde.
Der Bf. will in seiner Replik die Namhaftmachung seiner Mutter als Zustellbevollmächtigte nur für die Übernahme des Lohnsteurbescheides gelten lassen und weist darauf hin, daß die Mutter im Schlußsatz nicht mehr genannt werde. Die Zustellung des Berufungsbescheides zuhanden der Mutter sei daher verfehlt gewesen. Tatsächlich sei ihm der Bescheid erst am 11. Oktober 1986 zugekommen.
Für den Fall einer anderen Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde stellt der Bf. den Antrag auf Wiedereinsetzung mit folgender Begründung:
"Ich war aufgrund meines Antrages auf Durchführung des Jahresausgleiches jedenfalls der Meinung, daß die Berufungsentscheidung der FLD für Tirol jedenfalls mir zugestellt wird und daß, selbst für den Fall, daß dies meiner Mutter zugestellt wird, die Zustellung erst mit dem Zugang der Entscheidung an mich persönlich als bewirkt anzusehen ist. Ich bin von Beruf Chemiker und mit rechtlichen Vorschriften kaum vertraut. Ein allfälliger Rechtsirrtum ist mir daher zumindest als grobes Verschulden nicht vorwerfbar und handelt es sich um ein glattes Versehen, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigt."
II. Die Beschwerde ist verspätet eingebracht.
Entgegen der Meinung des Bf. kann der VfGH nicht erkennen, daß die - eine Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten im Sinne des §10 ZustellG erübrigende Bevollmächtigung der Mutter des Bf. auf den Empfang eines bestimmten Schriftstückes eingeschränkt wäre. Da unter den gegebenen Umständen kein Grund für die Annahme vorlag, andere Schriftstücke sollten an den (an dieser Adresse nicht mehr wohnhaften, sondern dort nur mit seiner Mutter "in Kontakt" stehenden) Bf. selbst gerichtet werden, mußte die Behörde davon ausgehen, daß die Bevollmächtigung für das Verfahren insgesamt bis zu einem deutlichen Widerruf weiter aufrecht war. Daß er in späteren Anträgen den Namen seiner Mutter nicht wiederholte, konnte insbesondere angesichts des Umstandes, daß die - offenbar versehentlich an ihn selbst adressierte Berufungsvorentscheidung von seiner Mutter übernommen wurde, der Behörde nicht nahelegen, daß die Bevollmächtigung weggefallen wäre. Die Zustellung des Berufungsbescheides an die Mutter hat daher die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt. Sie war bei Absendung der Beschwerde folglich schon abgelaufen.
III. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet.
Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so etwa, daß er von der Zustellung keine Kenntnis erlangt hätte (§146 ZPO iVm §35 VerfGG) -, tut der Bf. nicht dar. Er bringt auch nichts vor, was ihn dazu gebracht haben könnte, den Tag der Zustellung an seine Mutter außer Betracht zu lassen. Daß die Frist erst mit dem Zugang an ihn selbst zu laufen begonnen hätte, konnte er nicht ohne Unterstellung eines Zustellmangels (§§7 oder 9 Abs1 ZustellG) annehmen. Gerade wenn der Bf. von sich selbst sagt, er sei "mit rechtlichen Vorschriften kaum vertraut", hätte er den mit der Verfassung der Beschwerde betrauten Anwalt von der Zustellung an die Mutter unterrichten müssen, damit dieser die rechtliche Bedeutung dieses Umstandes prüfen und allenfalls den Gründen hätte nachgehen können. Wenn er dem Zustelldatum keine Beachtung geschenkt und nur darauf geachtet hat, wann er selbst den Bescheid zu Gesicht bekommen hat, ist das
nicht mehr bloß ein Versehen minderen Grades, sondern eine auffallende Sorglosigkeit. Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher abzuweisen.
Diese Beschlüsse können ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gefaßt werden (§§19 Abs3 Z2 litb und 33 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Fristen, VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1987:B1068.1986Dokumentnummer
JFT_10129074_86B01068_00