TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/23 89/10/0222

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Veröffentlicht am 23.04.1990
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
15 Rechtsüberleitung Unabhängigkeitserklärung Übergangsrecht
Rechtsbereinigung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

Behörden-ÜG §15;
B-VG Art10 Abs1 Z7;
EGVG Art9 Abs1 Z7 idF 1986/248;
SDionV;

Betreff

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 10. Mai 1989, Zl. MA 62-III/103/89/Str, betreffend Übertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG 1950

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 1. Oktober 1988 in Wien durch Verteilung der Zeitschrift "Sieg" Nr. 8/88 samt einigen Beilagenblättern nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG 1950 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde deshalb eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ferner wurde die sichergestellte Zeitschrift für verfallen erklärt.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluß vom 25. September 1989, B 796/89, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG 1950 idF BGBl. Nr. 248/1986 begeht, wer nationalsozialistisches Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes, StGBl. Nr. 13/1945, in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 25/1947, verbreitet, wenn diese Tat nicht gerichtlich strafbar ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- und mit Verfall der Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, zu bestrafen.

Die belangte Behörde hat in ihrem Schriftsatz vom 26. März 1990 ausgeführt, im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1989, B 1824/88, sei von ihrer Unzuständigkeit zur Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides auszugehen. Angesichts dieser Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides verzichte sie auf die Erstattung einer Gegenschrift.

In dem zitierten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung vertreten, Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG 1950 stelle ein Verhalten unter Verwaltungsstrafe, das dem im Verbotsgesetz umschriebenen zwar ähnelt, dem aber der für die Strafbarkeit nach dem Verbotsgesetz geforderte besondere Vorsatz mangelt, in Österreich wieder ein nationalsozialistisches Regime zu installieren; vielmehr gehe es hier um die verwaltungsstrafrechtliche Ahndung eines Verhaltens, das dadurch, daß es - wenngleich fälschlich - den Eindruck erwecke, es werde Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes betrieben (dem aber tatsächlich der dahin gehende Vorsatz mangle), objektiv als öffentliches Ärgernis erregender Unfug bestimmter Art empfunden werde. Zweck dieses Tatbestandes sei es, ärgerniserregenden Unfug hintanzuhalten. Diese Verwaltungsstrafbestimmung gehöre zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG); das im Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG 1950 umschriebene Tatbild sei nämlich nur eine spezielle Ausformung der Ordnungsstörung im Sinne des Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG 1950.

Aus der Zuordnung des Straftatbestandes des Art. IX Abs. 1 Z. 7 EGVG 1950 zum Kompetenztatbestand "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" (Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG) folgt, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, daß zur Entscheidung über die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis nicht sie, sondern die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien zuständig war (vgl. VfSlg. 7697/1975 und 8159/1977).

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Ersatz für Stempelgebühren war im Hinblick darauf, daß an Beilagen nur eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen war und das Vorbringen in der "Mängelbehebung gemäß § 34 Abs. 2 VwGG" bereits in den Beschwerdeschriftsatz hätte aufgenommen werden können, nur in Höhe von S 570,-- zuzusprechen (S 360,-- für die Beschwerde, S 120,-- für die Vollmacht, S 90,-- für den angefochtenen Bescheid).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989100222.X00

Im RIS seit

23.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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