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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;Betreff
N gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 8. Juni 1989, Zl. III 25-4/89, betreffend Aufenthaltsverbot
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 23. Februar 1989 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, idF der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 (im folgenden kurz: FPG), ein bis zum 23. Februar 1999 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, wobei sich diese Behörde im wesentlichen darauf berief, der Beschwerdeführer sei innerhalb einer Schlepperorganisation bei verschiedenen Schleppertätigkeiten aktiv beteiligt gewesen; weiter wurde auf das Urteil des Amtsgerichtes T., BRD, vom 9. November 1988 verwiesen, wonach der Beschwerdeführer wegen illegalen Grenzübertrittes und vorsätzlichen, unerlaubten Aufenthaltes zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei.
Der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. Juni 1989 mit der Maßgabe keine Folge, daß das Aufenthaltsverbot nicht auf § 3 Abs. 2 Z. 5 FPG gestützt wurde. Im Spruch wurde zusätzlich § 3 Abs. 3 leg. cit. zitiert.
In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei unbestrittenermaßen mit Urteil vom 9. November 1988 von einem Gericht in der BRD wegen illegalen Grenzübertrittes und vorsätzlichen unerlaubten Aufenthaltes mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je DM 10,-- bestraft worden, nachdem er am 8. Oktober 1988 nach illegaler Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Gemeindegebiet von K. mit weiteren elf Illegalen festgenommen worden sei. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 29. April 1987, Zl. 86/01/0256, vom 23. Oktober 1985, Zl. 85/01/0209, vom 25. März 1981, Zlen. 01/2345/79 und 01/2963/79, u.a.) habe die Beachtung sowohl der innerstaatlichen als auch der zwischenstaatlichen Regelungen über die Zulässigkeit des Grenzübertrittes und der Formalitäten einer erlaubten Überschreitung der Staatsgrenzen ein solches Gewicht, daß ein illegaler Grenzübertritt, selbst wenn es sich um eine einmalige Verfehlung handeln sollte, als ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen gewertet werden müsse. Die in der Bundesrepublik Deutschland verhängte Strafe von DM 500,-- entspreche ca. S 3.500,--. Von einer Verurteilung zu einer "niedrigen" Strafe könne wohl mit Recht nicht gesprochen werden. Zu erwähnen sei an dieser Stelle auch, daß das hier in Rede stehende Delikt, das in der Bundesrepublik Deutschland ein Gerichtsdelikt sei, in Österreich eine Verwaltungsübertretung (nach dem Grenzkontrollgesetz) wäre. Bereits diese rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers bzw. der zugrundeliegende Sachverhalt reiche aus, um davon sprechen zu können, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde, weil diese Bestrafung bzw. dieser Sachverhalt einen Rückschluß auf die Einstellung des Beschwerdeführers zu Normen der Rechtsordnung zulasse. Ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung des Beschwerdeführers zur Rechtsordnung werfe auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer, wie aus der mit ihm bei der Erstbehörde verfaßten und von ihm unterschriebenen Niederschrift hervorgehe, in näher bezeichneten Gastbetrieben (bis ca. 5. Jänner 1989) und dann bei der Firma K. in B. gearbeitet habe, obwohl eine Beschäftigungsbewilligung vom Arbeitsamt erst ab 26. Jänner 1989 vorgelegen sei. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sei zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers im Gastland dringend geboten. An dieser Stelle sei angeführt, daß ein Aufenthaltsverbot keine Strafe (im technischen Sinn), sondern eine fremdenpolizeiliche Administrativmaßnahme sei, die dazu diene, vorbeugend (durch Entfernung von Rechtsbrechern bzw. potentiellen Rechtsbrechern) die österreichische Rechtsordnung bzw. die in Österreich lebenden Menschen zu schützen. Da bereits die in Rede stehende rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland für ein Aufenthaltsverbot ausreiche, erübrigten sich Ermittlungen in Hinsicht auf die vorgeworfene Schleppertätigkeit (es folgen Ausführungen zur Dauer des Aufenthaltsverbotes und im Zusammenhang mit § 3 Abs. 3 FPG).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid stütze sich weder auf Absatz 1 noch auf Absatz 2 des § 3 FPG, nicht zu teilen. Zu Recht verweist die belangte Behörde in der Gegenschrift auf den Umstand, daß die Änderung des Spruches der Erstbehörde keinen Zweifel daran läßt, die belangte Behörde habe insoweit § 3 Abs. 1 FPG als maßgebliche Vorschrift herangezogen.
Gemäß § 3 Abs. 1 des FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/58, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder
1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht;
2. im Inland mehr als einmal wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen oder mehrmals wegen Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes, des Paßgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes oder des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;...
(Z. 5 betrifft die "Schlepper"-Tätigkeit).
Die belangte Behörde hat zwar nicht die in Rede stehende Verurteilung durch das Gericht in der BRD als solche im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 1, zweiter Halbsatz, gewertet und ist auch nicht mehr davon ausgegangen, daß ein anderer Tatbestand dieses Absatzes (etwa die Z. 2 oder 5) verwirklicht worden wäre. Sie hat vielmehr den angefochtenen Bescheid auf § 3 Abs. 1 und 3 FPG gestützt und dies allein mit dieser Verurteilung des Beschwerdeführers, die in Österreich eine Verwaltungsübertretung nach dem Grenzkontrollgesetz sei, begründet (der Bezug auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers ohne Beschäftigungsbewilligung ist entsprechend seiner Formulierung nur als bloße "Beleuchtung" der "Einstellung" des Beschwerdeführers zu werten und ohne Gewicht).
Es ist zwar richtig, daß es der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 3 FPG in der Stammfassung (vgl. das von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis vom 25. März 1981, Zlen. 01/2345/79 und 01/2963/79) als zulässig angesehen hat, ein Verhalten dem § 3 Abs. 1 FPG zu unterstellen, obwohl die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht gegeben waren.
Wohl ist die Subsumtion eines Fehlverhaltens (allein) unter § 3 Abs.1 FPG auch in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 575/1987 nicht ausgeschlossen. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FPG nunmehr eine (insgesamt) mindestens dreimalige rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretungen der dort angeführten vier Gesetze, darunter das Grenzkontrollgesetz, fordert (vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 12. März 1990, Zl. 90/19/0161). Die einmalige rechtskräftige Bestrafung etwa nach dem Grenzkontrollgesetz ist daher - für sich allein - keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 2 (zweiter Fall) FPG, was jedoch nicht ausschließt, das dieser Bestrafung zugrunde liegende Fehlverhalten in eine Beurteilung des Gesamtverhaltens des Betroffenen miteinzubeziehen und dieses Gesamtverhalten dem § 3 Abs. 1 FPG zu unterstellen. Letzteres erfordert sohin das Vorliegen eines "zusätzlichen" Fehlverhaltens, das zusammen mit der einmaligen Bestrafung nach einem der in § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FPG angeführten vier Gesetze entsprechend dem Gewicht des so festgestellten Gesamtverhaltens die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 leg. cit. rechtfertigt.
Diese Überlegungen haben nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch für einen Fall zu gelten, in dem es zwar zu keiner rechtskräftigen Bestrafung nach einem der im § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FPG genannten vier Gesetze gekommen ist, die Behörde jedoch ein Fehlverhalten des Betroffenen festgestellt hat, das zu einer solchen Bestrafung führen hätte müssen, zu welcher es jedoch - aus welchen Gründen immer, etwa wegen eingetretener Verjährung - nicht gekommen ist. Auch ein solches Fehlverhalten kann bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens miteinbezogen werden, doch ist auch in diesem Fall das Vorliegen eines "zusätzlichen" Fehlverhaltens erforderlich, um entsprechend dem so festgestellten Gewicht des Gesamtverhaltens die Annahme einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 3 Abs. 1 FPG zu rechtfertigen.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde - offenbar in Verkennung der Rechtslage - ein solches "zusätzliches" Fehlverhalten des Beschwerdeführers nicht zur Stützung des angefochtenen Bescheides herangezogen. Dies führt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, ohne daß in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190144.X00Im RIS seit
29.01.2002