TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/23 90/19/0158

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Veröffentlicht am 23.04.1990
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §6 Abs1;
FrPolG 1954 §8;
MRK Art8;

Betreff

N gegen Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 17. Oktober 1989, Zl. IIId 370-36810/85, betreffend Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 16. Juli 1984 wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und 2 lit. a und b in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.

Zur Begründung ihres Bescheides führte die genannte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer vom Landesgericht Feldkirch zweimal - im Jahr 1980 wegen §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung) zu einer Geldstrafe, im NEF zu einer Freiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre; im Jahr 1984 wegen § 205 Abs. 2 StGB (Schändung) zu einer Geldstrafe, im NEF zu einer Freiheitsstrafe, Probezeit 3 Jahre - rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem sei der Beschwerdeführer zweimal wegen Übertretung des Paßgesetzes (jeweils § 22 Abs. 3) rechtskräftig bestraft worden. Unter Bezugnahme auf die zweitgenannte gerichtliche Verurteilung vertrat die Behörde die Ansicht, daß der Aufenthalt von derart veranlagten Fremden zweifelsohne eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Daß der dieser Verurteilung zugrunde liegende Rechtsbruch keinen Einzelfall darstelle, beweise der Umstand, daß der Beschwerdeführer bereits 1980 wegen schwerer Körperverletzung - eines nach der österreichischen Rechtsordnung gravierenden Deliktes - verurteilt worden sei. Aber auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1980 und 1982 jeweils wegen Übertretung des Paßgesetzes rechtskräftig bestraft worden sei, spreche nicht für ihn; auch damit habe er gezeigt, daß er nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Im Zuge ihrer Ermessensentscheidung müsse die Behörde die Gesamtperson und das von ihr gezeigte Verhalten berücksichtigen. Die gravierenden Rechtsbrüche, die der Beschwerdeführer gesetzt habe, hätten zur Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes berechtigt.

2. Mit an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz gerichteter Eingabe vom 3. Juli 1989 stellte der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Rechtsanwalt, den Antrag, das Aufenthaltsverbot aufzuheben. Begründet wurde dieser Antrag damit, daß seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bereits mehr als fünf Jahre verstrichen seien und sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum wohl verhalten habe; die gerichtlichen Verurteilungen, die zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, würden in Kürze getilgt; die Übertretungen des Paßgesetzes seien zwischenzeitlich getilgt worden. Demnach sei davon auszugehen, daß nach der derzeit geltenden Rechtslage (§ 3 Fremdenpolizeigesetz idF BGBl. Nr. 575/1987) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer wegen der von ihm begangenen Straftaten nicht mehr zulässig sei; damit seien aber unter Berücksichtigung des langen Zeitraumes seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch die Voraussetzungen für dessen Aufrechterhaltung weggefallen. Hinzu komme noch, daß der Beschwerdeführer beabsichtige, gemeinsam mit türkischen und österreichischen Geschäftsfreunden eine Lederwarenhandelsgesellschaft zu errichten; dazu sei es erforderlich, daß er sich von Zeit zu Zeit in Vorarlberg aufhalten könne. Sollte es dem Beschwerdeführer weiterhin verwehrt sein, sich vorübergehend in Österreich aufzuhalten, werde er seine Beteiligung an der Gesellschaft aufgeben müssen und könne für sie auch nicht mehr tätig sein. Dies greife insoweit in sein Privat- und Familienleben ein, als sein berufliches Fortkommen wesentlich beeinträchtigt werde.

3. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1989 gab die Bezirkshauptmannschaft Bregenz (die belangte Behörde) dem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz keine Folge. Sie begründete ihre Entscheidung wie folgt: Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers seien die gegenständlichen Verurteilungen nicht die unabdingbare Voraussetzung für die Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 1. März 1984 gewesen, mit dem über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Vielmehr sei dafür der Umstand maßgebend gewesen, daß der Beschwerdeführer "bewußt und mit vorsätzlichen Absichten" seine Besuche im Personalheim - des Städtischen Krankenhauses, in dem weibliche Bedienstete untergebracht gewesen seien - zur Nachtzeit durchgeführt habe, wodurch die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit als gefährdet habe angesehen werden müssen. Nach einer Mitteilung der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 18. Juni 1989 sei der Beschwerdeführer an diesem Tag aus Belgrad kommend am Flughafen Wien-Schwechat eingereist. Dabei sei festgestellt worden, daß gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestehe; aufgrund dessen sei er an der Bundesgrenze zurückgewiesen worden. Die belangte Behörde sehe derzeit keine Veranlassung, das Aufenthaltsverbot aufzuheben, da sich der Beschwerdeführer offensichtlich nicht an die bestehende Rechtsordnung zu halten gedenke. Sein Vorbringen sei auch nicht geeignet, eine Aufhebung zu bewirken. Da die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, nicht weggefallen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, wobei sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes verletzt erachtet. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 8 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 75/1954, ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit § 3 leg. cit. (nunmehr idF der Novelle BGBl. Nr. 575/1987) gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen anderseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1986, Slg. 11.042).

1.2. Die belangte Behörde ist diesem gesetzlichen Gebot mit dem angefochtenen Bescheid nur unzureichend nachgekommen. Die ihr insoweit unterlaufenen Begründungsmängel führen indes, weil - wie zu zeigen sein wird - nicht wesentlich, nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides.

2. Entgegen der Ansicht der Beschwerde wäre auch unter Zugrundelegung der derzeit geltenden Rechtslage (§ 3 Fremdenpolizeigesetz idF BGBl. Nr. 575/1987; kurz: FrPolG) die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer gerechtfertigt. Zwar können die beiden gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers - diese sind im übrigen den eigenen Angaben des Beschwerdeführers zufolge nicht getilgt, daher nach wie vor aufrecht - mangels Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen nicht dem § 3 Abs. 2 Z. 1 FrPolG subsumiert werden und bilden demnach für sich allein betrachtet keine "bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1". Auch können die beiden Bestrafungen des Beschwerdeführers jeweils wegen Übertretung des Paßgesetzes - folgt man seiner von der belangten Behörde unwidersprochen gebliebenen Behauptung, daß diese bereits getilgt seien - nicht mehr gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 zweiter Fall FrPolG (wofür allerdings mindestens drei rechtskräftige Bestrafungen wegen Übertretungen der dort genannten Gesetze erforderlich wären) zur Begründung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn herangezogen werden. Auf der anderen Seite handelt es sich bei den Rechtsverletzungen, die den in Rede stehenden gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegen, weder um eine einmalige Verfehlung noch um unbedeutende Verstöße gegen die Rechtsordnung. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden - was in der Begründung des angefochtenen Bescheides zwar nicht klar, aber immerhin erkennbar zum Ausdruck gebracht wurde -, daß der Beschwerdeführer ungeachtet des bestehenden Aufenthaltsverbotes in das Gebiet der Republik Österreich einreisen wollte, also objektiv ein Verhalten setzte, das den Tatbestand einer - im gegebenen Zusammenhang nicht als geringfügig zu wertenden - Übertretung des § 6 Abs. 1 FrPolG verwirklicht. Auch wenn dieses Verhalten zu keiner verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers geführt hat, so manifestiert sich darin doch eine, wie gesagt, nicht zu vernachlässigende Mißachtung der österreichischen Rechtsordnung. Von da her gesehen bestünde kein Einwand, die beiden aufrechten gerichtlichen Verurteilungen und die den beiden getilgten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrunde liegenden Taten in Verbindung mit dem zuletzt geschilderten Verhalten des Beschwerdeführers als ein die Neigung zu Rechtsbrüchen indizierendes Gesamtverhalten zu werten, das als solches dem § 3 Abs. 1 FrPolG subsumierbar wäre und - vorbehaltlich einer zuungunsten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. - die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde.

3. Mit den vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 3. Juli 1989 geltend gemachten privaten Interesse seines beruflichen Fortkommens bzw. dessen Beeinträchtigung bei Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes hat sich die belangte Behörde überhaupt nicht befaßt. Allerdings läßt sich auch aus diesem Versäumnis für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen. Denn eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens im Sinne des § 3 Abs. 3 Z. 3 FrPolG setzt voraus, daß sich der Fremde im Bundesgebiet - also dort, wo er die erst beabsichtigte berufliche Tätigkeit ausüben will - rechtmäßig aufhält. Letzteres trifft auf den Beschwerdeführer, solange das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot aufrecht ist, nicht zu. Demnach konnte der Beschwerdeführer das besagte private Interesse nicht mit Erfolg geltend machen. Es hätte somit von der belangten Behörde, auch wenn sie sich mit dieser Frage auseinandergesetzt hätte, nicht berücksichtigt werden können.

4. Wenn der Beschwerdeführer sein Wohlverhalten während der Zeit seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 1984 ins Treffen führt, so ist er dazu auf die Ausführungen unter II.2. zu verweisen, aus denen sich ergibt, daß angesichts seines verwaltungsstrafrechtlich relevanten Verhaltens am 18. Juni 1989 jedenfalls ab diesem Zeitpunkt von einem "Wohlverhalten" nicht (mehr) gesprochen werden kann.

5. Der Beschwerdehinweis, daß nach der "heutigen Praxis der Behörden" bei Delikten, wie sie vom Beschwerdeführer begangen worden seien, in der Regel ein maximal auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt werde, und das Aufenthaltsverbot infolge Ablaufes dieser Frist im Beschwerdefall aufgehoben werden müßte, ist nicht zielführend. Zum einen bewegt sich die Beschwerde damit im Bereich der Spekulation, zum anderen ist vom konkreten Fall, d.h. von dem gegen den Beschwerdeführer - unbefristet - erlassenen Aufenthaltsverbot auszugehen.

6. Nach dem Gesagten sind die Gründe, die seinerzeit zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, nicht weggefallen. Dies zugrunde gelegt, durfte die belangte Behörde von § 8 FrPolG keinen Gebrauch machen.

7. Mit diesem Ergebnis erledigen sich sämtliche Verfahrensrügen. Es ist daher entbehrlich, gesondert auf sie einzugehen.

8. Da sich sohin die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

9. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

10. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990190158.X00

Im RIS seit

23.04.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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