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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
T gegen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. März 1989, Zl. SD 612/88, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes.
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 1. Jänner 1965 geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 3. Februar 1988 sichtvermerksfrei nach Österreich ein. Am 17. Februar 1988 langte bei der Bundespolizeidirektion Wien sein mit 15. Februar 1988 datierter Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes für die Dauer von sechs Monaten ab positiver Entscheidung über diesen Antrag ein.
Auf Grund eines vom Beschwerdeführer gestellten Devolutionsantrages erließ die belangte Behörde gemäß § 73 AVG 1950 als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde den angefochtenen (Ersatz-)Bescheid, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Sichtvermerkes für die Dauer von sechs Monaten ab positiver Entscheidung über diesen Antrag gemäß § 25 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 des Paßgesetzes abgewiesen wurde. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer im Februar 1988 auf Grund des zwischen Österreich und der Türkei bestehenden Abkommens über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist. Auf Grund dieses Abkommens sei er berechtigt gewesen, sich längstens drei Monate in Österreich aufzuhalten. Sollte er bereits vor seiner Einreise die Absicht gehabt haben, hier länger als drei Monate Aufenthalt zu nehmen - immerhin habe er bereits 12 Tage nach seiner Einreise mit dem Hinweis, daß er sich "bis auf weiteres" in Österreich aufhalten wolle, die Erteilung eines Sichtvermerkes für die Dauer von sechs Monaten beantragt -, so hätte er unbedingt vor seiner Einreise einen Sichtvermerk einholen müssen. Gleichwohl könnten türkische Staatsangehörige, die sichtvermerksfrei eingereist seien und die aus berechtigten Gründen ihren Aufenthalt verlängern müßten, die hiefür erforderliche Bewilligung beantragen, wobei es jedoch auch nach dem zitierten Abkommen den Behörden freistehe, diese zu bewilligen oder zu verweigern. Der Beschwerdeführer, der sich nunmehr übrigens bereits mehr als ein Jahr in Österreich aufhalte, begründe seinen Antrag damit, daß er über ein Jahr hierbleiben und mit seinen Bekannten und Verwandten - ihm stehe in einer Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung eines Onkels, die dieser selbst mit weiteren fünf Personen bewohne, ein Notbett zur Verfügung, von diesem Onkel werde er finanziell unterstützt, wohingegen eine diesbezügliche Verpflichtungserklärung von einem Dritten aus Gefälligkeit abgegeben worden sei - zusammenleben und spazierengehen wolle. Möge man bei dieser Sachlage auch noch nicht annehmen, daß ein Versagungsgrund aus dem Titel des § 25 Abs. 3 lit. d (Gefährdung der öffentlichen Ordnung) oder lit. e Paßgesetz 1969 (Möglichkeit einer finanziellen Belastung der Republik Österreich) gegeben sei, so habe sich die Sicherheitsdirektion für Wien in Ansehung der persönlichen Verhältnisse des Antragstellers einerseits und der öffentlichen Interessen andererseits im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht dazu veranlaßt gesehen, dem Beschwerdeführer den beantragten Sichtvermerk für den Aufenthalt von weiteren sechs Monaten zu erteilen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erteilung eines Sichtvermerkes verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 25 Abs. 1 Paßgesetz kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift vorliegt. Nach Abs. 2 dieser Norm hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen. Auf die Versagungsgründe nach Abs. 3 leg. cit. ist im vorliegenden Fall nicht einzugehen, weil solche von der belangten Behörde nicht als gegeben angenommen wurden.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Abweisung des Ansuchens um Erteilung eines Sichtvermerkes auf § 25 Abs. 1 und 2 Paßgesetz mit der Begründung gestützt, daß sie sich in Ansehung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers einerseits und der öffentlichen Interessen andererseits im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nicht dazu veranlaßt sähe, dem Beschwerdeführer den beantragten Sichtvermerk zu erteilen. Während die belangte Behörde die von ihr berücksichtigten persönlichen Verhältnisse stichwortartig darstellte, hat sie in keiner Weise dargelegt, wodurch die öffentlichen Interessen bei Erteilung des beantragten Sichtvermerkes beeinträchtigt werden könnten. Es wäre Aufgabe der Behörde gewesen, anhand von konkreten Feststellungen darzutun, aus welchen am Sinn des Gesetzes (siehe Art. 130 Abs. 2 B-VG) meßbaren Erwägungen sie sich veranlaßt gesehen hat, von dem ihr im § 25 Abs. 1 Paßgesetz eingeräumten Ermessen zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen. Ausführungen dieser Art sind unterblieben. Die die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers betreffenden Hinweise der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer in einer von weiteren fünf Personen bewohnten, aus Küche, Zimmer, Kabinett bestehenden Wohnung ein Notbett zur Verfügung stehe, der Beschwerdeführer vom Onkel finanziell unterstützt werde und daß eine diesbezügliche Verpflichtungserklärung von einem Dritten aus Gefälligkeit abgegeben worden sei, sind ohne nähere Erläuterung der daraus gezogenen Schlüsse nicht geeignet, als Grund für die Versagung des begehrten Sichtvermerkes herangezogen zu werden, zumal die belangte Behörde selbst ausgeführt hat, daß keine der im § 25 Abs. 3 Paßgesetz genannten Versagungsgründe vorliegen würden.
Diese den Verwaltungsgerichtshof zur inhaltlichen Nachprüfung des angefochtenen Bescheides außerstande setzenden Begründungsmängel mußten, ohne daß es noch erforderlich war, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG führen, weil die belangte Behörde ihrer auch bei Handhabung des Ermessens bestehenden Begründungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Begründung von Ermessensentscheidungen Ermessen besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990190150.X00Im RIS seit
06.08.2001