TE Vfgh Beschluss 1987/9/28 B712/87

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Veröffentlicht am 28.09.1987
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1

Leitsatz

Beschwerde eines Untersuchungshäftlings gegen die Einschränkung und Überwachung des Briefverkehrs jedenfalls unzulässig; auf §188 StPO beruhende Verfügung des Untersuchungsrichters zur Öffnung der Briefe - Akt der Gerichtsbarkeit; ohne gerichtliche Verfügung erfolgte Öffnung der Briefe - keine Erschöpfung des durch §§120 f StVG eröffneten administrativen Instanzenzuges; Zurückweisung der Beschwerde

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. R H, Untersuchungshäftling im Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, begehrte mit seiner auf Art144 B-VG gestützten und an den VfGH gerichteten Beschwerde vom 9. Juli 1987 die kostenpflichtige Feststellung, er sei von Organen des Landesgerichtes für Strafsachen Graz bzw. der dortigen Gefangenenhausverwaltung am 1. und 6. Juli 1987 durch zwangsweise Öffnung zweier an ihn gerichteter Schreiben (Briefe) seines Verteidigers Dr. F I vom 29. Juni und 1. Juli 1987 in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und zwar im Recht auf Schutz des Briefgeheimnisses (Art10 StGG, Art8 EMRK) und im Recht nach Art6 Abs3 litc EMRK, verletzt worden.

2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden und gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsund Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Eine Befugnis zur Überprüfung von Akten der Gerichtsbarkeit kommt dem VfGH jedoch nicht zu.

Die Beschwerdeberechtigung nach Art144 B-VG setzt weiters voraus, daß der administrative Instanzenzug, sofern ein solcher überhaupt in Betracht kommt, erschöpft ist (Art144 Abs1 letzter Satz B-VG).

2.1.2. Gemäß §188 StPO stehen dem Untersuchungsrichter unter anderem die Überwachung des Briefverkehrs und alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen zu, die sich auf den Verkehr des Untersuchungshäftlings mit der Außenwelt beziehen.

Dem §183 StPO zufolge sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinn nach auch auf die Anhaltung in Untersuchungshaft anzuwenden, soweit in der StPO nicht etwas Besonderes bestimmt ist. Demgemäß ist auch Untersuchungshäftlingen ein Beschwerderecht (gegen Gefangenenhauspersonal) entsprechend den Bestimmungen der §§120 f StVG eingeräumt.

2.2. Die vorliegende Beschwerde gegen die Einschränkung und Überwachung des Briefverkehrs (s. Punkt 1.) erweist sich nun - unabhängig davon, ob die einschreitenden Organe der Gefangenenhausverwaltung im richterlichen Auftrag oder aus Eigenmacht handelten - als unzulässig, wie nachfolgende Überlegungen zeigen:

Sollte nämlich die bekämpfte Öffnung der an den Bf. gerichteten Briefe auf einem Beschluß des Untersuchungsrichters iS des §188 StPO beruhen, so wäre die - somit einen Akt der Gerichtsbarkeit rügende - Beschwerde wegen Unzuständigkeit des VfGH (s. Punkt 2.1.1.) als unzulässig zurückzuweisen.

Erging jedoch eine derartige gerichtliche Verfügung nicht, so genügt die Beschwerde nicht dem Erfordernis des Art144 Abs1 letzter Satz B-VG iVm §82 Abs1 VerfGG 1953, weil der Bf. den ihm durch die §§120 f StVG eröffneten administrativen Instanzenzug zur Geltendmachung und Durchsetzung seiner Rechte nicht durchschritten hat (vgl. VfGH 19.6.1985 B310/85).

2.3. Die Beschwerde war daher - allein schon aus diesen Erwägungen - als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß der VfGH das Vorliegen der sonstigen Prozeßvoraussetzungen zu prüfen hatte.

2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B712.1987

Dokumentnummer

JFT_10129072_87B00712_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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