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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
N gegen Bundesminister für Arbeit und Soziales vom 29. März 1989, Zl. 120.724/1-7/89, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. X, 2. Wiener Gebietskrankenkasse,
3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter)
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 6. März 1987 hat die zweitmitbeteiligte Partei festgestellt, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Beschäftigung als Krankenbetreuerin am 12. - 20.11., 10. - 17., 23. - 31.12.1983, 1., 2., 23. - 27.1.1984, 13. - 16., 29.2.1984, 1., 2., 16. - 19.3.1984, 3. - 8., 16. - 19., 30.4.1984, 1. - 3., 24., 28. - 31.5.1984, 18. - 22., 27. - 30.6.1984, 1., 23. - 26.7.1984, 27. - 30.8.1984,
15. - 19., 22. - 24.10.1984, 7., 8., 12. - 14.11.1984 "beim Dienstgeber" KM und AM in Wien, gemäß § 471 a Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und § 1 Abs. 1 lit. a des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Erstmitbeteiligten als eingeantworteter Alleinerbe nach KM und AM mit der Begründung Einspruch erhoben, es sei ihm gegenüber der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden. Aus den in der Begründung des Bescheides zitierten Niederschriften lasse sich nicht ableiten, daß die Beschwerdeführerin an den im Spruch angeführten Tagen als Krankenbetreuerin tätig gewesen sei.
Die Einspruchsbehörde hat mit Bescheid vom 29. Oktober 1987 dem Einspruch teilweise stattgegeben und gegenüber dem Bescheid der zweitmitbeteiligten Partei jene Tage aus der Feststellung der Versicherungspflicht ausgeschieden, von denen die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren selbst bekundet habe, nicht beim Ehepaar M anwesend gewesen zu sein, nämlich die Wochenendtage. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angeführten, oben näher bezeichneten Bescheid keine Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, die Erklärung abgegeben, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und - ebenso wie die drittmitbeteiligte Partei - den Antrag gestellt, die Beschwerde abzuweisen. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
3.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geht es ausschließlich um die im Bescheid der zweitmitbeteiligten Partei noch enthaltenen, von der Einspruchsbehörde (und dieser folgend auch von der belangten Behörde) aber ausgeschiedenen Wochenendtage im Ausmaß von neunzehn Versicherungstagen. In diesem Zusammenhang wird in der vorliegenden Beschwerde vorgebracht, daß die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen die Entscheidung der Einspruchsbehörde die Einvernahme der Zeugen B, C, D, E , F, G und H zum Beweis dafür beantragt habe, daß sie auch an den Wochenenden bei den Eheleuten M berufstätig und damit auch während dieser Zeit voll- und arbeitslosenversicherungspflichtig gewesen sei. Diese Zeugen seien im Verfahren von der belangten Behörde nicht alle einvernommen worden; ungeachtet dessen habe sich die einvernommene Zeugin C daran erinnern können, daß die Beschwerdeführerin auch an Samstagen und Sonntagen bei den Eheleuten M beschäftigt gewesen sei. Die unterlassene Einvernahme der weiteren von der Beschwerdeführerin geführten Zeugen stelle einen Verfahrensmangel dar. Weiters schließt die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde zur "Ergänzung der Sachverhaltsannahme" zwei Unterlagen bei, die sie als die von ihr handschriftlich geführten Termin- bzw. Tagebücher bezeichnet und aus denen nach dem Beschwerdevorbringen eindeutig hervorgehe, daß sie an den besagten, verfahrensgegenständlichen Samstagen und Sonntagen bei den Eheleuten M berufstätig gewesen sei.
3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes und im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu überprüfen. Soweit daher die Beschwerdeführerin erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Unterlagen vorlegt, von denen sie meint, daß sie als Beweismittel für ihr im Verfahren erstattetes Vorbringen dienlich wären, ist sie auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend dem § 41 Abs. 1 VwGG geltende Neuerungsverbot hinzuweisen. Insbesondere ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren kein Verfahren höherer Instanz, in dem versäumte Beweisaufnahmen nachgeholt werden könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1957, Slg. N.F. 4342/A). Es wäre Sache der Beschwerdeführerin gewesen, diese Unterlagen den Behörden des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Wenn die Beschwerdeführerin dies unterlassen hat, dann kann sie dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder nachholen, noch aus dem Unterbleiben der diesbezüglichen Beweisaufnahmen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ableiten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1959, Slg. N.F. 5007/A).
3.3. Das weitere Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde den von der Beschwerdeführerin gestellten Anträgen auf Einvernahme von Zeugen nur teilweise nachgekommen ist, trifft zwar zu; der daraus abgeleitete Vorwurf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften ist allerdings aus folgenden Gründen unberechtigt:
Die Beschwerdeführerin hat anläßlich ihrer Niederschrift vor der zweitmitbeteiligten Partei am 24. Februar 1987 eine Aufstellung jener 94 Tage vorgelegt, an denen sie ursprünglich behauptet hat, beschäftigt gewesen zu sein. Anläßlich der am 5. Oktober 1987 von der Einspruchsbehörde durchgeführten mündlichen Verhandlung hat - nach dem Inhalt des von der Beschwerdeführerin unterfertigten Protokolles - die Beschwerdeführerin ihre bisherigen Angaben in zwei Richtungen korrigiert: Sie hat erklärt, daß sie pro Arbeitstag teilweise geringere Einkünfte erhalten habe, als ursprünglich angegeben und daß die von ihr geltend gemachten Zeiten insofern unrichtig seien "soweit darin Wochenenden (Samstage, Sonntage) betroffen" seien. Ihr Begehren sei daher in dieser Hinsicht zu korrigieren. Gleichzeitig beantragte die Beschwerdeführerin die Einvernahme von drei Zeugen zu der Frage, daß über die Zeiteinteilung ein Kalender geführt worden sei.
Der Einspruchsbescheid wurde aufgrund der Ergebnisse dieser mündlichen Verhandlung erlassen, ohne daß die Einspruchsbehörde die von der Beschwerdeführerin zusätzlich beantragten Zeugen einvernommen hätte. In ihrer dagegen erhobenen (als Einspruch bezeichneten) Berufung kritisiert die Beschwerdeführerin, durch den teilweise abändernden Bescheid der Einspruchsbehörde 22 versicherte Arbeitstage verloren zu haben. Sie ersuche nochmals um die Einvernahme von insgesamt sieben, in der Berufung namentlich angeführten Zeugen, die darüber "gut informiert" seien, daß der Neffe des Ehepaares KM und AM die Betreuungsarbeit nach seinem Kalender, der dort in der Küche an der Wand gehängt sei, eingeteilt habe. Sie ersuche auch, ihre "kleinen Kalender 1983 und 1984" als Unterlagen prüfen zu wollen.
Die belangte Behörde hat von den beantragten Zeugen F, C, B und G im Rechtshilfeweg einvernommen. Die Zeugin F gab im Zusammenhang mit der strittigen Wochenendarbeit der Beschwerdeführerin an, die Beschwerdeführerin sei Freitag mittags immer weggegangen, um eine andere Frau zu pflegen, die sie "Frau K" genannt habe. Es sei möglich, daß die Beschwerdeführerin im November (gemeint offenbar: 1983) zum Wochenende gearbeitet habe. Sie sei auch zu den Weihnachtsfeiertagen 1983 da gewesen. Ansonsten habe sie an Samstagen und Sonntagen nicht gearbeitet, da sie Freitag mittag immer wegging. Insgesamt habe sie höchstens an sechzig Tagen beim Ehepaar M gearbeitet. Die Zeugin C gab an, daß die Beschwerdeführerin auch an Samstagen und Sonntagen die Eheleute M betreut und sich in der Wohnung der Kalender befunden habe, auf welchem die Betreuungstätigkeiten der Beschwerdeführerin verzeichnet gewesen seien. Die Zeugin G gab an, die Beschwerdeführerin sei "kaum an einem Wochenende" beim Ehepaar M tätig gewesen. Es sei möglich, daß sie schon einmal oder mehrere Male am Wochenende beim angeführten Ehepaar tätig gewesen sei, jedoch auf keinen Fall über den ganzen, im Rechtshilfeersuchen der belangten Behörde genannten Zeitraum. Die Zeugin Julia M gab lediglich an, daß ihr eine fallweise Beschäftigung der Beschwerdeführerin bei der Familie M bekannt sei; wie lang oder wie oft die Beschwerdeführerin dort ihre Tätigkeit versehen habe, sei ihr aber nicht in Erinnerung.
Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß die belangte Behörde einen Beweisantrag nur dann ablehnen durfte, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. das bei HAUER - LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
3. Auflage, S. 257, Nr. 24 zitierte Erkenntnis). Die Unterlassung der Einvernahme beantragter Zeugen bildet aber dann keinen Verfahrensmangel, wenn der Beweisführer nicht erklärt, zu welchem Beweisthema er die beantragten Zeugen vernommen haben will (vgl. aaO, E. Nr. 26).
Fallbezogen hat die Beschwerdeführerin in ihrem Beweisantrag nicht behauptet, daß die von ihr geführten Zeugen im speziellen über die Wochenendarbeit der Beschwerdeführerin Auskunft geben könnten, sondern lediglich, daß sie über die Einteilung der Betreuungsarbeit durch den Neffen des Ehepaares M informiert seien. Nun steht aber dieses Beweisthema in keinem unmittelbaren logischen Zusammenhang mit der Behauptung der Beschwerdeführerin, an bestimmten Wochenenden Arbeitsleistungen erbracht zu haben. Schon aus diesem Grunde war die belangte Behörde nicht verpflichtet, alle von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung benannten Zeugen einzuvernehmen, da die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren - anders als in der vorliegenden Beschwerde - ein diesbezügliches Sachvorbringen nicht erstattet hat.
Wenn die belangte Behörde das (durchaus widersprüchliche) Beweisergebnis dahingehend bewertet hat, daß den Angaben der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren ausschlaggebendes Gewicht zuzumessen sei, so kann ihr darin nicht entgegengetreten werden, weil diese präzisen Angaben der Beschwerdeführerin, als jener Person, die dem Geschehen am nächsten stand, eigentlich sonst nicht verständlich und auch durch die von der Beschwerdeführerin behauptete "Aufregung" nicht erklärbar wären.
Da im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative BeweiswürdigungSachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)Beweiswürdigung antizipative vorweggenommeneSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtBeweismittel ZeugenbeweisAblehnung eines BeweismittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989080237.X00Im RIS seit
24.04.1990Zuletzt aktualisiert am
23.12.2015