TE Vfgh Erkenntnis 1987/9/28 B45/87

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Veröffentlicht am 28.09.1987
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art83 Abs2
ZivildienstG §2 Abs1
ZivildienstG §5 Abs3

Leitsatz

Vertretbare Annahme, daß die Erklärungen des Bf. nicht als jene ausdrückliche Erklärung zu werten ist, die §5 Abs3 ZDG vorschreibt; jedenfalls keine unrechtmäßige Verweigerung einer Sachentscheidung, da im zurückweisenden Bescheid der Mangel des Vorliegens der Voraussetzung des §5 Abs3 begründet ist; keine Verletzung im durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung Keine Abtretung der Beschwerde an den VwGH im Hinblick auf Art133 Z4 B-VG Kein Kostenzuspruch an die bel. Beh. gem. §88 VerfGG, da eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den pauschalierten Aufwandersatz vor dem VwGH für das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht in Betracht kommt

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Der bel. Beh. wird kein Kostenersatz zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.       1. Der Bf. beantragte seine Befreiung von der

Wehrpflicht und begründete diesen Antrag im wesentlichen wie folgt:

         ". . . ersuche um Zulassung für den Zivildienst, zumal

ich, als minderer Mönch der strengen Observanz, der Waffengewalt entsage und jeglichen Zwang - die Waffen der Gewalt zu gebrauchen. Einer Dienstleistung (Zivildienst) - kann ich ohne weiters zustimmen, falls in dieser Tätigkeit keine Waffen der Gewalt angewendet werden. Durch unseren Heiland Jesus Christus und seiner hochheiligen Mutter, segne ich Sie."

Mit Bescheid vom 5. September 1985 wies die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres diesen Antrag gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 des Zivildienstgesetzes (ZDG) zurück, weil der Antragsteller die für seine Ablehnung des Dienstes mit der Waffe maßgeblichen Gründe nicht dargelegt und daher die vom Gesetz geforderten Bedingungen für eine Befreiung von der Wehrpflicht nicht erfüllt habe.

2. Mit Bescheid vom 3. Juli 1986 gab die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) der vom Antragsteller gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachten Berufung keine Folge und bestätigte - wenngleich mit einer anderen Begründung - den erstinstanzlichen zurückweisenden Bescheid.

Die Berufungsbehörde vertrat die Auffassung, daß die oben unter Pkt. 1. wiedergegebene Erklärung des Antragstellers der zwingenden Vorschrift des §5 Abs3 ZDG nicht entspreche, wonach sich der Wehrpflichtige unter anderem ausdrücklich bereit zu erklären habe, für den Fall der Stattgebung seines Antrages Zivildienst zu leisten und die Zivildienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen. Die ZDOK führte sodann aus:

"Ein Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht wird nur dann den gesetzlichen Formvorschriften gerecht, wenn in ihm die erwähnte Verpflichtungserklärung ausdrücklich abgegeben wird. Der Mangel einer solchen Erklärung kann, da im §5 Abs3 ZDG die Angabe der Verpflichtungserklärung als ein wesentlicher sachlicher Bestandteil des Antrages, ähnlich wie die Begründung im Falle eines Berufungsantrages nach §63 Abs3 AVG 1950 vorgeschrieben ist, nicht als ein Formgebrechen im Sinne des §13 Abs3 AVG 1950 angesehen werden, das auf dem dort versehenen Wege nachgeholt bzw. nachträglich behoben werden könnte. Anbringen, die diesen Mangel aufweisen, fehlt der Charakter einer dem Gesetz (hier: §5 Abs3 ZDG) entsprechenden Eingabe. Sie müssen daher - analog einer nicht begründeten Berufung (siehe Verfassungsgerichtshoferkenntnis vom 7.6.1969, Slg. 5955 und vom 28.11.1969, Slg. 5836) - ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückgewiesen werden."

3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach §2 Abs1 ZDG verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

4. Die bel. Beh. hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt und Kosten verzeichnet.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. In der Beschwerde wird zu dem Punkt, auf welchen die bel. Beh. ihre Entscheidung stützte (Mangel einer ausdrücklichen Erklärung im Sinne des §5 Abs3 ZDG, den Zivildienst leisten zu wollen und die Zivildienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen), nichts vorgebracht.

Es heißt in der Begründung der Beschwerde einleitend, die gesamten Ausführungen der bel. Beh. seien einerseits zu formalistisch gehalten und sohin bereits aus diesen Erwägungen heraus nicht im Einklang mit den gesetzgeberischen Intentionen, wie sie dem AVG zugrundelägen, sowie schon gar nicht mit jenen des ZDG. Sodann wird in der Beschwerde des langen und breiten vorgebracht, daß im Verwaltungsverfahren Willkür geübt und das rechtliche Gehör verletzt worden sei; der Bf. habe seine Gewissensgründe glaubhaft gemacht und es sei "rechtlich weiters erheblich", daß §24 Abs3 des Wehrgesetzes normiere, daß ausgeweihte Priester und Ordenspersonen, welche die öffentlichen Gelübde abgelegt haben, von der Stellungspflicht befreit sind.

2. Nach §5 Abs3 ZDG hat der Wehrpflichtige in seinem Antrag die nach §2 maßgebenden Gründe darzulegen und sich ausdrücklich bereitzuerklären, für den Fall, daß seinem Antrag stattgegeben wird, Zivildienst zu leisten und die Zivildienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen.

Es kann der bel. Beh. nicht entgegengetreten werden, wenn sie in der Erklärung des Antragstellers, er könne dem Zivildienst "ohne weiteres zustimmen", angesichts des Hinweises im Antrag, der Antragsteller sei "minderer Mönch der strengen Observanz" sowie angesichts des Umstandes, daß der Bf. in zwei (späteren) Eingaben an die bel. Beh. darauf hinwies, er sei nicht verpflichtet (und auch nicht bereit), Zivildienst zu leisten, nicht als jene ausdrückliche Erklärung gewertet hat, die §5 Abs3 ZDG vorschreibt. In der Beschwerde wird dagegen - wie bereits erwähnt - auch nichts vorgebracht.

Bereits daraus ergibt sich, daß die Beschwerde unbegründet ist.

Im gegebenen Zusammenhang kann unerörtert bleiben, ob das Fehlen einer der beiden im §5 Abs3 ZDG geforderten Voraussetzungen zu einer Zurückweisung (wie die bel. Beh. vermeint) oder zu einer Abweisung des Antrages führt. Die bel. Beh. hat nämlich den Mangel des Vorliegens der genannten Voraussetzung im angefochtenen Bescheid begründet; sie hat daher auch für den Fall, daß diese Erklärung nicht als eine formale, sondern als eine inhaltliche Voraussetzung für die Befreiung von der Wehrpflicht zu qualifizieren wäre, keineswegs zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (s. zB VfSlg. 9737/1983). Durch die prozessuale Form der bekämpften Entscheidung konnte daher eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte des Bf. nicht eintreten (vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 9512/1982).

Im übrigen bleibt zu bemerken, daß die bel. Beh. davon auszugehen hatte, daß der Antrag des Bf. auf Befreiung von der Stellungspflicht gem. §24 Abs3 Z3 Wehrgesetz mit rechtskräftigem Bescheid des Militärkommandos Wien vom 24.6.1985 abgewiesen worden ist.

3. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war abzuweisen, weil Art144 Abs3 B-VG dieses Vorgehen dann verwehrt, wenn es sich um einen Fall handelt, der nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossen ist. Dies trifft hier im Hinblick auf die Z4 im zuletzt bezogenen Art. deshalb zu, weil der Vorsitzende der ZDOK dem Richterstand angehört (§45 Abs1 ZDG), die Mitglieder der ZDOK in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind (§46 ZDG), die Bescheide der in oberster Instanz entscheidenden ZDOK nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen (§53 Abs2 zweiter Satz ZDG) und keine Gesetzesbestimmung besteht, welche die Anrufung des VwGH dennoch ausdrücklich für zulässig erklärte.

Die von der bel. Beh. verzeichneten Kosten für Schriftsatzaufwand und Vorlageaufwand sind gemäß §88 VerfGG nicht zuzusprechen, weil eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem VwGH für das verfassungsgerichtliche Verfahren nicht in Betracht kommt (s. zB VfSlg. 6806/1972).

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1987:B45.1987

Dokumentnummer

JFT_10129072_87B00045_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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