TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/24 86/07/0241

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Veröffentlicht am 24.04.1990
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Index

L66503 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Niederösterreich;
13/01 Staatsvertragsdurchführung;
19/01 Staatsvertrag von Wien;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
22/04 Sonstiges Prozessrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §1460;
ABGB §1477;
ABGB §1493;
ABGB §1496;
ABGB §1497;
ABGB §1498;
ABGB §1500;
ABGB §328;
AVG §56;
FlVfGG §34;
FlVfLG NÖ 1975 §97 Abs4 litc;
FlVfLG NÖ 1975 §97;
FristenG 1947;
StV 1955 Art22;
StV 1955 DG 01te §4;
StV 1955 DG 01te §5 Abs4;
StV 1955 DG 01te §6;
StV 1955 DG 01te §7;
StV 1955 DG 01te §8;
StV 1955 DG 01te §9;
ZPO §228;

Betreff

Bund - Bundesministerium für Landesverteidigung gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Juni 1984, Zl. VI/3-222/5 betreffend Streitigkeit über Grundeigentum (mitbeteiligte Partei: HE).

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. April 1984 entschied die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (ABB) gemäß § 97 Abs. 1 bis 3 des NÖ. Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-2 (FLG), in Verbindung mit §§ 1451 ff ABGB im Zusammenlegungsverfahren T über den Antrag der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei dahin, daß dieser das Eigentumsrecht an den dem Grundbuch zufolge der "Republik Österreich 'Heeresverwaltung'" gehörenden Grundstücken Nr. 658 EZ 178 KG T sowie Nr. 34, 35 und 43 EZ 1 KG G zustehe; dies im wesentlichen mit der Begründung, daß die Mitbeteiligte und ihre Rechtsvorgänger diese Grundstücke seit dem Jahr 1942 - damals war bücherlicher Eigentümer das Deutsche Reich - stets in der Überzeugung rechtmäßigen Besitzes bewirtschaftet hätten.

Mit Erkenntnis vom 12. Juni 1984 gab der Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) in Verbindung mit §§ 1451 ff ABGB nicht Folge. Begründend wurde dazu unter Hinweis auf § 97 FLG sowie die §§ 1451, 1472 und 1485 ABGB zunächst die Zuständigkeit der Agrarbehörden zur Entscheidung bekräftigt und auf den diesbezüglichen Berufungseinwand erwidert, eine Eigentumsstreitigkeit über ein Grundstück werde nicht lediglich deshalb, weil eine Streitpartei die Heeresverwaltung sei, zu einer - jene Zuständigkeit ausschließenden - Angelegenheit der Landesverteidigung (§ 97 Abs. 4 lit. c FLG). Die Berufungsbehörde erklärte ferner, sie teile die Auffassung der ABB, daß sich die Frage, ob - wie die Mitbeteiligte behauptet hat - ein Kaufvertrag im Jahre 1942 tatsächlich abgeschlossen worden sei oder nicht, für die vorliegende Entscheidung als unmaßgeblich erweise.

Die Mitbeteiligte habe nach den Bestimmungen des ABGB das Eigentumsrecht an den fraglichen Grundstücken ersessen. Die Tatsache, daß die Mitbeteiligte selbst bzw. ihre Rechtsvorgänger die Grundstücke seit dem Jahre 1942 ununterbrochen bewirtschaftet hätten, ohne daß dies vom bücherlichen Eigentümer zu irgendeinem Zeitpunkt untersagt worden sei, begründe ihren Anspruch auf Ersitzung des Eigentumsrechtes.

Der Beschwerdeführer habe die über 40jährige ununterbrochene Bewirtschaftung durch die Antragstellerin nicht bestritten, sondern nur darauf verwiesen, daß es den das Grundeigentum verwaltenden Organen nicht bekannt gewesen sei, daß in Bundeseigentum stehende Grundstücke von fremden Personen bewirtschaftet würden.

Dies sei aber bei der Frage der Ersitzung nicht unabdingbare Voraussetzung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ersitzung gegenüber dem Beschwerdeführer seien die 40jährige Ersitzungszeit, der redliche und der echte Besitz. Der rechtmäßige, also auf einen gültigen Titel gestützte Besitz sei bei einer 40jährigen Ersitzungszeit nicht mehr erforderlich. Daher habe auch die Frage, ob im Jahr 1942 ein gültiger Titel durch Abschluß eines Kaufvertrages zustandegekommen sei, keine Bedeutung für die vorliegende Entscheidung.

Dem Argument des Beschwerdeführers, es sei der Besitz der Mitbeteiligten zweifellos als unredlich zu bezeichnen, weil von ihr als Benützerin eines landwirtschaftlich genutzten Grundstückes niemals ein Kaufvertrag gesehen worden sei, könne nicht beigepflichtet werden. Die Aussagen der Mitbeteiligten und deren von der Erstbehörde als Zeugin vernommenen Mutter wiesen darauf hin, daß die Mitbeteiligte von der Rechtmäßigkeit ihres Besitzes überzeugt gewesen sei und es auch weiterhin sei. Die Berufungsbehörde habe keine Anhaltspunkte gefunden, diese Aussagen in Zweifel zu ziehen.

Auch zur Einwendung des Beschwerdeführers, mit Inkrafttreten des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes am 31. Juli 1956 seien nur dingliche Rechte Dritter an Liegenschaften oder bücherlichen Rechten des Deutschen Reiches aufrecht geblieben, obligatorische jedoch erloschen, und Ansprüche gegen das Deutsche Reich, die zwischen dem 13. März 1938 und dem 27. Juli 1955 entstanden sind, könnten weder bei einer inländischen Behörde geltend gemacht noch im Inland vollstreckt werden, müsse der Argumentation der Erstbehörde beigetreten werden. Der gegenständliche Anspruch auf Ersitzung in einem Zeitraum von 40 Jahren sei im Jahre 1982 entstanden und richte sich nicht gegen das Deutsche Reich, sondern gegen die Republik Österreich. Dieser Anspruch sei aber aus dem Gesetz erwachsen und daher kein obligatorischer.

Die Einwendung des Beschwerdeführers, daß bis zum Inkrafttreten des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes die rechtliche Verfügungsmöglichkeit über diese Grundstücke auf seiten des Beschwerdeführers nicht gegeben gewesen sei und daher die Ersitzungszeit erst mit Inkrafttreten des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes zu laufen beginnen könne, gehe ins Leere. Für die Ersitzung von Bedeutung sei der bloße, objektive Nichtgebrauch eines Rechtes. Die mangelnde rechtliche Verfügungsmöglichkeit auf seiten des Beschwerdeführers stelle zwar für diesen ein subjektives Hindernis dar, könne aber nicht der Mitbeteiligten zur Last gelegt werden.

Dieses Erkenntnis bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 25. September 1986, B 6/85, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Vor diesem Gerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, wobei er sich in dem Recht verletzt erachtet, daß keine sein Eigentum an den bezeichneten Grundstücken verneinende Entscheidung getroffen werde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Mitbeteiligte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vermißt im angefochtenen Erkenntnis eine Feststellung, daß das Deutsche Reich bücherlicher Voreigentümer der betroffenen Grundstücke gewesen sei. Eine dahin gehende Feststellung enthält das angefochtene Erkenntnis tatsächlich nicht, geht aber einschlußweise von dieser Voraussetzung aus - wie die Ausführungen zum Einwand betreffend das Erlöschen obligatorischer Rechte zeigen -, so daß das diesbezügliche, durch entsprechende Grundbuchsauszüge bestätigte Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als seitens der belangten Behörde bestritten angesehen werden kann.

Der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde den Sachverhalt in rechtlich verfehlter Weise gewürdigt habe, indem sie zu dem Ergebnis gelangt sei, das Eigentum des Beschwerdeführers an besagten Grundstücken in Abrede zu stellen. Dazu ist im einzelnen folgendes zu bemerken:

Die mitbeteiligte Partei hat die Zuerkennung ihres Eigentumsrechtes gegenüber dem Beschwerdeführer in Ansehung der streitgegenständlichen Grundstücke auf Grund eingetretener Ersitzung begehrt, ohne in ihrem im August 1983 eingebrachten Antrag gesondert die Erteilung der grundbücherlichen Aufsandungserklärung zu verlangen. Diesen Antrag hat die mitbeteiligte Partei offenkundig auf § 1498 ABGB gestützt. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung kann derjenige, der eine Sache oder ein Recht ersessen hat, gegen den bisherigen Eigentümer (bei dem Gerichte) die Zuerkennung des Eigentumes ansuchen, und das zuerkannte Recht, wofern es einen Gegenstand der öffentlichen Bücher ausmacht, den letzteren einverleiben lassen.

Unabhängig davon, ob eine einem solchen Antrag entsprechende behördliche Entscheidung in der Folge im Grundbuch einverleibt werden kann, sind jedenfalls selbst Anträge, die auf eine bloße Feststellung gerichtet sind, zulässig (vgl. in diesem Zusammenhang Klang in Klang VI,

2. Auflage, 665, und Schubert in Rummel, 1. Auflage, Rz 1 zu § 1498).

Um im Sinne des § 1460 ABGB ersitzen zu können, wird neben anderen kumulativen Voraussetzungen gefordert, daß jemand die Sache oder das Recht, die auf diese Art erworben werden sollen, wirklich besitze; daß sein Besitz rechtmäßig, redlich und echt sei, und durch die ganze von dem Gesetze bestimmte Zeit fortgesetzt werde (§§ 309, 316, 326 und 345 ABGB). Wenn die unbewegliche Sache auf den Namen desjenigen, der die Besitzrechte darüber ausübt, nicht eingetragen ist, wird im allgemeinen die Ersitzung erst nach 30 Jahren vollendet (§ 1468 zweiter Fall ABGB). Gegen den Fiskus und bestimmte andere im Gesetz genannte juristische Personen reicht die gemeine ordentliche Ersitzungszeit nicht hin; Rechte solcher Art, die auf den Namen des Besitzers in die öffentlichen Bücher nicht einverleibt sind, lassen sich zufolge § 1472 letzter Satz ABGB nur durch den Besitz von 40 Jahren erwerben. Wer die Ersitzung auf einen Zeitraum von 30 oder 40 Jahren stützt, bedarf keiner Angabe des rechtmäßigen Titels. Die gegen ihn erwiesene Unredlichkeit des Besitzes schließt aber auch in diesem längeren Zeitraum die Ersitzung aus (§ 1477 ABGB).

Der Beschwerdeführer vertritt vor dem Verwaltungsgerichtshof seinen im wesentlichen schon im agrarbehördlichen Verfahren eingenommenen Standpunkt, daß die mitbeteiligte Partei keineswegs alle Erfordernisse einer Ersitzung dargetan habe. So sei die vierzigjährige Ersitzungszeit im Jahre 1983 infolge Unterbrechung bzw. Hemmung keineswegs abgelaufen gewesen, und es habe der Käuferseite am erforderlichen guten Glauben gemangelt. Ferner stellt der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Erwerbstitels in Abrede.

Auf die noch im einzelnen näher wiederzugebenden Beschwerdeausführungen wird jeweils gesondert einzugehen sein.

Zunächst behauptet der Beschwerdeführer, daß der gegenständliche Kaufvertrag - sollte er im Jahre 1942 tatsächlich abgeschlossen worden sein - der Käuferseite lediglich einen Anspruch rein obligatorischer Natur auf Übertragung des dinglichen Eigentumsrechtes gegenüber dem Deutschen Reich verschafft habe. Jedenfalls sei bis zum Inkrafttreten des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. Nr. 152/1955 (Staatsvertrag), eine bücherliche Einverleibung der Käuferseite nicht erfolgt. Mit der Bestimmung des Art. 22 §§ 6 und 11 des Staatsvertrages seien sämtliche von den Alliierten seinerzeit innegehabten oder beanspruchten deutschen Vermögenswerte ("deutsches Eigentum") in das alleinige Eigentum der Republik Österreich übertragen worden, wobei die einschlägigen staatsvertraglichen Bestimmungen hinsichlich des damit ausgesprochenen Eigentumsüberganges auf die Republik Österreich nach Lehre und Rechtsprechung keines Ausführungsgesetzes bedurft hätten.

Nun sehe § 5 Abs. 4 des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes vom 25. Juli 1956, BGBl. Nr. 165, vor, daß dingliche Rechte Dritter, die an Liegenschaften oder bücherlichen Rechten des Deutschen Reiches am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestanden hätten, aufrecht blieben. Daraus könne, wie der Beschwerdeführer meint, e contrario der Schluß gezogen werden, daß rein obligatorische Ansprüche gegen das Deutsche Reich, unter welche auch der allenfalls gegeben gewesene Anspruch auf Übertragung dinglicher Rechte fallen würde, erloschen seien.

Dieses Beschwerdevorbringen ist indessen nicht zielführend, weil die mitbeteiligte Partei ihre Eigentumsansprüche nicht auf den seinerzeitigen Kaufvertrag, sondern auf einen anderen Rechtstitel, nämlich die Ersitzung, stützt, wovon auch der angefochtene Bescheid ausgegangen ist. Ob der Staatsvertrag bzw. das 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetz etwa aus einem anderen Grund für den vorliegenden Fall der behaupteten Ersitzung Bedeutung haben könnte, ist noch gesondert zu untersuchen.

Der Beschwerdeführer meint in diesem Zusammenhang auch, daß dann, wenn man von der Ingangsetzung einer Ersitzungsfrist zu Gunsten der Käuferseite im Jahre 1942 ausgehe, der ex-lege-Erwerb der Grundstücke durch die Republik Österreich, welcher, der Qualität nach, dem im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher vollzogenen Rechtserwerb durch einen Dritten entspreche, eine Unterbrechung der Ersitzungszeit bewirkt hätte. In diesem Zusammenhang sei nämlich § 1500 ABGB zu beachten. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung kann das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteile gereichen. Der Beschwerdeführer möchte nun, indem er den Erwerb kraft Gesetzes einem sonstigen Liegenschaftserwerb gleichhält, § 1500 ABGB im Wege einer Analogie bzw. eines Größenschlusses sinngemäß heranziehen.

Eine solche Gleichstellung läßt jedoch die eben genannte Bestimmung nicht zu, weil ein Erwerb kraft Gesetzes im Gegenteil gerade nicht im (zu schützenden) Vertrauen auf die öffentlichen Bücher, sondern unmittelbar durch das Gesetz - hier: Art. 22 des Staatsvertrages - erfolgt. Auf in der zivilrechtlichen Judikatur behandelte Sonderfälle, wie den Erwerb im Erbgang oder im Weg der Zwangsversteigerung, braucht in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden, weil diese für die hier zu treffende Entscheidung keine Vergleichsgrundlage darstellen.

Auch aus den §§ 4 bis 9 des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes läßt sich für die Beschwerde - in bezug auf § 5 Abs. 4 wurde dies für einen Teilaspekt schon oben gezeigt - nichts gewinnen. So begründet insbesondere zufolge § 4 des zitierten Geseztes der Eigentumsübergang auf Grund des Staatsvertrages eine Haftung der Republik Österreich für die Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches, seiner Einrichtungen, deutscher juristischer oder physischer Personen oder sonstiger Voreigentümer nur nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes. Die Möglichkeiten des Überganges von Verpflichtungen des Deutschen Reiches auf die Republik Österreich sind erschöpfend aufgezählt. Ebensowenig aber wie die gegen das Deutsche Reich angelaufene Ersitzungszeit zugunsten der mitbeteiligten Partei als eine dingliche Belastung im Sinn des § 5 Abs. 4 des bezeichneten Gesetzes gelten konnte (weil ihr noch kein bestehendes dingliches Recht entsprach), stellte diese Zeit eine bloße obligatorische Verpflichtung dar, welche auf die Republik Österreich nicht übergegangen wäre. Es handelt sich vielmehr bei der angelaufenen Ersitzungszeit um eine Rechtsfigur eigener Art, welche eher mit einer dinglichen als mit einer obligatorischen Belastung verglichen werden kann. Diese Ersitzungszeit entfaltete ähnlich etwa der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung einer Enteignung in Ansehung des Deutschen Reiches - wie vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 8981, näher dargelegt - im Beschwerdefall auch weiterhin Wirkungen gegen die Republik Österreich. Der Verwaltungsgerichtshof pflichtet dem Verfassungsgerichtshof im übrigen auch darin bei, daß - wie im selben Erkenntnis gezeigt - der Eigentumsübergang auf die Republik Österreich einen Erwerb besonderer Art dargestellt hat, der nicht in das von der Rechtslehre entwickelte Schema des ursprünglichen (originären) und abgeleiteten (derivativen) Erwerbs eingeordnet werden kann.

Ein bloßer Eigentumswechsel auf seiten des Ersitzungsgegners stellt davon abgesehen ganz allgemein - unbeschadet der Regelung des § 1500 AGBG - keinen Unterbrechungsgrund für die Ersitzung dar; irgend eine positivrechtliche Ausnahmebestimmung zugunsten des Beschwerdeführers besteht nicht.

Der Beschwerdeführer behauptet weiters, der mitbeteiligten Partei fehle es am Erfordernis der Redlichkeit ihres Besitzes. Dies allerdings zu Unrecht. Schon § 328 ABGB normiert die Rechtsvermutung der Redlichkeit des Besitzes. Auch die Unkenntnis oder Kenntnis des Staatsvertrages bzw. des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes kann für sich allein gesehen noch keine Änderung im guten Glauben der Ersitzungsbesitzer nach sich gezogen haben, weil eine Rechtsnachfolge auf seiten des Ersitzungsgegners hierauf keinen Einfluß hat. Ebensowenig kann von Unredlichkeit eines Ersitzungsbesitzers schon deshalb gesprochen werden, weil er wußte oder wissen mußte, daß der Ersitzungsgegner vom angelaufenen Ersitzungsvorgang keine Kenntnis hatte. Ob die zuständigen Organe des Fiskus von dem Besitz der mitbeteiligten Partei Kenntnis hatten oder nicht, ist also für die Gutgläubigkeit der letzteren unerheblich. Ebensowenig schadet es der mitbeteiligten Partei, daß sie einen Rechtstitel für den Erwerb nicht beweisen kann: denn bei einer Ersitzung von 30 oder 40 Jahren findet die Einrechnung der Ersitzungszeit des "Vorfahrers" auch ohne einen rechtmäßigen Titel statt (§ 1493 ABGB), wie es überdies bei der Ersitzung "longi temporis" keiner Angabe des rechtmäßigen Titels bedarf (vgl. oben § 1477 ABGB).

Auch von einem gänzlichen Stillstand der Rechtspflege im Sinne des § 1496 ABGB, welcher die Fortsetzung der Ersitzung hemmen hätte können, wie der Beschwerdeführer meint, konnte im vorliegenden Fall nicht die Rede sein; dies schon deshalb, weil es dem Fiskus und seinem Rechtsvorgänger - objektiv gesehen - unbenommen geblieben wäre, die Eigentumsklage zu erheben, und er es somit im Sinne des § 1497 ABGB als Berechtigter in der Hand gehabt hätte, die Ersitzung der Mitbeteiligten bzw. ihrer Rechtsvorgänger zu unterbrechen. Im übrigen verweist der Verwaltungsgerichtshof darauf, daß auch das Fristengesetz vom 2. Juli 1947, BGBl. Nr. 193 (später novelliert), nicht auf die Ersitzung des Eigentumsrechtes anwendbar war (vgl. die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 3. November 1960, SZ 33/118).

Ohne Einfluß auf den Lauf der Ersitzung mußte im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers auch ein allgemeines, "deutsches Eigentum" betreffendes Verfügungsverbot zwischen 1948 und 1955 bleiben, weil hiedurch eine tatsächliche Besitzausübung nicht gehindert wird.

Der behauptete Eingriff in Rechte des Beschwerdeführers liegt demnach in keiner Richtung vor, was gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zur Abweisung der somit unbegründeten Beschwerde führen mußte.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1986070241.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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