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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ABGB §166;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1991, 44;Betreff
N gegen Finanzlandesdirektion für Tirol vom 21. November 1989, Zl. 40.317-4/88, betreffend Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte für 1987 wegen außergewöhnlicher Belastung:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte für das Streitjahr die Eintragung eines steuerfreien Betrages auf der Lohnsteuerkarte aus dem Titel außergewöhnlicher Belastung unter anderem für "Aussteuer ... anläßlich der Haushaltsgründung eines Neupriesters", nämlich eines seiner beiden Söhne.
Das Finanzamt lehnte den Antrag insoweit ab.
Im Berufungsverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, die außergewöhnliche Belastung sei nicht für die Haushaltsgründung, sondern für die Verpflichtung der Aussteuerzahlung beantragt worden. Der Empfang der Priesterweihe schließe eine Verehelichung in der Zukunft aus, sodaß anstelle des Beginns einer ehelichen Gemeinschaft der Beginn des Priestertums trete. Durch die Notwendigkeit eigener Haushaltsgründen eines Weltpriesters sei der Schritt durchaus mit der Verehelichung gleichzustellen, woraus sich die rechtliche Verpflichtung zur Bezahlung einer angemessenen Ausstattung ergebe. Außerdem stehe dem Kind nach verbreiteter Auffassung bei Bedarf auch ein Anspruch auf Leistung dessen zu, was zum Antritt des Amtes oder eines Gewerbes erforderlich sei. Dieser Anspruch werde umso stärker, als durch den fehlenden Willen zur Verehelichung ein Anspruch auf Heiratsausstattung nicht eintreten könne. Zumindest müsse aber eine sittliche Pflicht zur Ausstattungszahlung angenommen werden. Nur diese Auffassung gewährleiste ein Gleichbehandlung von Mann und Frau (Sohn und Tochter). Auch müßten - wie im Falle des Beschwerdeführers - zwei Söhne, von denen einer geheiratet habe und einer Priester geworden sei, gleich behandelt werden.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung durch Aufwendungen aus Anlaß der Hausstandsgründung des Sohnes des Beschwerdeführers, der Priester geworden war, als unbegründet ab. Sie verneinte insoweit die Zwangsläufigkeit der Aufwendung mangels rechtlicher oder sittlicher Pflicht zur Leistung.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Steuerminderung wegen der genannten außergewöhnlichen Belastung verletzt. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hat auch vor den Verwaltungsbehörden nichts vorgetragen, was dahin verstanden werden könnte, er habe sich der Aufwendung aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen können.
Strittig ist daher nur die Frage rechtlicher oder sittlicher Pflicht zur Leistung.
Den noch im Berufungsverfahren eingenommenen Standpunkt, er hätte als Vater seinem Sohn bei Antritt eines Amtes das hiefür Erforderliche zu leisten, hält der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof (richtigerweise) nicht mehr aufrecht, weil er ausführt, es handle "sich nicht um eine Ausstattung des Sohnes bei Antritt eines Amtes". Mit dem Bundesgesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl. Nr. 1977/403, wurde dieser Versorgungsanspruch des Kindes nämlich beseitigt (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 60 BlgNR 14. GP, 21). Der Verwaltungsgerichtshof hat deshalb schon wiederholt ausgesprochen, daß ein Vater, der seinem Sohn die entsprechende Ausbildung hat angedeihen lassen, seiner gesetzlichen Pflicht, dem Sohn die Selbsterhaltungsfähigkeit zu beschaffen genügt hat, und für ihn darüberhinaus weder eine rechtliche noch eine sittliche Pflicht besteht, dem Sohn auch noch die Ausübung des Berufes in selbständiger Stellung zu sichern (vgl. etwa das Erkenntnis vom 25. Jänner 1983, 3731/80, ÖStZB 1983, 308, und die darin zitierte Vorjudikatur).
Der Ausstattungsanspruch gemäß § 1231 in Verbindung mit § 1220 ABGB steht aber nur dem sich verehelichenden Sohn zu (vgl. etwa das einen Sohn, der zum Priester geweiht wurde, betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1980, 3084/79, ÖStZB 1980, 267); er gebührt daher einem unverehelichten Kind nicht, dies völlig unabhängig davon, aus welchem Grund die Ehelosigkeit besteht. Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechtes bestehen in diesem Bereich nicht. Es fehlt daher die Voraussetzung für eine Lückenfüllung durch Analogie.
Die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes sind unbegründet. Dieser Grundsatz gebietet Gleiches gleich und Ungleiches unterschiedlich zu behandeln. Da die Eingehung der Ehe zur Gründung einer Familie führt und die hiefür nötige Hausstandsgründung bei typischer Betrachtungsweise mit wesentlich höheren Kosten verbunden sind, als die Hausstandsgründung eines Alleinstehenden, ist die unterschiedliche Behandlung verheirateter und unverheirateter Kinder sachlich gerechtfertigt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ehelosigkeit auf eine von religiöser Überzeugung getragene Lebensgestaltung oder auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz B-VG schließt u. a. Vorrechte des Bekenntnisses aus. Gemäß Art. 66 Abs. 1 und 2 sowie Art. 67 des Staatsvertrages von St. Germain sind alle österreichischen Staatsbürger unabhängig von ihrer Religion vor dem Gesetz gleich, sie genießen dieselben bürgerlichen und politischen Rechte und Garantien. Der Unterschied im Religionsbekenntnis bildet daher kein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium, das dem Gesetzgeber oder der Vollziehung eine unterschiedliche Behandlung bei im wesentlichen gleichem Sachverhalt erlaubte. Es wäre daher verfassungsrechtlich bedenklich, Rechtsfolgen an die durch die religiöse Überzeugung verursachte Ehelosigkeit und nicht nur an diese schlechthin zu knüpfen. Auch die zum Gleichheitsgrundsatz angestellten Überlegungen des Beschwerdeführers stützen daher nicht das von ihm gewünschte Auslegungsergebnis.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt folglich die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß den Beschwerdeführer zur Ausstattung seines Sohnes, der Weltpriester wurde, keine rechtliche Pflicht traf.
Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen zu der Leistung verpflichtet halten kann. Es reicht nicht aus, daß die Leistung menschlich verständlich ist, es muß vielmehr die Sittenordnung das Handeln erfordern. Eine sittliche Pflicht zu Leistungen an Familienangehörige setzt voraus, daß sich der betreffende Angehörige in einer akuten Notlage befindet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1986, 85/13/0007, ÖStZB 1987, 143). Das Gebot der Sittlichkeit verlangt demgegenüber nicht, Angehörige, denen gegenüber keine Unterhaltspflicht besteht, in einem über den notwendigen Unterhalt hinausgehenden Ausmaß zu unterstützen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1986, 85/13/0096, ÖStZB 1987, 68, und die darin zitierte Vorjudikatur). Daß der Sohn des Beschwerdeführers ohne den Ausstattungsbetrag notleidend gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nie behauptet. Einen Satz der Sittenordnung, einem unverheiratet bleibenden Sohn, der Priester wurde, müsse eine Ausstattung bezahlt werden, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgewiesen; ein solcher Satz ist dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht bekannt.
Im Erkenntnis vom 14. März 1972, 1767/71, ÖStZB 1972, 190, wurde vom Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, der das Heiratsgut an eine Tochter betraf, die nach Beendigung ihres Studiums einen Medizinstudenten geheiratet hatte, zu § 33 EStG 1967 ausgesprochen, daß bei Prüfung einer außergewöhnlichen Belastung eine darüber hinausgehende sittliche Verpflichtung des Steuerpflichtigen in Betracht zu ziehen sei und dies die Behörde durch Berücksichtigung eines Betrages von S 100.000,-- als außergewöhnliche Belastung getan habe, weil dieser Betrag die nach der Judikatur die Höhe des Heiratsgutes üblichen Sätze um etwa ein Drittel überschritten habe. Aus diesem Erkenntnis läßt sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers für diesen nichts gewinnen, weil aus ihm weder der Schluß gezogen werden darf, daß der Verwaltungsgerichtshof damals eine sittliche Pflicht zu dieser Mehrleistung annahm, noch daß eine sittliche Pflicht zur Leistung von Heiratsgut oder Ausstattung an unverheiratete Kinder bestünde.
Die Meinung des Beschwerdeführers, die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht würde den "Zölibat zu einer rechtlich benachteiligenden Institution qualifizieren", ist aus den bereits oben zum Gleichheitsgrundsatz dargelegten Überlegungen unrichtig.
Da der Beschwerdeführer somit im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten nicht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990140024.X00Im RIS seit
24.04.1990Zuletzt aktualisiert am
17.10.2009