Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §60;Betreff
N gegen Disziplinaroberkommission beim Stadtschulrat für Wien vom 27. Oktober 1989, DZ 2/89, betreffend Suspendierung
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien. Bis zu seiner Suspendierung versah er als Lehrer an der Hauptschule R, X-Gasse, Dienst.
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Disziplinarkommission beim Stadtschulrat für Wien, Senat für Lehrer an Hauptschulen, den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 11. September 1989 gemäß § 80 Abs. 3 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 (LDG 1984) vom Dienst suspendiert. Zur Begründung war ausgeführt worden, der Stadtschulrat für Wien habe den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 13. Juni 1989 gemäß § 80 Abs. 1 LDG 1984 vorläufig vom Dienst suspendiert, weil über ihn mit Wirksamkeit vom 9. Juni 1989 die Untersuchungshaft verhängt worden sei. Am 8. September 1989 hätte der Stadtschulrat für Wien Disziplinaranzeige gegen den Beschwerdeführer an die Disziplinarkommission erstattet. Auf Grund der Disziplinaranzeige und des Ergebnisses der vorläufigen Erhebungen hätte die Disziplinarkommission am 11. September 1989 beschlossen, ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer einzuleiten. Der Beschwerdeführer sei darin beschuldigt worden, er hätte in der Nacht zum 4. Juni 1989 in P gegenüber seiner Lebensgefährtin S gerichtlich strafbare Handlungen, nämlich die Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB), der Nötigung (§ 105 StGB) und der Körperverletzung (§ 83 StGB) begangen. Weiters sei er beschuldigt worden, er hätte im Schuljahr 1988/89 des öfteren seine Unterrichtstätigkeit - manchmal bis zu drei Stunden - verspätet aufgenommen, weil er verschlafen hätte. Des weiteren hätte er sich, meist unter Einfluß von Alkohol, seit Mai 1989 gegenüber Schülern, Eltern und Lehrern und auch gegenüber Vertretern der Schulbehörde verbal aggressiv verhalten. Damit hätte der Beschwerdeführer sowohl durch die ihm vorgeworfenen gerichtlich strafbaren Handlungen, die zwar ein außerdienstliches Verhalten beträfen, jedoch auf Grund ihres Gewichtes geeignet seien, die zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben eines Landeslehrers unerläßliche Vertrauensbasis zwischen Lehrer und Öffentlichkeit zu zerstören, als auch durch sein Verhalten gegenüber Eltern und Schülern Dienstpflichtverletzungen gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 begangen, weil er in seinem gesamten Verhalten nicht darauf Bedacht genommen hätte, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Des weiteren hätte er Dienstpflichtverletzungen gemäß § 29 Abs. 1 und § 31 LDG 1984 begangen, in dem er seine ihm obliegende Unterrichts- und Erziehungsaufgaben nicht gewissenhaft besorgt, seine Pflichten zur Erteilung regelmäßigen Unterrichts verletzt und die vorgeschriebene Unterrichtszeit nicht eingehalten hätte. Aus der Disziplinaranzeige des Stadtschulrates für Wien gehe im übrigen hervor, daß die Verhängung der Untersuchungshaft im Bezirk und in der Elternschaft bekannt geworden sei, Unruhe ausgelöst und Eltern sich dagegen verwahrt hätten, daß ihre Kinder weiterhin vom Beschwerdeführer unterrichtet würden. Zwar sei die Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer am 4. September 1989 aufgehoben worden und es sei damit ein Umstand, der für die vorläufige Suspendierung maßgeblich gewesen sei, weggefallen, doch seien nach Ansicht der Disziplinarkommission die Voraussetzungen für die endgültige Suspendierung gegeben, weil durch die Belassung des Beschwerdeführers im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen sowohl das Ansehen der Schule als auch wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.
In der gegen diesen Bescheid am 10. Oktober 1989 erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, richtig sei, daß er mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 20. August 1989 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB in zwei Fällen, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB in vier Fällen, jeweils begangen an seiner Lebensgefährtin, zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden sei. Dies stelle jedoch an sich keine ausreichende Begründung für die ausgesprochene Suspendierung vom Dienst dar, weil die über ihn verhängte Untersuchungshaft mit 4. September 1989 aufgehoben, die ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten gemäß § 43a Abs. 3 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen und die Reststrafe durch die Untersuchungshaft verbüßt worden sei. Die Verurteilung wegen eines Vergehens, wobei das Strafausmaß weniger als ein Jahr betrage, berechtige daher zwar sicherlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, keinesfalls jedoch die endgültige Suspendierung vom Dienst, umsomehr diese strafbaren Handlungen in keinerlei tatsächlichem oder rechtlichem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Hauptschullehrer begangen und in der Öffentlichkeit kaum bekannt worden seien. Zu dem weiteren Vorwurf, er habe im Schuljahr 1988/89 des öfteren seine Unterrichtstätigkeit - manchmal bis zu drei Stunden - verspätet aufgenommen, weil er verschlafen habe, sei zu bemerken, daß dieser Umstand, der im übrigen in keiner Weise in dieser Form den Tatsachen entspreche, ebenfalls keinen Entlassungsgrund darstellen könne, umsomehr er niemals in rechtlich richtiger Weise ermahnt worden sei. Eine schriftliche Ermahnung, unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Dienstpflichtverletzung, sei niemals erfolgt. Dies wäre jedoch für die Berechtigung der endgültigen Suspendierung und allfälligen Entlassung aus dem Dienst unbedingt notwendig gewesen, weil die Ermahnung einen selbständig bekämpfbaren Bescheid darstelle. Das gleiche gelte für den Vorwurf, er habe sich, meist unter Einfluß von Alkohol, seit Mai 1989 gegenüber Schülern, Eltern und Lehrern und auch Vertretern der Schulbehörde verbal aggressiv verhalten. Da ihm der Inhalt des Disziplinaraktes niemals zur Kenntnis gelangt sei und er auch nicht wisse, welche Schüler, Eltern und Lehrer, insbesondere Vertreter der Schulbehörde, sich durch sein Verhalten gestört bzw. sein Verhalten verbal aggressiv empfunden hätten, könne er dazu konkret keine Gegendarstellung abgeben. Er übe den Lehrberuf seit mehr als zehn Jahren aus und es seien seine Dienstbeschreibungen immer entsprechend gewesen, was auch seine Beförderung zum Hauptschuloberlehrer dokumentiere. In der Schule selbst habe er sich keine Handlungen zuschulden kommen lassen, die das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdeten, sodaß die Suspendierung vom Dienst nach Wegfall des vorläufigen Suspendierungsgrundes der Untersuchungshaft, ungesetzlich erscheine.
In der Folge stellte die obgenannte Disziplinarkommission mit Bescheid vom 12. Oktober 1989 das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Disziplinarverfahren gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 und 4 LDG 1984 zur Gänze ein.
Die Disziplinaroberkommission beim Stadtschulrat für Wien als Disziplinarbehörde zweiter Instanz gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 1989 der Berufung des Beschwerdeführers vom 10. Oktober 1989 keine Folge. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, der Beschluß der Disziplinarkommission vom 11. September 1989 mit dem der Beschwerdeführer vom Dienst suspendiert worden sei, sei nicht in Kenntnis der Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils des Kreisgerichtes Korneuburg erfolgt. Das Schreiben des Kreisgerichtes Korneuburg vom 12. September 1989 sei erst am 20. September 1989 im Stadtschulrat für Wien eingelangt und habe somit keine Grundlage für die Entscheidung der Disziplinarkommission gebildet. Entscheidungsgrundlage sei vielmehr gewesen, daß in dem mit 11. September 1989 auf Grund der Disziplinaranzeige des Stadtschulrates für Wien vom 8. September 1989 eingeleiteten Disziplinarverfahren dem Beschwerdeführer sowohl gerichtlich strafbare Handlungen als auch verbal aggressives Verhalten gegenüber Schülern, Eltern, Lehrern und Vertretern der Schulbehörde, die nicht gewissenhafte Besorgung der ihm obliegenden Unterrichts- und Erziehungsaufgaben, die Nichterteilung regelmäßigen Unterrichtes und die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Unterrichtszeit, somit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 29 Abs. 1 und 2 und § 31 LDG 1984 vorgeworfen worden seien. Aus den Stellungnahmen des zuständigen Bezirksschulinspektors und der Leiterin seiner Hauptschule gehe hervor, daß der Beschwerdeführer an einem Alkoholproblem leide, welches Anlaß für hohe Absenzen und aggressive Verhaltensweisen gegenüber Schülern, Eltern und Lehrern sei. Aus den Berichten gehe weiters eindeutig hervor, daß der Vorfall von P im Bereich der Schule des Beschwerdeführers große Publizität erlangt habe und Interessen des Dienstes gefährdet seien. Die Disziplinarkommission sei auf Grund dieser Aktenlage zutreffenderweise zur Auffassung gelangt, daß wegen der Gefährdung der Interessen des Dienstes und des Vertrauens der Allgemeinheit eine Belassung des Beschwerdeführers im Dienst nicht geboten sei. Auf Grund des Einstellungsbeschlusses der Disziplinarkommission vom 12. Oktober 1989 habe die belangte Behörde somit ausschließlich über den Zeitraum der Suspendierung vom 11. September 1989 bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zu befinden gehabt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte eine Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, daß eine Suspendierung nach § 80 LDG 1984 nicht ohne die in dieser Norm genannten Voraussetzungen verfügt bzw. bestätigt werde, durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmung, sowie der Vorschriften über die Bescheidbegründung verletzt. Er trägt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die belangte Behörde hätte sich, weil aus rechtlichen Gründen die strafgerichtliche Angelegenheit als Grundlage für die Suspendierung ausscheide, damit auseinandersetzen müssen, inwieweit abgesehen davon die Voraussetzungen für eine Suspendierung gegeben seien. Sie hätte bei einem Eingehen auf diese Frage zum Ergebnis gelangen müssen, daß es an ausreichenden Verdachtsgründen fehle. Alle diesbezüglichen Anschuldigungen seien so unbestimmt und außerdem der Art nach so wenig für eine Suspendierung geeignet, daß eine solche dadurch allein offensichtlich nicht zu rechtfertigen sei. Es stelle einen wesentlichen Begründungsmangel dar, daß die belangte Behörde nicht nachvollziehbar angibt, auf Grund welcher Beweislage welche Verdächtigungen anzunehmen seien und welches Gewicht solche allfälligen Verdächtigungen in Ansehung der nach § 80 LDG 1984 erforderlichen Voraussetzungen hätten. Was zunächst ein Zuspätkommen zum Dienst betreffe, liege es auf der Hand, daß dieses entweder konkret zumindest beispielsweise unmittelbar angegeben werden müsse oder als unzureichend zu werten sei. Formulierungen, wie sie im Beschwerdefall verwendet worden seien, nämlich "öfters" und "manchmal bis zu drei Stunden" seien untauglich. Für die weitere Anschuldigung in Richtung auf "Verbalaggression" gelte gleiches, auch diesbezüglich seien zumindest beispielhafte Zitierungen erforderlich, um eine Beurteilung im Sinne des § 80 Abs. 1 LDG 1984 zu ermöglichen. Anderseits komme aber hier noch hinzu, daß die Anschuldigung eine geradezu unüberbietbare Unbestimmtheit aufweise, in dem nur die Formulierung "verbalaggressiv" verwendet worden sei, die alles und nichts bedeuten könne und jedenfalls keineswegs geeignet sei, eine Beurteilung zu gestatten, ob eine Dienstpflichtverletzung überhaupt vorliegen könnte, geschweige denn, ob dem § 80 Abs. 1 LDG 1984 entsprechende Besorgnisse hinsichtlich schulischem Ansehen und wesentlichen Interessen des Dienstes begründet sein könnten.
Dieses Vorbringen ist begründet.
Rechtsgrundlage des vom Beschwerdeführer bekämpften Bescheides ist § 80 Abs. 1 und 3 LDG 1984. Danach hat die zur Durchführung eines bei ihr bereits anhängigen Disziplinarverfahrens berufene Behörde die Suspendierung zu verfügen, wenn über einen Landeslehrer die Untersuchungshaft verhängt oder durch die Belassung eines Landeslehrers im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.
Nach der Anordnung des Abs. 5 erster Satz der zuletzt zitierten Gesetzesstelle endet die Suspendierung spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. Diese Bestimmung regelt somit ausdrücklich den Fall, zu welchem äußersten Zeitpunkt (wann spätestens) die verfügte Suspendierung endet. Welchen Inhalt die abschließende Entscheidung hat, ist für die kraft Gesetzes - also ohne weiteren Rechtsakt - eintretende Beendigung der Suspendierung rechtlich unerheblich. Es kommt also nicht darauf an, ob über den Lehrer eine Disziplinarstrafe verhängt oder ob er freigesprochen wird oder ob - wie im Beschwerdefall - das Disziplinarverfahren - gleichviel aus welchen Gründen - eingestellt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag im Beschwerdefall eine Verpflichtung zu einer gesonderten Aufhebung der Suspendierung nicht zu erkennen, weil diese ohnehin ex lege mit der in Rechtskraft erwachsenen Einstellung des Disziplinarverfahrens beendet war. Solcherart konnte sich die Entscheidung der belangten Behörde vom Sachregelungsbereich her, was sie richtig erkannt hat, nur auf den Zeitraum vom 11. September 1989 bis zur Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses vom 12. Oktober 1989 beziehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1986, Zl. 86/09/0049, Slg. Nr. 12274/A).
Die Suspendierung stellt ihrem Wesen nach eine SICHERNDE Maßnahme dar, die bei Zutreffen der oben angeführten gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich (arg.: "... wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen ...") zwingend zu treffen ist und keine endgültige Lösung darstellt. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Lehrers eine den Verwaltungsaufgaben und dem Betrieb einer Schule dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen.
Es genügt, wenn gegen den Lehrer ein VERDACHT einer Dienstpflichtverletzung besteht, die die von § 80 Abs. 1 LDG 1984 geforderten Tatbestandsmerkmale erfüllt. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß er eine derartige schwere Dienstpflichtverletzung begangen hat. Ein VERDACHT kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113).
Der Lehrer hat - wie aus § 74 LDG 1984 iVm § 60 AVG 1950 erhellt - Anspruch auf Mitteilung der Verdachtsgründe. "Verdacht" ist mehr als eine bloße Vermutung. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf eine Dienstpflichtverletzung geschlossen werden kann, welche die vom § 80 Abs. 1 LDG 1984 geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen allein reichen zur Verfügung der Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die von § 80 Abs. 1 LDG 1984 geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt.
Die Verfügung der Suspendierung setzt nach der oben wiedergegebenen Gesetzesstelle den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen der Schule oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur SCHWERWIEGENDE, auf der Hand liegende Interessen der Schulverwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Supendierung begründet sein, z.B. bei denkbarer Verdunkelungsgefahr im Dienst oder schwerer Belastung des Betriebsklimas. Dagegen liegt das dienstliche Interesse, und zwar sowohl vor wie auch nach Aufklärung, bei Verfehlungen auf der Hand, die in der Regel zur Disziplinarstrafe der Entlassung (§ 70 Abs. 1 Z. 4 LDG 1984) führen. Denn darin kommen eine so erhebliche Unzuverlässigkeit und ein so schwerer Vertrauensbruch zum Ausdruck, daß der Schulverwaltung, den Lehrern, Schülern und Eltern bis zur Klärung und zum Abschluß des Falles eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann.
Der Lehrer, in dessen gesetzlich geschützte Rechte durch eine Suspendierung eingegriffen wird, hat einen Anspruch darauf, die Gründe dafür zu erfahren; denn nur dann kann er seine Rechte sachgemäß verteidigen. In dieser Hinsicht enthält der angefochtene Bescheid vom 27. Oktober 1989, der sich auf die bloße Feststellung beschränkt, auf Grund dieser Aktenlage sei die Disziplinarkommission zutreffenderweise zur Auffassung gelangt, daß wegen der Gefährdung der Interessen des Dienstes und des Vertrauens der Allgemeinheit eine Belassung des Lehrers im Dienst nicht geboten sei, keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, die für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von derart schweren Dienstpflichtverletzungen sprechen.
Zudem fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Berufungsschriftsatz, weshalb nicht festgestellt werden kann, ob die belangte Behörde dieses Vorbringen als richtig anerkannt hat oder nicht.
Da dem angefochtenen Bescheid, wie der bereits vorher dargestellten Wiedergabe zu entnehmen ist, jede eigenständige über den bloßen Hinweis auf die Disziplinaranzeige und die eingelangten Berichte hinausgehende Begründung fehlt und er sich auch mit dem umfangreichen und substantiierten Vorbringen des Beschwerdeführers im Administrativverfahren nicht auseinandersetzt, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, von welchen aus dem Ermittlungsverfahren gewonnenen Tatsachen die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist und welche Beweisanzeichen zur Überzeugungsbildung der belangten Behörde führten, es liege der Verdacht eines derart schweren, dem Beschwerdeführer zuzurechnenden schuldhaften Verhaltens vor, daß ohne Suspendierung des Beschwerdeführers der Dienstbetrieb oder die ordnungsmäßige Tätigkeit in der Schule empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde.
Damit ist der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides gehindert und die gemäß § 74 LDG 1984 anzuwendende Verfahrensvorschrift des § 60 AVG 1950 über die Bescheidbegründung verletzt; daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, kann - wie die bereits vorher rechtskräftig verfügte Einstellung des Disziplinarverfahrens zeigt - nicht von vornherein verneint werden.
Der angefochtene Bescheid war daher mangels ausreichender Sachverhaltsfeststellungen und mangels Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 VerdachtDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1989090163.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
21.10.2010