TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/25 89/09/0161

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Veröffentlicht am 25.04.1990
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

N gegen Landesarbeitsamt Wien vom 15. November 1989, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die Beschwerdeführerin, eine Rechtsanwältin, am 2. Jänner 1989 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe in Wien für die im Jahre 1958 geborene thailändische Staatsangehörige S für die berufliche Tätigkeit als ganztägige Erzieherin ihres Kindes im Vorschulalter in Englisch und Gymnastik mit einer Entlohnung von 6.000 S netto pro Monat die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 (AuslBG), beantragt.

Dieser Antrag war vom genannten Arbeitsamt mit Bescheid vom 31. Jänner 1989 unter Berufung auf § 4 Abs. 1 AuslBG mit der formularmäßigen Begründung wegen Nichtvorliegens eines unter Bedachtnahme auf die öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen bestehenden besonderen Bedürfnisses der inländischen Wirtschaft abgewiesen worden.

In ihrer dagegen innerhalb offener Frist eingebrachten Berufung brachte die Beschwerdeführerin gegen den ihrer Meinung nach begründungslosen Bescheid vor, es sei ihr nicht gelungen, eine österreichische Dienstnehmerin mit den Qualifikationen der beantragten Ausländerin zu finden. Es hätten sich lediglich Frauen ohne pädagogische Vorkenntnisse vorgestellt. Durch die Erteilung der beantragten Arbeitsbewilligung würde somit weder die Beschäftigung von Inländern gefährdet werden, noch träte eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für inländische Arbeitskräfte ein, weil solche nicht vorhanden seien.

Mit Schreiben vom 3. März 1989 teilte die Behörde erster Rechtsstufe der Beschwerdeführerin mit, daß sie der Beschwerdeführerin aus ihrem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten könne, die für die Tätigkeit, für die sie die obgenannte Ausländerin beantragt habe, zur Verfügung stünden. Unter einem wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, bekanntzugeben, ob sie an Stelle der beantragten Ausländerin an anderen Ersatzkräften interessiert sei. Die Beschwerdeführerin gab am 15. März 1989 die von ihr persönlich unterfertigte schriftliche Erklärung ab, sie ersuche um Zuweisung von Ersatzkräften.

Mit Schreiben vom 15. Juni 1989 hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor, sie hätte als Beleg für die Kenntnisse der beantragten Ausländerin die Fotokopie eines Zeugnisses vorgelegt, demzufolge die Genannte die Prüfung für das Lehramt abgelegt habe. Diesem Zeugnis sei aber nicht zu entnehmen, für welche Altersstufe die beantragte Ausländerin als Lehrerin tätig sein dürfe, noch, ob auch eine pädagogische Ausbildung stattgefunden habe. Es sei auch kein Hinweis auf die erlernten Sprachen (Deutsch, Englisch) zu entnehmen. Weiters sei ein Nachweis über die Berufspraxis als Erzieherin nicht erbracht worden. Derzeit seien beim Arbeitsamt sowohl Erzieherinnen wie Lehrerinnen arbeitssuchend gemeldet. Diese verfügten alle über einschlägige Praxis und/oder eine entsprechende Ausbildung. Die jeweiligen Ausbildungsrichtlinien seien gesetzlich vorgegeben. Um als diplomierte Erzieherin/Lehrerin tätig werden zu können, müßte die beantragte Ausländerin ihr Zeugnis nostrifizieren lassen. Erst danach könne ihre Ausbildung in Österreich anerkannt werden. Der Beschwerdeführerin seien über Wunsch neun Ersatzkräfte zugewiesen worden, doch sei keine Einstellung erfolgt. Es seien lediglich drei Vorstellungskarten zurückgelangt, auf welchen die Beschwerdeführerin angegeben hätte, daß die Qualifikationen nicht entsprächen, ohne jedoch nähere Angaben darüber zu machen, welche Anforderungen sie an die Bewerberinnen stelle.

In ihrer abschließenden Stellungnahme vom 30. Juni 1989 führte die Beschwerdeführerin dazu aus, die beantragte Ausländerin sei berechtigt, Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren an der Grundschule in Thailand in allen Gegenständen zu unterrichten. Darüberhinaus habe sie eine zweijährige Praxis in einem Kindergarten absolviert. Es sei richtig, daß sich verschiedene Arbeitssuchende bei ihr vorgestellt hätten. Frau A hätte mit schwer erziehbaren Jugendlichen gearbeitet und keinerlei Erfahrungen mit kleineren Kindern aufweisen können. Sie hätte selbst erklärt, daß ihre Ausbildung und Praxis für diesen Posten nicht geeignet sei. Frau E hätte ebenfalls nur mit schwer erziehbaren Kindern zusammengearbeitet, ebenso Frau M. Die anderen Arbeitssuchenden hätten teilweise nicht die nötige Ausbildung (Sozialhelferinnen) oder hätten wegen eigener Familie nur am Vormittag arbeiten können. Letztlich hätte keine der Arbeitssuchenden über die nötige Erfahrung und Ausbildung verfügt. Es sei der Beschwerdeführerin jedoch nicht zuzumuten, für die Erziehung ihres Kindes eine ungeeignete Person zu beschäftigen. Einmal unterlaufene Fehler seien nämlich irreparabel.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. November 1989 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte sie nach Darstellung des Sachverhaltes und Wiedergabe des § 4 Abs. 1 AuslBG aus, wie die Behörde erster Rechtsstufe festgestellt habe, stünden 15 arbeitssuchende diplomierte österreichische Erzieher/innen auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Diese bezögen Arbeitslosengeld, weshalb deren Vermittlung im öffentlichen Interesse gelegen sei. Diese auf Arbeitssuche befindlichen Österreicher/innen wiesen eine fundierte Ausbildung auf. Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen wiesen österreichischen Anforderungen entsprechende Diplome und Berufserfahrung als Erzieher/innen bzw. Lehrer/innen auf. Für die beantragte Ausländerin, die sich seit April 1988 in Österreich aufhalte, habe die Beschwerdeführerin trotz mehrmaliger Aufforderungen lediglich ein Zeugnis darüber vorgelegt, daß sie in Bangkok eine Prüfung über das Lehramt abgeschlossen habe. Weder sei eine Nostrifizierung noch eine Berufspraxis nachgewiesen worden. Es sei lediglich mitgeteilt worden, daß die beantragte Ausländerin in einem Kindergarten gearbeitet habe. Selbst dies sei jedoch nicht bewiesen worden. Es sei daher nicht klar, warum die Beschwerdeführerin bei der beantragten Ausländerin eine pädagogische Ausbildung annehme, wo sich doch in dem vorgelegten Zeugnis kein Hinweis darauf finde. Es sei daher unerfindlich, warum die Beschwerdeführerin diese Qualifikation den österreichischen Erziehern bzw. Lehrern, die nachweislich entsprechende Diplome hätten, abspreche. Auffällig sei, daß die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung vom 20. Februar 1989 feststelle, daß keine österreichischen Dienstnehmer mit pädagogischer Ausbildung zu finden seien, obwohl die ersten angebotenen Arbeitskräfte erst im April bei der Beschwerdeführerin vorstellig geworden seien. Nachdem das Vorbringen der Beschwerdeführerin ganz auf den Aspekt der Erziehung ihres Kindes und auf die pädagogische Ausbildung abgestellt worden sei, habe sie in Reaktion auf das Ersatzkraftangebot des Arbeitsamtes mit Schreiben vom 15. März 1989 die Version, die beantragte Ausländerin solle mit der Familie Gymnastik betreiben, geltend gemacht. Nicht nur, daß das gesamte Vorbringen einer gewissen Glaubwürdigkeit entbehre und lediglich auf die Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Ausländerin unter offensichtlich allen Umständen hinzuzielen scheine, hätten die als dürftig zu bezeichnenden Nachweise sowie die klare Ablehnung von österreichischen Arbeitskräften, die durch ihre Vorsprache eindeutig ihr Interesse an der offenen Stelle bekundet hätten, nicht ausgereicht, das gesetzliche Erfordernis des § 4 Abs. 1 AuslBG zu erfüllen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Maßgebende Rechtsgrundlage für die von der belangten Behörde herangezogenen Begründungselemente ist § 4 Abs. 1 AuslBG. Nach dieser Bestimmung ist die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn

a) die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt UND

b) wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1989, Zl. 88/09/0131, und die dort zitierte Vorjudikatur) ist auf eine Prüfung der unter

b) bezeichneten negativen Voraussetzung erst einzugehen, wenn feststeht, daß die vorher mit a) bezeichnete Voraussetzung erfüllt ist. Dazu muß aber auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt sein, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Das wird immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein bestimmter einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den (gesetzlich zulässigen) Bedingungen der Beschäftigung, die nach den vorstehenden Rechtsausführungen über eine Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrunde zu legen sind.

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG 1950 die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Den dargelegten Anforderungen entspricht weder das von der belangten Behörde abgeführte Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides.

In der entscheidungswesentlichen Frage der Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung beschränkt sich die belangte Behörde auf allgemeine Ausführungen, ohne - im Sinne der vorher genannten Rechtsprechung - durch entsprechend konkrete Sachverhaltsfeststellungen und Erörterungen dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit in dieser Hinsicht zu ermöglichen.

So kann dem Vorhalt vom 15. Juni 1989 nicht entnommen werden, daß alle neun der Beschwerdeführerin zugewiesenen Ersatzkräfte diplomierte Erzieher bzw. Lehrer gewesen seien. Zudem hat die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 30. Juni 1989 zu den Qualifikationen der von ihr namentlich genannten drei Ersatzkräfte substantiierte Einwendungen erhoben. Weiters hat sie in diesem Schriftsatz dargelegt, die gesuchte Arbeitskraft müsse ganztägig bereit sein, ihre Tätigkeit als Erzieherin auszuüben. Damit hat die Beschwerdeführerin ein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, von dem keineswegs gesagt werden kann, es sei, wenn es den Tatsachen entspricht, unerheblich.

Im Hinblick auf dieses Vorbringen wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides - allenfalls auf Grund weiterer Ermittlungen - in einer die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes ermöglichenden Weise näher darzulegen, ob die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Anforderung an die Qualifikation unter objektiven Gesichtspunkten als gerechtfertigt erscheint und bejahendenfalls ob im Hinblick auf die gewünschte Arbeitszeit die von der Beschwerdeführerin aufgezeigten Schwierigkeiten bestehen oder nicht.

Ohne konkrete Darstellung der Qualifikationen der zugewiesenen neun Ersatzkräfte und ohne Befragung derselben, aus welchen Gründen sie von der Beschwerdeführerin mangels Qualifikation abgelehnt wurden, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit zur Frage einer geeigneten Ersatzkraftstellung zu treffen.

Da die belangte Behörde aus diesen Gründen den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, und zwar, weil der Sachverhalt im entscheidungswesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, aber auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989090161.X00

Im RIS seit

25.04.1990
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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