Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ARG 1984 §27 Abs1;Betreff
Bundesminister für Arbeit und Soziales gegen Landeshauptmann von Oberösterreich vom 8. März 1988, Zl. Ge - 29.214/7-1988/Pan/Lb, betreffend Übertretung des Arbeitsruhegesetzes (mitbeteiligte Partei: F)
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1988, Zl. 86/08/0185, verwiesen. In diesem Erkenntnis wurde ausgeführt, daß die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung des Verschuldens der mitbeteiligten Partei als bloß geringfügig nicht zutreffe, eine Ungewißheit hinsichtlich der Rechtslage könne der mitbeteiligten Partei nicht zugute gehalten werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich wurde der Berufung des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G vom 3. Februar 1986, mit dem dem Mitbeteiligten wegen Übertretung des § 7 Abs. 1 des Arbeitsruhegesetzes (ARG) gemäß § 21 Abs. 1 VStG 1950 iVm. § 27 Abs. 1 ARG in elf Fällen Ermahnungen erteilt wurden, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 iVm. § 24 VStG 1950 und § 27 Abs. 1 ARG Folge gegeben und an Stelle der Ermahnungen je Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,--, insgesamt S 5.500,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzarreststrafen in der Dauer von je 12 Stunden, insgesamt 132 Stunden, verhängt.
In der Begründung wurde ausgeführt, daß die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Beurteilung des Verschuldens des Mitbeteiligten als bloß geringfügig nicht zutreffe, weil sich der Mitbeteiligte als Gewerbetreibender auf die Unkenntnis der Rechtslage nicht (erfolgreich) berufen könne und die behauptete Schadloshaltung der betroffenen Arbeitnehmer keinen die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG 1950 rechtfertigenden Umstand darstelle. Das nunmehr festgesetzte Strafausmaß sei dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat angemessen und unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten als nicht überhöht zu bezeichnen. Der Mitbeteiligte habe die Angaben über seine Einkommensverhältnisse verweigert, sodaß diese lediglich auf Grund einer Schätzung berücksichtigt werden könnten. Nachdem der Mitbeteiligte sowohl ein Gastgewerbe mit Tennishalle als auch ein Kaufhaus mit 1.360 qm Kauffläche betreibe, in dem 11 Arbeitnehmer beschäftigt seien, erziele er ein Einkommen in einer Höhe, das die verhängte Strafe von insgesamt S 5.500,-- als wirtschaftlich zumutbar erachten lasse. Auch die Sorgepflichten für 2 Kinder könnten keine Strafherabsetzung bewirken, da ohnedies nur die Mindeststrafe pro Übertretung verhängt worden sei. Dieses Strafausmaß reiche auch aus, um den Mitbeteiligten in Hinkunft von der Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten abzuhalten, da er durch das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren hinlänglich über die tatsächliche rechtliche Situation informiert sei und im Hinblick auf das Gesamtausmaß der verhängten Geldstrafe an derartigen Feiertagen keine Arbeitnehmer mehr beschäftigen werde. Nachdem auf Grund der kurzzeitigen und einmaligen Beschäftigung der Arbeitnehmer auch die Gefährdung bzw. Schädigung deren Gesundheit als unwesentlich zu erachten sei, sei die verhängte Geldstrafe unter Berücksichtigung eines Strafrahmens von S 500,-- bis S 30.000,-- als angemessen zu bezeichnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 gestützte Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer bringt unter Anführung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor, daß die belangte Behörde ihr Ermessen bei der Strafzumessung nicht im Sinne des § 19 VStG 1950 ausgeübt habe. Im wesentlichen wird dargelegt, die Ansicht der belangten Behörde, daß auf Grund der kurzzeitigen und einmaligen Beschäftigung die Gefährdung bzw. Schädigung der Gesundheit der Arbeitnehmer als unwesentlich zu erachten sei, treffe nicht zu. Die Strafdrohung des § 27 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 ARG diene nicht nur dem Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern, sondern auch dem Interesse des Staates an einer lückenlosen Durchsetzung der normierten Arbeitsruhe. Hinsichtlich der subjektiven Kriterien der Strafzumessung meint der Beschwerdeführer, daß der Mitbeteiligte mit Wissen und Wollen der Tat gehandelt habe. Der Vorsatz sei vor allem aus der in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wiedergegebenen Rechtfertigung des Mitbeteiligten ersichtlich. Darin begründe dieser sein Verhalten damit, daß er bei einer gesetzeskonformen Vorgangsweise beträchtliche finanzielle Einbußen im Weihnachtsgeschäft erlitten hätte. Diese vorsätzliche Begehungsweise sei als erschwerend zu beurteilen, da der Vorsatz bei der vorliegenden Verwaltungsübertretung keine ausdrückliche gesetzliche Voraussetzung der Strafbarkeit bilde und sich darin eine gesteigerte Beziehung des Täters zur Tat offenbare. Auch habe die belangte Behörde in keiner Weise ausgeführt, welche Umstände sie als mildernd bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt habe, obwohl sie die Mindeststrafe verhängt habe. Dem Beschwerdeführer sei aus der Aktenlage kein mildernder Umstand ersichtlich.
Weiters sprächen auch die im angefochtenen Bescheid dargelegten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten gegen die Verhängung der Mindeststrafe; überdies sei die Ansicht der belangten Behörde, daß das Gesamtausmaß aller verhängten Strafen als wirtschaftlich zumutbar zu erachten sei, nicht stichhaltig, weil jede Strafe für sich gesondert vor allem im Hinblick auf ihre spezial- und generalpräventive Wirkung zu betrachten sei. Die Verhängung der Mindeststrafe vermöge daher angesichts der vorsätzlichen Begehungsweise und im Hinblick auf die Vermögens- und Einkommenslage nicht die in bezug auf die Spezialprävention notwendige Übelswirkung zu entfalten, ebenso sei die generalpräventive Wirkung auch durch die Höhe der Strafe bedingt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu wiederholten Malen dargetan hat, ist die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung.
Im Grunde des Art. 130 Abs. 2 B-VG liegt im Bereich des verwaltungsbehördlichen Ermessens Rechtswidrigkeit dann nicht vor, wenn die Behörde von diesem im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde in der Begründung ihres Bescheides, die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. unter vielen anderen das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juni 1987, Zl. 86/04/0010, Slg. N.F. 12.489/A).
Angesichts der Begründung der Strafbemessung im angefochtenen Bescheid trifft der Beschwerdevorwurf der fehlerhaften Ermessensausübung durch die belangte Behörde zu. Nach § 7 Abs. 1 iVm. § 27 Abs. 1 ARG sind Arbeitgeber oder deren gesetzliche Vertreter, die den Bestimmungen über die Feiertagsruhe zuwiderhandeln, mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis S 30.000,-- zu bestrafen. Die belangte Behörde hat also je die Mindeststrafe verhängt. Eine solche kommt aber nur dann in Betracht, wenn entweder die mit der Tat verbundene Schädigung oder Gefährdung der Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sehr gering war, die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe überwiegen, das Verschulden entsprechend gering ist oder die in § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG 1950 angeführten persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten die Verhängung der Mindeststrafe rechtfertigen.
Solche Umstände sind aber der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. Zunächst kann nicht nachvollzogen werden, inwieweit die von der belangten Behörde angenommenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Mitbeteiligten die Verhängung der Mindeststrafe begründen könnten.
Soweit - zur Bewertung des Kriteriums des § 19 Abs. 1 VStG 1950 - von der Behörde angenommen wird, die Beschäftigung sei bloß "kurzzeitig" erfolgt, steht dies mit dem Akteninhalt, wonach die Beschäftigung wie an einem gewöhnlichen Arbeitstag erfolgte, in Widerspruch. Im übrigen verkennt die belangte Behörde in diesem Element der Bescheidbegründung den Gesetzesinhalt insofern, als die Bestimmungen über die Arbeitsruhe nicht in erster Linie einer konkreten Gesundheitsschädigung der Arbeitnehmer durch eine einmalige Beschäftigung an einem Sonn- oder Feiertag vorbeugen, sondern schlechthin die Interessen der Arbeitnehmer an einer Sonn- und Feiertagsruhe oder vergleichbaren Ruhezeit sichern wollen, mit der nicht nur gesundheitliche Interessen im vorhin erwähnten engeren Sinn, sondern auch vielfältige andere Interessen, etwa soziale, familiäre, kulturelle oder religiöse, geschützt werden sollen, was eine möglichst lückenlose Durchsetzung der Arbeitsruhe gebietet.
Im übrigen steht auch die Bewertung der spezialpräventiven Wirkung der verhängten Mindeststrafe mit dem Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang. Die Annahme, der Mitbeteiligte werde in Hinkunft gleiche oder ähnliche Straftaten nicht mehr begehen, weil er nunmehr "durch das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren hinlänglich über die tatsächliche rechtliche Situation informiert" sei, setzt voraus, daß der Betreffende die Verwaltungsübertretung auf Grund eines Rechtsirrtums oder zumindest einer Rechtsunsicherheit begangen hat. Dies hat aber die belangte Behörde in ihrem Bescheid weder selbst festgestellt noch läßt sich dies aus dem übrigen Akteninhalt ableiten (in seiner Einvernahme am 25. April 1985 hat der Mitbeteiligte vielmehr ausdrücklich zugestanden, daß er sehr wohl über die Rechtslage informiert gewesen sei, aber aus Gründen des Konkurrenzdruckes sein Geschäft habe offenhalten wollen).
Überdies hat der Gerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Jänner 1988 ausgeschlossen, daß dem Mitbeteiligten eine "Rechtsunsicherheit" zugute gehalten werden könne. Die belangte Behörde hatte gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die Bindungswirkung dieser Rechtsansicht zu beachten.
Insgesamt sind daher Gründe, die die Verhängung der Mindeststrafe rechtfertigen könnten, der Bescheidbegründung nicht zu entnehmen, bzw. stehen im Widerspruch zum
hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1988. Die belangte Behörde hat daher das ihr in § 19 VStG 1950 eingeräumte Ermessen nicht im Sinn des Gesetzes ausgeübt, weswegen der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1988080155.X00Im RIS seit
25.04.1990Zuletzt aktualisiert am
01.10.2013