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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §17 Abs1;Betreff
N gegen Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 21. November 1989, Zl. GZ 111/5-DOK/89, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Disziplinarsache
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht seit dem 1. September 1982 als Universitätsassistent in einem zeitlich begrenzten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis mit dem Bund und ist am Institut für Elektrotechnik der Universität T in der Forschung tätig.
Wegen des Verdachtes, er habe im Zuge dieser Tätigkeit ohne Wissen des Institutsvorstandes Kontakte mit verschiedenen untereinander konkurrierenden Firmen wegen eines Elektroautos gepflogen und dadurch das Ansehen der Universität gefährdet, wegen der wiederholten Verschiebung von Prüfungs- und anderen Terminen sowie wegen wiederholter Abwesenheit vom Dienst (Auslandsaufenthalte) ohne Genehmigung, wurde gegen den Beschwerdeführer im Sommer 1989 Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (DK) erstattet. Ferner wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid des Rektors der Universität als seiner Dienstbehörde vom 12. Juni 1989 gemäß § 112 Abs. 1 BDG i.d.F. gemäß BGBl. Nr. 137/1983 vorläufig vom Dienst suspendiert. Es ist unbesritten, daß diese vorläufige Suspendierung dem Beschwerdeführer unter der Adresse Universität T, X-Straße n 1, "im Hause", zugestellt worden ist.
In ihrer Sitzung vom 24. Juli 1989 beschloß die DK, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die Suspendierung aufrechtzuerhalten. Der diesbezügliche Bescheid wurde dem Beschwerdeführer unter der Adresse "X-Straße n 2/3/4, T" durch Hinterlegung am 1. August 1989 zugestellt. Das Poststück wurde allerdings vom Beschwerdeführer nicht behoben und gelangte hierauf an die DK zurück. Mit einer an die Universität gerichteten Eingabe vom 31. August 1989 legte der Beschwerdeführer die seinem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht vor und beantragte die "Zumittlung einer Disziplinaranzeige, da eine Zustellung derselben gem. § 109 Abs. 3 BDG bis jetzt unterblieben" sei. Hierauf wurde der Bescheid der DK vom 24. Juli 1989 (neuerlich mit blauem Rückschein) am 6. September 1989 an den ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt.
Mit seiner am 19. September 1989 bei der DK eingelangten Berufung beantragte der Beschwerdeführer eine Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahin, daß von einer Aufrechterhaltung der Suspendierung abgesehen werden möge.
Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid diese Berufung "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG 1950 und § 105 BDG als verspätet zurückgewiesen". Dazu führte die belangte Behörde nach ausführlicher Wiedergabe der gegen den Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Vorwürfe und des Inhaltes der dagegen erhobenen Berufung begründend aus, die Berufungsfrist betrage zwei Wochen. Im vorliegenden Fall sei die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides der DK vom 24. Juli 1989 an den damals noch nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 2. AUGUST 1989 erfolgt. Die dagegen eingebrachte Berufung sei laut Aufgabestempel erst am
18. SEPTEMBER 1989 zur Post gegeben worden. Da dem Beschwerdeführer die vorläufige Suspendierung am 12. Juni 1989 zur Kenntnis gebracht worden sei, habe er ab diesem Zeitpunkt Parteistellung gehabt und sei daher nach § 8 des Zustellgesetzes verpflichtet gewesen, der Behörde eine etwaige Änderung der bisherigen Abgabestelle unverzüglich mitzuteilen. Da eine solche Mitteilung nicht eingegangen sei, habe die Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 des Zustellgesetzes die Wirkung der Zustellung gehabt. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe bereits am 16. August 1989 geendet. Die Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf meritorische Behandlung seiner Berufung verletzt. Von einer Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vor jener an seinen Vertreter habe der Beschwerdeführer keine Kenntnis erlangt. Ein vorheriger Zustellversuch sei jedenfalls nicht unter seiner den Behörden bekannten Wohnadresse vorgenommen worden. An seiner Dienststellenadresse "im Hause" habe sich trotz der Suspendierung nichts geändert.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber auf die Einbringung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat deshalb die Verspätung der am 18. September 1989 zur Post gegebenen Berufung des Beschwerdeführers angenommen, weil sie von der Rechtsgültigkeit der laut Rückschein ausgewiesenen Hinterlegung vom 2. August 1989 ausgegangen ist (richtig: 1. August 1989, siehe dazu Satz 2 und 3 des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz). Voraussetzung für diese Rechtzeitigkeit wäre allerdings, daß die beiden Zustellversuche am 31. Juli 1989 und am 1. August 1989 an einer Abgabestelle des Beschwerdeführers im Sinne des § 4 Zustellgesetz vorgenommen worden wären. Nach dieser Gesetzesstelle ist Abgabestelle der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.
Während die Zustellung der vorläufigen Suspendierung an den Beschwerdeführer an dessen Arbeitsplatz, nämlich "im Hause" der Universität T (mit Erfolg) vorgenommen wurde, war der Rückschein, mit welchem dem Beschwerdeführer der Bescheid der DK vom 24. Juli 1989 zugestellt werden sollte, an diesen per Adresse "X-Straße n 2/3/4, T" gerichtet. Daß der Beschwerdeführer dort eine Abgabestelle im Sinne des oben wiedergegebenen § 4 Zustellgesetz gehabt hätte und daß ihm dort die Möglichkeit offen gestanden wäre, von der am 1. August 1989 erfolgten Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides Kenntnis zu erlangen und das betreffende Poststück zu beheben, geht aus den vorgelegten Akten nicht hervor. Eine Prüfung dieses entscheidungswesentlichen Umstandes hat die belangte Behörde unterlassen.
Mit Rücksicht darauf, daß von der allfälligen Wirksamkeit der am 1. August 1989 erfolgten Hinterlegung die Beantwortung der entscheidenden Frage abhängt, ob die vom Vertreter des Beschwerdeführers am 18. September 1989 zur Post gegebene Berufung fristgerecht oder aber verspätet erhoben wurde, ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung vom 17. Juni 1989, BGBl. Nr. 206/1989.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1990:1990090015.X00Im RIS seit
25.04.1990